Heiner Geißler: Natürlich nicht, man kann auch nicht von einem Vorschlag sprechen, das hat Michael Glos so nebenbei mal gesagt. Eine Unterschriftenaktion gegen den Beitritt der Türkei ist politisch sinnlos und außerdem natürlich gefährlich, aber die Rechtsparteien NPD und DVU werden in erster Linie gestärkt durch eine falsche Politik in Berlin. Insofern ist das, was wir jetzt von den Vertretern von Rot-Grün hören, pure Heuchelei, denn die Wählerinnen und Wähler in Sachsen und Brandenburg sind ja ganz überwiegend keine Neonazis, genauso wenig wie die PDS-Wähler Kommunisten sind, sondern es sind Protestwähler, marginalisierte Leute oder von der Marginalisierung bedrohte Menschen, vor allem durch die Folgen von Hartz IV und die anderen Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden sollen und wenn man will, dass diese beiden Parteien nicht in den Bundestag kommen, dann muss man eine andere Politik machen.
Klein: Dennoch sprechen Sie davon, dass die Unterschriftenaktion, so sie denn zustande kommt, gefährlich sei. Worin besteht denn die Gefahr?
Geißler: Wenn sie durchgeführt würde, würde sie erstens einmal hinterher zu einer großen Enttäuschung führen, denn sie bewirkt ja politisch überhaupt nichts. Ob die Türkei Mitglied wird, entscheidet sich in zehn oder zwölf Jahren, jetzt geht es ja nur darum, dass man die Verhandlungen aufnimmt. Natürlich hat das nachher Konsequenzen, aber es soll ja nun gerade festgestellt werden, ob die Türkei die Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllt und in einer solchen Zeit eine Unterschriftenaktion zu bekommen, ist ja Kindergartenpolitik.
Klein: Aber was heißt es auch für die Union und das Bild, das die Menschen von ihr gewinnen, wenn Leute auf den Straßen an Ständen mit CDU-Logo fragen: Wo können wir hier gegen die Türkei unterschreiben?
Geißler: Das ist der zweite Punkt, dass nämlich das Image der CDU beschädigt wird bei einer großen Anzahl von Menschen, die noch ein bisschen weiter denken können, als über den Dorfrand hinaus. Es ist eine zu ernste Frage und bei dem Türkeibeitritt gibt es wichtige Gründe dafür und dagegen und das muss man vernünftigerweise gegeneinander abwägen und kann man nicht auf die emotionale Schiene schieben. Wenn man das tut, entwickeln sich natürlich außerdem auch Gegenkräfte und wir haben drei Millionen Türken bei uns im Land und die werden das als einen Angriff auf sich selber empfinden und dadurch wird der innere Frieden gestört.
Klein: Es gibt durchaus Ängste und Vorbehalte gegen einen Türkeibeitritt, die nicht nur irrational sind. Haben die Politiker, auch Ihrer Partei, als sie in der Regierungsverantwortung war, also versäumt, diese Bedenken auszudiskutieren, vielleicht auszuräumen?
Geißler: Es gab auch Bedenken gegen den Beitritt von Litauen und der Slowakei und ich weiß nicht, was alles an Bedenken auch gegenüber den osteuropäischen Ländern vorhanden waren. Natürlich gibt es Bedenken, das Hauptbedenken, das ich auch teile, besteht darin, dass wir die Chance einer politischen Union dadurch verringern, je zahlreicher die Mitglieder sind, je extensiver die Mitgliedschaft ausgedehnt wird, umso schwieriger wird es werden, eine wirkliche politische Union herbeizuführen, aber dieses Problem muss man natürlich abwägen gegen die Vorteile, die ein Beitritt der Türkei hat, dass nämlich ein islamischer Staat, der aber laizistisch ist, der die Trennung von Kirche und Staat zu seinem Verfassungsinhalt hat, sozusagen paradigmatisch als Beispiel auch für den übrigen islamischen Bereich gelten kann. Und wenn wir die Türkei nicht aufnehmen - privilegierte Partnerschaft, das ist nicht Ganzes und nichts Halbes, das ist überhaupt nichts, damit werden die Türken sich nicht zufrieden geben - dann stoßen wir die vor den Kopf und möglicherweise bilden sich dann in der Türkei islamistische Kräfte, die dann das Gegenteil von dem bewirken, was wir an unserer südöstlichen Grenze von Europa brauchen können.
