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Gekaufte Hochschulabschlüsse

Die Regierung Berlusconi stürzte nicht über das mit Spannung erwartete Misstrauensvotum und so wird die heftig kritisierte Bildungsreform nun doch Realität. Die Stimmung ist erhitzt - auch wegen der immer zahlreicheren Nachrichten zur Korruption an Hochschulen.

Von Thomas Migge |
    Studierende und ihren Eltern fluchen, jubeln oder schreien einfach nur ihre Wut heraus.
    Als die Namen der korrumpierten Hochschullehrer bekannt wurden, ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Universität von Reggio Calabria, in der süditalienischen Region Kalabrien. Ermittelt wurde und wird gegen angesehene Professoren und einige ihrer Studenten. Wie zum Beispiel gegen Antonio Pelle. Der 24-Jährige, bekannt für seine teuren Schuhe für 1500 Euro, dicke Autos und ein angeberisches Auftreten, studierte an der Uni in Reggio Calabria Arboristik. Eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem Schutz und der nachhaltigen Entwicklung von Gehölzen und Grünräumen in Siedlungsbereichen beschäftigt. Warum der junge Mann, Sohn des mächtigen Mafiabosses Salvatore Pelle, einen Hochschulabschluss haben wollte, ist unklar. Klar ist hingegen, dass er ihn nicht rechtens erwarb, berichtet der investigative Journalist Marco Travaglio:

    "Es gab geheime Telefonate, die von der Anti-Mafia-Polizei abgehört wurden. Da fragt Antonio Pelle einen Professor wie der Studiengang heißt, in dem er einen Abschluss erhält und der Prof sagt es ihm, doch Pelle kann das Wort gar nicht richtig aussprechen. Und doch verkündet Pelle kurze Zeit später seinen Verwandten, dass er eine hervorragende Abschlussnote erhalten habe. Bei diesem Handel mit einem Uni-Abschluss wurde nichts unversucht gelassen, mögliche Ermittler in die Irre zu führen."

    Dass die Bosse der Mafia nicht vor den Hochschulen halt machen, ist seit Langem bekannt. Bau- und Renovierungsaufträge an und für Hochschulen werden immer öfter an Unternehmen der Mafia vergeben. Dass diese aber auch ihren Kindern zu getürkten Hochschulabschlüssen verhelfen, wurde bisher nur befürchtet. Jetzt liegen Ermittlungsergebnisse vor, die schwarz auf weiß nachweisen, wie einfach die Kinder der Bosse zu Akademikern werden.

    Ein Skandal, der die anderen Studierenden mehr als nur verärgert. Dazu die 22-jährige Chiara Valdese:

    "Ich studiere Kommunikationswissenschaften an der Uni in Reggio Calabria. Hier in Reggio, wo die Bosse die Politik und Wirtschaft in Schach halten, ist es doch kein Wunder, dass auch die Hochschule nicht immun gegen die mafiöse Korruption ist. Was mich entsetzt: Dass anscheinend Jahre lang eigentlich angesehene Profs korrupt sind. Ich habe mich hier eigentlich immatrikuliert, weil diese Uni einen ausgezeichneten Ruf genießt."

    Die Ermittler der Anti-Mafia-Polizei führen nun, dank abgehörter Telefonate, verschiedene Professoren als korrupt vor. Sie wurden von den Bossen direkt oder einem ihrer Mitarbeiter auf einen Sohn oder eine Tochter hingewiesen. In der mafiösen Kultur Süditaliens brauchten diese Hochschullehrer nicht unter Druck gesetzt zu werden. Allein der Hinweis auf den Nachwuchs eines lokalen Bosses reicht aus, dass die Wünsche des Vaters umgehend erfüllt werden, denn schließlich will man sich und seine Familie keiner Gefahr aussetzen. Die korrumpierten Professoren erhielten für gefälschte Testergebnisse zu Aufnahmeprüfungen, Semesterarbeiten und Hochschulabschlüsse Geld, Ferienurlaube - und auch ganze Wildschweine geschenkt. Ermittelt wird auch gegen Sekretärinnen einzelner universitärer Fachbereiche. Sie sollen mit den Professoren unter einer Decke gesteckt haben, um Test- und Abschlussergebnisse zu fälschen oder auch ohne tatsächlich stattgefundene Prüfungen auszustellen.

    Wie umfassend die mafiöse Uni-Korruption ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden. Ermittelt wird wegen der Bevorzugung der Kinder von Bossen an Hochschulen in ganz Süditalien, vor allem in Kalabrien und auch auf Sizilien.

    Auf die mafiöse Korruption an süditalienischen Unis weisen Studierende schon seit Jahren hin. Wie Gennaro Cattaneo. Er studiert in Reggio Calabria Architektur:

    "Hier wird der letzte Rest des gute Rufes unserer Hochschule beschmutzt und niemand hat jemals die Warnungen von uns Studenten bezüglich unerklärlich schneller Abschlussprüfungen für bestimmte Kommilitonen ernst genommen. Dabei weisen wir seit Jahren auf undurchsichtige Zustände und korrupte Persönlichkeiten hin."

    Bildungsministerin Maria Stella Gelmini versprach nach Bekanntwerden der jüngsten Ermittlungsergebnisse im Fall Mafia und Unis sich des Problems anzunehmen. Bleibt abzuwarten, ob sie das auch wirklich tut oder der Skandal, wie viele andere auch, ebenfalls im Sande verkaufen wird, ohne dass sich etwas zum Besseren hin ändert.