"Wir hatten Aussichten auf immense Gewinne, Bonuszahlungen, ohne die Konsequenzen unseres Handelns tragen zu müssen. Wir konnten nicht persönlich haftbar gemacht werden. Für eventuelle Risiken hatten andere aufzukommen, die Bank, die Anleger."
Jasper Barenberg: Jahrelang hat sie mitgespielt im großen Kasino der weltweit vernetzten Finanzmärkte. Für eine große deutsche Bank hat sie als Börsenhändlerin hoch riskante Derivate und Zertifikate entwickelt, komplizierte Finanzpapiere, die selbst das Risikomanagement im eigenen Haus oft nicht verstand, die aber millionenfach an unbedarfte Kunden verkauft wurden. Jetzt hat sie darüber ein Buch geschrieben. Ihren Namen allerdings gibt sie nicht preis und auch den ihrer Bank nicht. Das alles weiß nur ihr Verlag. Und auch für das Interview mit der Frau, die sich Anne T. nennt, haben wir ihre Stimme verfremdet. Warum aber diese Geheimniskrämerei?
Anne T.: Ich möchte keine spezifische Bank, keine spezielle Person angreifen, sondern mit dem Buch geht es mir einfach darum, einen Einblick in die Welt des Investmentbankings zu geben. Und was mich persönlich angeht, ist es so, dass ich nicht mich in den Mittelpunkt stellen möchte, sondern die Inhalte, über die ich schreibe, und dann ist es natürlich auch so, dass ich sowohl einen Job als auch ein Privatleben habe und auch möchte, dass das beides so bleibt.
Barenberg: Sie schildern diese Welt der Investmentbanker und Händler ja als eine sehr bizarre Welt. Sie beschreiben die Kollegen, mit denen Sie zu tun hatten, als intelligent, vor allem aber ja als gierig, als rücksichtslos, aggressiv und zynisch. Warum haben Sie eigentlich Gefallen an dieser Welt gefunden?
Anne T.: Die Welt des Investmentbankings und auch insbesondere die Welt des Handels ist eine absolut faszinierende Welt. Das übt schon einen gewaltigen Reiz aus und bei vielen, glaube ich, auch hat das so eine Art Suchtfaktor, wirklich täglich mit mehreren Millionen zu handeln, die Kontrolle darüber zu haben. Vielleicht sind das auch gewisse, wenn Sie so möchten, Machtgefühle, die dann so aufkommen. Das ist das eine. Bei vielen Händlern, die tatsächlich an den Börsen handeln, da kommt auch was ganz Spielerisches rein. Das sind viele Spielertypen, würde ich sagen. Teilweise können sie das Adrenalin und die Aufregung, die sie haben, durchaus mit Extremsportarten vergleichen. Das sind schon Dinge, die faszinieren, natürlich auch kombiniert mit einem sehr exklusiven Lebensstil, den man sich ja in der Tat auf Kosten der Bank auch leistet.
Barenberg: "Unsere Leidenschaft war das Geld", schreiben Sie. Ging es also allein darum, aus Geld noch mehr Geld zu machen?
Anne T.: Das ist jetzt vielleicht ein bisschen plakativ gesagt, aber ich denke, Geld ist das Zentrum des Investmentbankings, das ist insbesondere das Zentrum der Bereiche, in denen ich gearbeitet habe, nämlich die Bereiche, wo hochkomplex strukturierte Produkte strukturiert und gehandelt werden, oft unter Zuhilfenahme von noch komplizierteren Derivaten, anderen Finanzinstrumenten oder aber auch Firmen und Scheinfirmen auf den Cayman Islands, in Liechtenstein etc. Nur glaube ich, dass viele der Anleger, die in derartige komplexe Produkte reingegangen sind, vielleicht die Risiken nicht vollständig verstanden haben.
Barenberg: Und haben Sie einen Gedanken verschwendet an diese Kleinanleger, die ja glaubten, dass sie ihr Geld sicher und profitabel anlegen?
Anne T.: Die Sache ist natürlich die: Sie müssen sehen, die Händler und Investmentbanker, die ganz oben an der Spitze stehen und diese Produkte strukturieren, die haben mit den Kleinanlegern überhaupt nichts zu tun, gar nichts. Das sind einzelne kleine Anleger, von denen einer mal 10.000 Euro anlegt, vielleicht einer mal 20.000 Euro oder 30.000. Mit denen hat man überhaupt nichts zu tun. Da sind noch Massen von Marketing-Leuten, von Vertriebsleuten, von Filialberatern, Anlageberatern und so weiter zwischengeschaltet. Das heißt, da ist man schon extrem weit von entfernt.