Klein: Die derzeitige Strategie der Union befindet sich ja doch in einem gewissen Widerspruch zur Politik der Regierung Kohl in den 80er- und 90er Jahren. Welche Konsequenzen hat diese Strategie derzeit für Angela Merkel als Vorsitzende?
Geißler: Ich finde es nicht gut, ich würde mich schämen, bei einer solchen Unterschriftenaktion mitzumachen auf der Straße. Es gehört nicht auf die Straße. Da werden Emotionen hochgepuscht und was da jetzt gemacht wird ist, wie ich finde, ein sehr durchsichtiges Ablenkungsmanöver, weil eben gar nicht notwendig und dringend, ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen, mit denen wir es zu tun haben, dass nämlich die CDU eben ein eigenes Profil sich endlich erarbeiten muss, sie darf nicht hinter der SPD und der Regierung herzulaufen versuchen, sie noch auf derselben Schiene zu überholen mit Wegfall des Kündigungsschutzes und vielem anderen mehr. Das alles steht eigentlich Vordergrund und muss jetzt abgeklärt werden, ob die CDU eine Volkspartei bleiben will und ob sie als Alternative zur jetzigen Regierung ein eigenes Profil zeigt. Das ist ja alles noch völlig unklar und diese Unterschriftenaktion hindert uns eigentlich, das zu tun, was jetzt notwendig ist.
Klein: Man kann jetzt beobachten, wie sich Politiker anderer Parteien teilweise winden bei der Frage, wie sie mit den Parlamentskollegen aus der NPD oder DVU umgehen sollen. Was wäre Ihr Rat?
Geißler: Jedenfalls darf man der NPD inhaltlich nicht nachlaufen, sondern muss sie inhaltlich hart bekämpfen und auf der anderen Seite darf man keine Berührungsängste haben. Ich habe früher auch mit Vertretern der NPD im Fernsehen diskutiert. Man muss die Leute stellen und sie entlarven, dazu muss man natürlich in der Lage sein und muss argumentationsfähig sein, aber den Leuten auszuweichen bedeutet ja nur, dass man ihnen das Feld der Agitation überlässt. Richtiger ist stattdessen, dass man sich auseinandersetzt und eben deutlich macht, dass ihre Argumente nichts taugen.
Klein: Dennoch sprechen Sie davon, dass die Unterschriftenaktion, so sie denn zustande kommt, gefährlich sei. Worin besteht denn die Gefahr?
Geißler: Wenn sie durchgeführt würde, würde sie erstens einmal hinterher zu einer großen Enttäuschung führen, denn sie bewirkt ja politisch überhaupt nichts. Ob die Türkei Mitglied wird, entscheidet sich in zehn oder zwölf Jahren, jetzt geht es ja nur darum, dass man die Verhandlungen aufnimmt. Natürlich hat das nachher Konsequenzen, aber es soll ja nun gerade festgestellt werden, ob die Türkei die Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllt und in einer solchen Zeit eine Unterschriftenaktion zu bekommen, ist ja Kindergartenpolitik.
Klein: Aber was heißt es auch für die Union und das Bild, das die Menschen von ihr gewinnen, wenn Leute auf den Straßen an Ständen mit CDU-Logo fragen: Wo können wir hier gegen die Türkei unterschreiben?
Geißler: Das ist der zweite Punkt, dass nämlich das Image der CDU beschädigt wird bei einer großen Anzahl von Menschen, die noch ein bisschen weiter denken können, als über den Dorfrand hinaus. Es ist eine zu ernste Frage und bei dem Türkeibeitritt gibt es wichtige Gründe dafür und dagegen und das muss man vernünftigerweise gegeneinander abwägen und kann man nicht auf die emotionale Schiene schieben. Wenn man das tut, entwickeln sich natürlich außerdem auch Gegenkräfte und wir haben drei Millionen Türken bei uns im Land und die werden das als einen Angriff auf sich selber empfinden und dadurch wird der innere Frieden gestört.
