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Geißler plädiert für Horst Seehofer als Minister im Kabinett

Der CDU-Politiker Heiner Geißler hat sich für einen Kabinettsposten für Horst Seehofer ausgesprochen. Seehofer sei nicht nur kompetent, sondern auch populär. Man könne "den ganzen Bereich der Gesellschaftspolitik, der Sozialpolitik nicht der SPD überlassen als große Volkspartei". Des Weiteren empfahl Geißler, Wolfgang Schäuble solle den Fraktionsvorsitz übernehmen.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Nun, es mag vielleicht nicht der große Wurf gewesen sein, aber die Sozialdemokraten haben mit ihrer Ministermannschaft, mit ihrem Personaltableau überzeugt. Es ist ihnen ernst mit der Großen Koalition und mit der innerparteilichen Erneuerung. Selbst die Union zollte Anerkennung. Generalsekretär Volker Kauder sprach von einer "respektablen Mannschaft". Nun, mit dieser Ernennung steht die designierte Kanzlerin ihrerseits unter Zugzwang. Es gilt, mitzuhalten mit der SPD-Vorgabe - und das im landsmannschaftlichen Geflecht nicht nur mit der CSU. Wer soll welchen der verbliebenen Posten bekleiden? Es darf spekuliert werden. Am Telefon begrüße ich nun den CDU-Politiker Heiner Geißler, vormals Generalsekretär seiner Partei und immer noch Vor- und Querdenker. Herr Geißler, nun ist klar: Angela Merkel wird Kanzlerin. Damit ist aber auch der Druck auf die Union zur absoluten Geschlossenheit etwas verloren gegangen?

    Heiner Geißler: Ja gut, sie ist noch nicht Kanzlerin, sie muss erst gewählt werden. Und davor stehen ja die Koalitionsverhandlungen. Aber ich gehe auch davon aus, dass sie - und das halte ich auch für richtig - diese Wahl gewinnt, dass sie gewählt wird. Was Sie unter Druck verstehen, dass der etwas weggeht, das kann man ja nur als erfreulich bezeichnen, was die Inhalte anbelangt. Denn, die CDU hat ja eine schlimme Niederlage erlitten und sie darf jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern muss klarmachen und sich selber darüber im Klaren werden, warum sie die Wahl verloren hat.

    Breker: Nun geht es im Moment natürlich noch nicht um die Sache, Herr Geißler, sondern es geht um die Personen. Und da hat die SPD überzeugend vorgelegt und die Union muss jetzt, was ihr Personaltableau anbelangt, was Ordentliches entgegensetzen. Ist Angela Merkel denn frei genug, die beste Frau, den besten Mann auf den richtigen Platz zu setzen?

    Geißler: Na ja, natürlich ist sie frei. Aber sie muss natürlich auch Rücksicht nehmen und sie hat es natürlich deswegen schwierig, weil für die CDU nur vier Ministerposten übrig bleiben. Aber das ist nun nichts Neues. In allen Koalitionsregierungen, in denen die CDU den Bundeskanzler gestellt hat, war sie nicht proportional angemessen vertreten. Das ist eben das Opfer, das die CDU als Kanzlerpartei bringen muss gegenüber den anderen Koalitionspartnern, die eben durch Personalentscheidungen zu ihren Gunsten, also zu Gunsten der kleineren Koalitionspartner, auch eingebunden werden müssen. In dem Fall betrifft es die CSU.

    Breker: Sie sagen es: Es gibt gar nicht so viel zu verteilen. Kanzler soll Angela Merkel werden. Es ist selbstverständlich geradezu, dass sie natürlich auch ihren Kanzleramtsminister benennt. Die Wirtschaft für Edmund Stoiber. Und dann soll die CSU noch eins bekommen. Kann das überhaupt gerecht ablaufen? Muss das nicht automatisch auch zu Kritik aus den einzelnen Landsmannschaften der Union dann führen?

    Geißler: Ja gut, der Regionalproporz ist in der CDU/CSU immer wichtiger genommen worden als in der SPD, insofern hat die SPD es ein bisschen leichter. Aber das darf man auch nicht übertreiben. Also Sie können es bei dem Personaltableau und den Möglichkeiten, die der Angela Merkel zur Verfügung stehen, ja niemals allen recht machen. Das ist ja völlig ausgeschlossen. Und infolgedessen muss sie damit leben, das muss sie schon in Kauf nehmen als Kanzlerin, dass es da Leute gibt, die in den ersten Tagen oder Wochen herumräsonieren. Das muss sie souverän auf die Seite schieben.