Barenberg: Es entsteht ja ein bisschen der Eindruck, wenn Sie so schildern, welche Geschäfte Sie abgeschlossen haben, mit welchen Produkten Sie gehandelt haben, wie Sie die konstruiert haben, dass alle an diesen Risiken, die darin versteckt waren, auch verdient haben - Sie selber natürlich, aber auch Fondsmanager, denen Sie das angeboten haben, Anlageberater bis hinunter zu dem Kundenberater in den Banken. Gab es denn bei Ihnen, bei Ihren Kollegen ein Bewusstsein dafür, dass das ganze irgendwann kollabieren und an die Wand fahren könnte?
Anne T.: Nein. Das Bewusstsein war sicherlich nicht da. Es gibt ja eigentlich - und das ist das Interessante - sicherlich seit 10, 15 Jahren genügend Stimmen, die immer wieder vor den globalen Risiken komplexer Finanzinstrumente gewarnt haben, aber man hat halt quasi geschaut, dass man seine eigenen Risiken irgendwo im Blick hat. Was jetzt aber Gesamtbankrisiken und systemische Risiken angeht, dafür war man einfach nicht zuständig. Sie müssen ja sehen, dass die Menschen, die im Investmentbanking arbeiten, oft relativ jung sind. Die werden wirklich darauf getrimmt, gierig zu sein, dem Geld hinterher zu sein. Die werden wirklich angeheizt mit jährlichen Bonuszahlungen von mehreren hunderttausend Euro. Das ist ganz schön viel. Und wenn sie denen sagen, ihr müsst Geld verdienen, das ist dein Ziel für dieses Jahr, dann ist es sicherlich auch zu Situationen gekommen, wo diese Leute, um einfach mehr Rendite für die Bank zu produzieren, mehr Risiken eingegangen sind, als sie vielleicht hätten sollen.
Barenberg: Sie sind dann vor dem großen Crash im letzten Jahr ausgestiegen, mit Anfang 30. Warum?
Anne T.: Ein Punkt für mich war sicherlich, dass sich für mich persönlich so der Glamourfaktor des Investmentbankings ein bisschen abgenutzt hat. Der andere, aber viel wichtigere Punkt ist vielleicht, dass ich gemerkt habe, dass es ein Geschäft ist, in dem wirklich nur Geld als einziger Maßstab zählt. Es gibt eigentlich keine anderen Zielsetzungen, keine anderen Werte. Man hat jedes Jahr sein Ziel, so und so viel Geld zu verdienen. Das muss man irgendwie, egal wie umsetzen. Und es ist wirklich kein Raum für irgendwas anderes. Hinzu kommt, dass das Informationsungleichgewicht zwischen Bankern und Kunden gerade im letzten Jahrzehnt so groß geworden ist, einfach weil die Produkte so viel komplexer immer werden, dass es mir auch keinen Spaß mehr gemacht hat, da Kunden Dinge zu verkaufen, die sie vielleicht gar nicht im Detail verstehen.
Barenberg: Jetzt gibt es die dramatischen Folgen, die uns alle dieser Tage beschäftigen. Fühlen Sie sich eigentlich für die derzeitige Krise in gewisser Weise mit verantwortlich?
Anne T.: Nein, nein. Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage oder Angelegenheit. Ich kann nicht sagen, dass ich mich verantwortlich oder gar schuldig fühle, und ich denke, das gilt auch für 99,9 Prozent aller anderen Investmentbanker, weil die Sache ist ja die: Es war ja nicht so, dass irgendeiner von uns im Alleingang Risiken eingegangen ist, Anlegern Produkte verkauft hat, die sie nicht verstehen, sondern es war eher so, das war das gesamte System. Wir wurden alle angeheizt über die Bonuszahlungen und da, finde ich, habe ich ein Problem damit, jetzt als einzelne Person zu sagen, ich fühle mich schuldig, ich hätte das erkennen müssen und ich hätte dagegen angehen müssen.
Barenberg: Jetzt muss der Staat aushelfen, und zwar mit unserer aller Steuergeldern, und ausbügeln, was die Investmentbanker und Händler angerichtet haben. Haben Sie Verständnis, dass viele zornig darüber sind?
