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"Gelbwesten"-Proteste
Widerstand gegen Macron geht weiter

Zu Beginn des Jahres sind wieder zehntausende Menschen der "Gelbwesten-Bewegung" gegen Emmanuel Macrons Reformen auf die Straße gegangen - teilweise gewaltsam. Der französische Präsident schafft es nicht, den Unmut der Bürger zu besänftigen.

Von Jürgen König | 09.01.2019
    Demonstranten in Paris stehen in einer Wolke von Tränengas, das von Polizisten während eines "Gelbwesten"-Protests eingesetzt wurde.
    Zusammenstöße bei "Gelbwesten"-Protesten in Paris am 5. Januar 2019 (Kamil Zihnioglu/AP/dpa)
    Es war vor allem die Verhaftung des Lastwagenfahrers Eric Drouet, einer zentralen Figur der "Gelben Westen", die der Bewegung im Neuen Jahr wieder deutlich größeren Zulauf bescherte. Wegen der "Organisation einer nichtangemeldeten Demonstration" hatte man ihn festgesetzt; nach einer Nacht wurde Eric Drouet wieder freigelassen und sofort zum Märtyrer stilisiert. Politische Wortführer der radikalen Linken wie Rechten machten ihn zum Helden, im Netz und auf den Straßen fragten viele "Gelbe Westen", ob man jetzt noch friedlich bleiben könne.
    "Die Regierung hat sich dafür entschieden, die Leute wieder dazu zu bringen, die Kreisverkehre zu besetzen – und die haben das gemacht, sie konnten gar nicht anders!"
    "Das war nicht richtig von der Regierung. Seit sieben, acht Wochen geht das so – es fehlt jede Kommunikation! Damit gießen sie nur Öl ins Feuer."
    "Es sind nicht die Gelbwesten, die sich radikalisieren, es ist die Regierung!"
    Vandalismus und Gewalt bei Protesten
    Die Proteste der "Gelben Westen" eskalierten am Samstag in mehreren Städten, was eine erneute Debatte über Vandalismus und Gewalt auslöste – und über die entstandenen wirtschaftlichen Schäden. Immer mehr Betriebe sind zu Kurzarbeit gezwungen; nicht nur Banken und Luxusboutiquen, selbst manche Frisörläden oder Optikergeschäfte verbarrikadieren sich mittlerweile regelmäßig jeden Freitagabend. Ein Buchhändler in Rouen:
    "Der Rückgang der Besucherzahlen in den Innenstädten bringt hunderte kleiner und mittelständischer Betriebe in Gefahr. Wir sind keine multinationalen Unternehmen!"
    Ein Cafébetreiber in Paris: "Wir mussten einen privaten Sicherheitsdienst engagieren, um den Eingang zu überwachen. Und selbst wenn draußen nichts passiert, ist im Innenraum der Geruch von Tränengas doch immer sehr präsent – und das am Samstagnachmittag!"
    Die "Gelbwesten" bleiben heterogen
    Als staatlichen Zuschuss zahlte die Regierung 32 Millionen Euro an 58 000 Kurzarbeiter aus. Premierminister Edouard Philippe kündigte eine harte Linie gegen gewalttätige Demonstranten an: so wie man Hooligans mit Stadionverboten belegt hat, sollen künftig verurteilte oder wiederholt auffällig gewordene Randalierer in einer Kartei geführt und von allen Demonstrationen ausgeschlossen werden.
    Unterdessen hat sich eine neue Gruppe der "Gelben Westen" herausgebildet: die "gilets jaunes constructifs". Doch auch diese "konstruktiven" Vertreter der "Gelbwesten" haben dasselbe Problem wie alle Vorgängergruppierungen: sie haben kein Mandat, werden von den eigenen Reihen nicht wirklich anerkannt. Die Forderungen der "Gelben Westen" sind entsprechend sehr heterogen, im Zentrum steht derzeit die nach einem Referendum zu Macrons Reformprogramm – als Antwort auf die öffentliche Debatte, die der Präsident ab nächster Woche im ganzen Land führen will.
    Auf Straßen und Märkten, in Rathäusern und Versammlungsräumen sollen Regierungsvertreter und Lokalpolitiker Gespräche mit Bürgern führen, auch Macron will sich beteiligen. Vier Themen sollen dabei im Mittelpunkt stehen: der ökologische Wandel, das Steuersystem, Demokratie und Bürgerschaft, die Reform des Staates.
    Macrons Gesprächangebote werden abgelehnt
    Viele Franzosen bezweifeln den Wert dieser Debatten, auch die "konstruktiven Gelbwesten". Einer ihrer Sprecher, David Poulain, im Sender BFM:
    "Es kommt sehr darauf an, wie das alles abläuft. Aber ich erinnere daran, dass die Hauptforderung der 'Gelben Westen' war und ist, die Kaufkraft der Bevölkerung zu erhöhen. Nur durch ein Referendum kann diese Bürgerdebatte jetzt abgeschlossen werden – und auch das beenden, was auf den Straßen passiert. Solange der Präsident diese Frage nach der Erhöhung der Kaufkraft nicht beantwortet, werden die Demonstrationen immer weitergehen. Es muss doch das Volk sein, das über seine Lebensumstände entscheidet!"
    Die Regierung hat die Forderung nach einem Referendum bisher nicht kommentiert. In seiner Silvesteransprache hat Macron bekräftigt, den Reformkurs fortsetzen zu wollen. 2019 ist die Reform der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems vorgesehen.