    Breker: Herr Geißler, kann man eigentlich Horst Seehofer, der ja der einzige CSU-Politiker war, der gewonnen hat - und nicht ohne Grund gewonnen hat - bei dieser Bundestagswahl, kann man ihn eigentlich aus dem Kabinett fernhalten?

    Geißler: Das wäre ein schwerer Fehler, wenn sie das machen würde, denn Herr Seehofer ist nicht nur kompetent, sondern er ist populär. Und wir können ja den ganzen Bereich der Gesellschaftspolitik, der Sozialpolitik nicht der SPD überlassen als große Volkspartei. Wir haben da ja was aufzuholen.

    Breker: Von daher sprechen Sie also für Horst Seehofer als Minister im Kabinett Merkel. Wie sieht das denn aus bei dem Personenangebot, was die Union aus Niedersachsen vorzulegen hat? Ursula von der Leyen ist doch auch eine überzeugende Unionspolitikerin und auch eine, die im Grunde dafürsteht, dass hier eine neue Generation auch zum Zuge kommt?

    Geißler: Ja, jetzt soll ich diese Frage lösen, die die Frau Merkel lösen muss. Ich bin aber nicht Bundeskanzler und werde es auch nicht.

    Breker: Aber Sie könnten ja beraten.

    Geißler: Ja, ja, aber jetzt nicht über das Telefon und den Deutschlandfunk, so sehr ich diesen großartigen Sender schätze, aber das können wir zwei jetzt miteinander nicht besprechen.

    Breker: Aber eins ist gewiss sicherlich, Herr Geißler: Wolfgang Schäuble gehört ins Kabinett?

    Geißler: Ja, gehört ins Kabinett oder übernimmt den Fraktionsvorsitz. Ich glaube schon, dass sie auf Wolfgang Schäuble nicht verzichten sollte.

    Breker: Herr Geißler, Sie haben es eingangs gesagt: Eigentlich ist die Sache viel bedeutsamer als die Person. In der Sache muss die Union aus diesem Wahlergebnis lernen. Aber ist nicht andererseits es schon so, dass die Personen auch glaubwürdig für die Sache stehen müssen?

    Geißler: Ja, das ist auch richtig. Aber, ich meine, es müssen..., wenn unter Glaubwürdigkeit verstanden wird, dass nun die Programmatik vor der Wahl umgesetzt werden soll in die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl, dann ist das eine Missachtung der Demokratie. Denn, wir haben ja eine Umfrage und da sind die Leute gefragt worden: Sind Sie dafür, dass die Programmatik jetzt auch von den politischen Parteien umgesetzt wird nach der Wahl? Und da haben 75 Prozent gesagt: Um Himmelswillen, nein! Auch völlig zu Recht, weil die schwarz-gelbe Option hat ja nun gerade wegen der Inhalte - doch nicht wegen der Frau Merkel, sondern wegen der Inhalte - keine Mehrheit bekommen. Und die Agenda 2010, die ist auch glatt abgewählt worden. Also die beiden Koalitionspartner müssen jetzt schon den Mut und die Kraft aufbringen, einen neuen Anfang zu machen. Deswegen ist ja auch der Begriff von der Angela Merkel "eine Koalition der neuen Möglichkeiten" gar nicht so schlecht. Aber dann muss es auch in der Tat einen neue Politik sein und nicht die Fortsetzung dieser etwas marktliberal angehauchten Ideologie.

    Breker: Und das bedeutet für die Union, dass sie ihr soziales Standbein als Volkspartei wiederentdecken muss?

    Geißler: Das ist eine Einheit, nicht wahr? Wirtschafts- und Sozialpolitik muss man als eine Einheit sehen. Es hat keinen Wert, die Ökonomie ständig gegen das Soziale und das Soziale gegen die Ökonomie auszuspielen. Was wir heute brauchen, ist mehr Nachfrage. Das heißt, die Leute müssen wieder mehr kaufen können und kaufen wollen. Eine ganz einfache Überlegung: Das wird man nicht erreichen können, wenn man den Leuten noch mehr Geld wegnimmt, wie das in den letzten Jahren der Fall war. Infolgedessen braucht man jetzt eine nachfrageorientierte Konjunkturpolitik und die ist gleichzeitig auch eine ordentliche Sozialpolitik.