Anne T.: Ja, habe ich absolut. Dafür habe ich aller-, allergrößtes Verständnis und ich denke, auf einer gewissen Ebene bin ich selbst sogar sehr, sehr zornig darüber, denn das kann nicht angehen, dass es da Leute wie ich und andere gibt, die sehr, sehr viel Geld verdient haben, die Banken, die Milliarden verdient haben, und dass der Steuerzahler, der tatsächlich vielleicht der Mittelbau der deutschen Gesellschaft ist, das ausbadet. Das ist das eine. Das heißt, auf einer emotionalen Ebene kann ich das sehr, sehr gut nachvollziehen und verstehen. Aber das andere ist natürlich, was ja auch der Grund ist, warum der Staat eingreift: Wenn er das nicht tun würde, wären wir einfach systemischen Risiken in unserem Finanzsystem ausgesetzt, deren Folgen wahrscheinlich alles noch mal überschatten würden, was wir je gesehen haben.
Barenberg: Kein Markt, kein Akteur und kein Produkt soll zukünftig ohne Regulierung und Aufsicht sein. Das sagen die Politiker. Nach Ihrer Einschätzung, Sie kennen das System; wird das gelingen?
Anne T.: Ich stelle es mir schwierig vor, weil es ist ja schon eine Tatsache - das war auch in der Vergangenheit so -, wenn die Politik, wenn die Aufsicht jedes Produkt im Detail analysieren und kontrollieren wird, ich glaube schon, dass dann die Innovation von Anlageprodukten stark gehemmt wird. Die Finanzwelt ist zweitens inzwischen so globalisiert. Wenn sie in Deutschland alles kontrollieren, wird es auch immer wieder andere Möglichkeiten geben über andere Länder, dort zu strukturieren, dort anzulegen und so weiter. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob es richtig ist, jedes einzelne Ding im Detail zu kontrollieren. Aber was wir auf jeden Fall brauchen sind klare Regeln auch innerhalb der Banken selbst, weil das ist ja auch Aufgabe der Banken, genau zu verstehen, welche Risiken entstehen.
Barenberg: Die Frau, die sich Anne T. nennt. Der Titel ihres Buches: "Die Gier war grenzenlos - eine deutsche Börsenhändlerin packt aus". Es ist im Econ-Verlag erschienen und seit gestern im Buchhandel.
Jasper Barenberg: Jahrelang hat sie mitgespielt im großen Kasino der weltweit vernetzten Finanzmärkte. Für eine große deutsche Bank hat sie als Börsenhändlerin hoch riskante Derivate und Zertifikate entwickelt, komplizierte Finanzpapiere, die selbst das Risikomanagement im eigenen Haus oft nicht verstand, die aber millionenfach an unbedarfte Kunden verkauft wurden. Jetzt hat sie darüber ein Buch geschrieben. Ihren Namen allerdings gibt sie nicht preis und auch den ihrer Bank nicht. Das alles weiß nur ihr Verlag. Und auch für das Interview mit der Frau, die sich Anne T. nennt, haben wir ihre Stimme verfremdet. Warum aber diese Geheimniskrämerei?
Anne T.: Ich möchte keine spezifische Bank, keine spezielle Person angreifen, sondern mit dem Buch geht es mir einfach darum, einen Einblick in die Welt des Investmentbankings zu geben. Und was mich persönlich angeht, ist es so, dass ich nicht mich in den Mittelpunkt stellen möchte, sondern die Inhalte, über die ich schreibe, und dann ist es natürlich auch so, dass ich sowohl einen Job als auch ein Privatleben habe und auch möchte, dass das beides so bleibt.
Barenberg: Sie schildern diese Welt der Investmentbanker und Händler ja als eine sehr bizarre Welt. Sie beschreiben die Kollegen, mit denen Sie zu tun hatten, als intelligent, vor allem aber ja als gierig, als rücksichtslos, aggressiv und zynisch. Warum haben Sie eigentlich Gefallen an dieser Welt gefunden?