Klein: Es gibt durchaus Ängste und Vorbehalte gegen einen Türkeibeitritt, die nicht nur irrational sind. Haben die Politiker, auch Ihrer Partei, als sie in der Regierungsverantwortung war, also versäumt, diese Bedenken auszudiskutieren, vielleicht auszuräumen?
Geißler: Es gab auch Bedenken gegen den Beitritt von Litauen und der Slowakei und ich weiß nicht, was alles an Bedenken auch gegenüber den osteuropäischen Ländern vorhanden waren. Natürlich gibt es Bedenken, das Hauptbedenken, das ich auch teile, besteht darin, dass wir die Chance einer politischen Union dadurch verringern, je zahlreicher die Mitglieder sind, je extensiver die Mitgliedschaft ausgedehnt wird, umso schwieriger wird es werden, eine wirkliche politische Union herbeizuführen, aber dieses Problem muss man natürlich abwägen gegen die Vorteile, die ein Beitritt der Türkei hat, dass nämlich ein islamischer Staat, der aber laizistisch ist, der die Trennung von Kirche und Staat zu seinem Verfassungsinhalt hat, sozusagen paradigmatisch als Beispiel auch für den übrigen islamischen Bereich gelten kann. Und wenn wir die Türkei nicht aufnehmen - privilegierte Partnerschaft, das ist nicht Ganzes und nichts Halbes, das ist überhaupt nichts, damit werden die Türken sich nicht zufrieden geben - dann stoßen wir die vor den Kopf und möglicherweise bilden sich dann in der Türkei islamistische Kräfte, die dann das Gegenteil von dem bewirken, was wir an unserer südöstlichen Grenze von Europa brauchen können.
Klein: Die derzeitige Strategie der Union befindet sich ja doch in einem gewissen Widerspruch zur Politik der Regierung Kohl in den 80er- und 90er Jahren. Welche Konsequenzen hat diese Strategie derzeit für Angela Merkel als Vorsitzende?
Geißler: Ich finde es nicht gut, ich würde mich schämen, bei einer solchen Unterschriftenaktion mitzumachen auf der Straße. Es gehört nicht auf die Straße. Da werden Emotionen hochgepuscht und was da jetzt gemacht wird ist, wie ich finde, ein sehr durchsichtiges Ablenkungsmanöver, weil eben gar nicht notwendig und dringend, ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen, mit denen wir es zu tun haben, dass nämlich die CDU eben ein eigenes Profil sich endlich erarbeiten muss, sie darf nicht hinter der SPD und der Regierung herzulaufen versuchen, sie noch auf derselben Schiene zu überholen mit Wegfall des Kündigungsschutzes und vielem anderen mehr. Das alles steht eigentlich Vordergrund und muss jetzt abgeklärt werden, ob die CDU eine Volkspartei bleiben will und ob sie als Alternative zur jetzigen Regierung ein eigenes Profil zeigt. Das ist ja alles noch völlig unklar und diese Unterschriftenaktion hindert uns eigentlich, das zu tun, was jetzt notwendig ist.
Klein: Man kann jetzt beobachten, wie sich Politiker anderer Parteien teilweise winden bei der Frage, wie sie mit den Parlamentskollegen aus der NPD oder DVU umgehen sollen. Was wäre Ihr Rat?
Geißler: Jedenfalls darf man der NPD inhaltlich nicht nachlaufen, sondern muss sie inhaltlich hart bekämpfen und auf der anderen Seite darf man keine Berührungsängste haben. Ich habe früher auch mit Vertretern der NPD im Fernsehen diskutiert. Man muss die Leute stellen und sie entlarven, dazu muss man natürlich in der Lage sein und muss argumentationsfähig sein, aber den Leuten auszuweichen bedeutet ja nur, dass man ihnen das Feld der Agitation überlässt. Richtiger ist stattdessen, dass man sich auseinandersetzt und eben deutlich macht, dass ihre Argumente nichts taugen.