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Gekaufte Schüler

Einer Schule des Modells "Realschule plus" in Speicher in der Eifel droht die Schließung, wenn sich nicht genug neue Schüler anmelden. Deshalb bietet die Kommune den Eltern jetzt 500 Euro als Prämie, wenn sie ihre Kinder dort anmelden. Das Anreizsystem sorgt für Kritik.

Von Ludger Fittkau |
    Jürgen Weber ist ein freundlicher, gelassen wirkender Mann. Die Ausstrahlung des Schulleiters der Simon-Salomon-Realschule der kleinen Eifelstadt Speicher steht im Kontrast zu der Aufregung, die zurzeit landesweit um seine Schule herrscht. Jürgen Weber kämpft nämlich mit Hilfe der Kommunalpolitik und einer lokalen Bürgerinitiative mit ungewöhnlichen Mitteln um den Erhalt seiner Schule: Für jeden Schüler, der in den nächsten Tagen an der Realschule angemeldet wird, erhalten die Eltern 500 Euro - in bar. Jürgen Weber:

    "Aus Rücklagen, die die Verbandsgemeinde hat, soll das Ganze finanziert werden."

    30 Schüler sind bisher angemeldet worden, 51 müssen es jedoch sein, damit die bisherige Realschule zusammen mit der Hauptschule im Nebengebäude künftig als "Realschule Plus" weitergeführt werden kann. Sonst droht die Schließung seiner Schule, so Jürgen Weber:

    "Und die Schülerinnen und Schüler, die jetzt hier im System sind, würden dann in den nächsten Jahren schrittweise die Schule verlassen. Mit anderen Worten: Die Schule würde schrittweise auslaufen."

    Deshalb nun der verzweifelte Versuch, die einzige weiterführende Schule in Speicher zu retten. Aber ein Versuch, der wohl scheitern wird. Und auch scheitern soll, so sieht es die rot-grüne Landesregierung, die die Anmeldeprämie ablehnt.

    Ein Interview geben will zu dem Fall jedoch niemand im Mainzer Bildungsministerium von Doris Ahnen (SPD). Man verweist auf eine untergeordnete Landesbehörde, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - kurz ADD - in Trier. Die Behörde trägt die Verantwortung für rund 1700 Schulen in der Region.

    Sigurd Hein ist hier zuständig für die "Realschulen Plus" im Bezirk Trier. Hein unterrichtete selbst einmal einige Jahre lang an der Realschule in Speicher. Deshalb kann er schon verstehen, dass die Verantwortlichen verzweifelt versuchen, die Schule mit allen Mitteln zu retten. Doch Bargeld für Eltern - das ist ein Beispiel, das keine Schule machen sollte, so Sigurd Hein:

    "Ich denke, dass die Verbandsgemeinde sämtliche Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, nutzen möchte, um den Schulstandort zu halten. Das halte ich grundsätzlich schon für legitim. Wir von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion müssen ja den Vergleich zu anderen Schulstandorten ziehen und müssen auch deren Möglichkeiten ausloten. Und wir sind also der Meinung aufgrund der Kassenlage der Kommunen und damit auch der Schulträger, dass nicht jeder Standort in der Lage ist, über finanzielle Anreize Schüler für seinen Standort zu gewinnen."

    Die Realschule in Speicher ist längst nicht die einzige Schule im ländlichen Raum, die von einer Schließung bedroht ist. Es sind vor allem Gymnasien und integrierte Gesamtschulen, die vielerorts in Rheinland-Pfalz den Realschulen die Schüler wegnehmen. Dazu kommt der demografische Wandel - in vielen Regionen werden Kinder rar. Sigurd Hein:

    "Uns ist bewusst, dass in ganz Rheinland-Pfalz an mindestens 30 Standorten darüber nachgedacht werden kann, ob die existierende Schule weiterhin eine Zukunft haben kann. Das hängt damit zusammen, dass sich viele Eltern in die Mittelzentren orientieren und das Land gewissermaßen ausblutet. Es kommt zu Konkurrenzkämpfen um die Kinder, um die Eltern, um die Beeinflussung des Schulwahlverhaltens."

    Und das treibt Blüten - bis hin zum Bargeld für die Eltern wie jetzt in der Eifelstadt Speicher.
    Dass die Anmeldeprämie der Gemeinde die Realschule retten wird, ist zurzeit jedoch mehr als fraglich. Noch fehlen rund 20 Anmeldungen. Schulleiter Jürgen Weber:

    "Es wird schwierig, aber auf jeden Fall gibt es positive Resonanz, ja."

    Weber verschweigt nicht, dass er auch kritische Reaktionen bekommen hat: Warum kauft ihr Euch Eure Kinder? Das sei eine Frage in E-Mails gewesen, die er bekommen habe, räumt der Schulleiter ein. Die offizielle Anmeldefrist endet heute - Jürgen Weber hofft noch auf einige Nachzügler in den nächsten Tagen.

    Auf den Straßen von Speicher sind die Meinungen zu den 500 Euro Prämie für die Eltern geteilt:

    "Ich finde sie grundsätzlich nicht so schlecht, wird ja überall ziemlich kritisiert auch. Ich finde es jetzt nicht so schlecht."

    "Ich finde das gut, ich denke, dass dann mehr Leute auf die Dörfer ziehen, ist ja überall viel Leerstand, ich finde das gut."

    "Das ist nicht gut für diejenigen, die sich jetzt schon angemeldet haben, die bekommen keine Prämie, da gibt es nur Ärger. Ich würde die Prämie ganz sein lassen."