Anne T.: Die Welt des Investmentbankings und auch insbesondere die Welt des Handels ist eine absolut faszinierende Welt. Das übt schon einen gewaltigen Reiz aus und bei vielen, glaube ich, auch hat das so eine Art Suchtfaktor, wirklich täglich mit mehreren Millionen zu handeln, die Kontrolle darüber zu haben. Vielleicht sind das auch gewisse, wenn Sie so möchten, Machtgefühle, die dann so aufkommen. Das ist das eine. Bei vielen Händlern, die tatsächlich an den Börsen handeln, da kommt auch was ganz Spielerisches rein. Das sind viele Spielertypen, würde ich sagen. Teilweise können sie das Adrenalin und die Aufregung, die sie haben, durchaus mit Extremsportarten vergleichen. Das sind schon Dinge, die faszinieren, natürlich auch kombiniert mit einem sehr exklusiven Lebensstil, den man sich ja in der Tat auf Kosten der Bank auch leistet.
Barenberg: "Unsere Leidenschaft war das Geld", schreiben Sie. Ging es also allein darum, aus Geld noch mehr Geld zu machen?
Anne T.: Das ist jetzt vielleicht ein bisschen plakativ gesagt, aber ich denke, Geld ist das Zentrum des Investmentbankings, das ist insbesondere das Zentrum der Bereiche, in denen ich gearbeitet habe, nämlich die Bereiche, wo hochkomplex strukturierte Produkte strukturiert und gehandelt werden, oft unter Zuhilfenahme von noch komplizierteren Derivaten, anderen Finanzinstrumenten oder aber auch Firmen und Scheinfirmen auf den Cayman Islands, in Liechtenstein etc. Nur glaube ich, dass viele der Anleger, die in derartige komplexe Produkte reingegangen sind, vielleicht die Risiken nicht vollständig verstanden haben.
Barenberg: Und haben Sie einen Gedanken verschwendet an diese Kleinanleger, die ja glaubten, dass sie ihr Geld sicher und profitabel anlegen?
Anne T.: Die Sache ist natürlich die: Sie müssen sehen, die Händler und Investmentbanker, die ganz oben an der Spitze stehen und diese Produkte strukturieren, die haben mit den Kleinanlegern überhaupt nichts zu tun, gar nichts. Das sind einzelne kleine Anleger, von denen einer mal 10.000 Euro anlegt, vielleicht einer mal 20.000 Euro oder 30.000. Mit denen hat man überhaupt nichts zu tun. Da sind noch Massen von Marketing-Leuten, von Vertriebsleuten, von Filialberatern, Anlageberatern und so weiter zwischengeschaltet. Das heißt, da ist man schon extrem weit von entfernt.
Barenberg: Es entsteht ja ein bisschen der Eindruck, wenn Sie so schildern, welche Geschäfte Sie abgeschlossen haben, mit welchen Produkten Sie gehandelt haben, wie Sie die konstruiert haben, dass alle an diesen Risiken, die darin versteckt waren, auch verdient haben - Sie selber natürlich, aber auch Fondsmanager, denen Sie das angeboten haben, Anlageberater bis hinunter zu dem Kundenberater in den Banken. Gab es denn bei Ihnen, bei Ihren Kollegen ein Bewusstsein dafür, dass das ganze irgendwann kollabieren und an die Wand fahren könnte?
Anne T.: Nein. Das Bewusstsein war sicherlich nicht da. Es gibt ja eigentlich - und das ist das Interessante - sicherlich seit 10, 15 Jahren genügend Stimmen, die immer wieder vor den globalen Risiken komplexer Finanzinstrumente gewarnt haben, aber man hat halt quasi geschaut, dass man seine eigenen Risiken irgendwo im Blick hat. Was jetzt aber Gesamtbankrisiken und systemische Risiken angeht, dafür war man einfach nicht zuständig. Sie müssen ja sehen, dass die Menschen, die im Investmentbanking arbeiten, oft relativ jung sind. Die werden wirklich darauf getrimmt, gierig zu sein, dem Geld hinterher zu sein. Die werden wirklich angeheizt mit jährlichen Bonuszahlungen von mehreren hunderttausend Euro. Das ist ganz schön viel. Und wenn sie denen sagen, ihr müsst Geld verdienen, das ist dein Ziel für dieses Jahr, dann ist es sicherlich auch zu Situationen gekommen, wo diese Leute, um einfach mehr Rendite für die Bank zu produzieren, mehr Risiken eingegangen sind, als sie vielleicht hätten sollen.
Barenberg: Sie sind dann vor dem großen Crash im letzten Jahr ausgestiegen, mit Anfang 30. Warum?
Anne T.: Ein Punkt für mich war sicherlich, dass sich für mich persönlich so der Glamourfaktor des Investmentbankings ein bisschen abgenutzt hat. Der andere, aber viel wichtigere Punkt ist vielleicht, dass ich gemerkt habe, dass es ein Geschäft ist, in dem wirklich nur Geld als einziger Maßstab zählt. Es gibt eigentlich keine anderen Zielsetzungen, keine anderen Werte. Man hat jedes Jahr sein Ziel, so und so viel Geld zu verdienen. Das muss man irgendwie, egal wie umsetzen. Und es ist wirklich kein Raum für irgendwas anderes. Hinzu kommt, dass das Informationsungleichgewicht zwischen Bankern und Kunden gerade im letzten Jahrzehnt so groß geworden ist, einfach weil die Produkte so viel komplexer immer werden, dass es mir auch keinen Spaß mehr gemacht hat, da Kunden Dinge zu verkaufen, die sie vielleicht gar nicht im Detail verstehen.
Barenberg: Jetzt gibt es die dramatischen Folgen, die uns alle dieser Tage beschäftigen. Fühlen Sie sich eigentlich für die derzeitige Krise in gewisser Weise mit verantwortlich?
Anne T.: Nein, nein. Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage oder Angelegenheit. Ich kann nicht sagen, dass ich mich verantwortlich oder gar schuldig fühle, und ich denke, das gilt auch für 99,9 Prozent aller anderen Investmentbanker, weil die Sache ist ja die: Es war ja nicht so, dass irgendeiner von uns im Alleingang Risiken eingegangen ist, Anlegern Produkte verkauft hat, die sie nicht verstehen, sondern es war eher so, das war das gesamte System. Wir wurden alle angeheizt über die Bonuszahlungen und da, finde ich, habe ich ein Problem damit, jetzt als einzelne Person zu sagen, ich fühle mich schuldig, ich hätte das erkennen müssen und ich hätte dagegen angehen müssen.
Barenberg: Jetzt muss der Staat aushelfen, und zwar mit unserer aller Steuergeldern, und ausbügeln, was die Investmentbanker und Händler angerichtet haben. Haben Sie Verständnis, dass viele zornig darüber sind?
Anne T.: Ja, habe ich absolut. Dafür habe ich aller-, allergrößtes Verständnis und ich denke, auf einer gewissen Ebene bin ich selbst sogar sehr, sehr zornig darüber, denn das kann nicht angehen, dass es da Leute wie ich und andere gibt, die sehr, sehr viel Geld verdient haben, die Banken, die Milliarden verdient haben, und dass der Steuerzahler, der tatsächlich vielleicht der Mittelbau der deutschen Gesellschaft ist, das ausbadet. Das ist das eine. Das heißt, auf einer emotionalen Ebene kann ich das sehr, sehr gut nachvollziehen und verstehen. Aber das andere ist natürlich, was ja auch der Grund ist, warum der Staat eingreift: Wenn er das nicht tun würde, wären wir einfach systemischen Risiken in unserem Finanzsystem ausgesetzt, deren Folgen wahrscheinlich alles noch mal überschatten würden, was wir je gesehen haben.
Barenberg: Kein Markt, kein Akteur und kein Produkt soll zukünftig ohne Regulierung und Aufsicht sein. Das sagen die Politiker. Nach Ihrer Einschätzung, Sie kennen das System; wird das gelingen?
Anne T.: Ich stelle es mir schwierig vor, weil es ist ja schon eine Tatsache - das war auch in der Vergangenheit so -, wenn die Politik, wenn die Aufsicht jedes Produkt im Detail analysieren und kontrollieren wird, ich glaube schon, dass dann die Innovation von Anlageprodukten stark gehemmt wird. Die Finanzwelt ist zweitens inzwischen so globalisiert. Wenn sie in Deutschland alles kontrollieren, wird es auch immer wieder andere Möglichkeiten geben über andere Länder, dort zu strukturieren, dort anzulegen und so weiter. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob es richtig ist, jedes einzelne Ding im Detail zu kontrollieren. Aber was wir auf jeden Fall brauchen sind klare Regeln auch innerhalb der Banken selbst, weil das ist ja auch Aufgabe der Banken, genau zu verstehen, welche Risiken entstehen.
Barenberg: Die Frau, die sich Anne T. nennt. Der Titel ihres Buches: "Die Gier war grenzenlos - eine deutsche Börsenhändlerin packt aus". Es ist im Econ-Verlag erschienen und seit gestern im Buchhandel.