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Geliebt und verhätschelt
Puppenwahn in Thailand

In Thailand sind kleinkindgroße lebensechte Puppen derzeit total angesagt. Und die Liebe zu den sogenannten Engelskindern trägt gelegentlich seltsame Früchte. Einige Puppeneltern lassen ihren "Nachwuchs" sogar segnen.

Von Udo Schmidt | 28.01.2016
    Drei Child Angels Puppen (Engelskinder) essen an einem Tisch.
    Drei Child Angels (Engelskinder) essen an einem Tisch. (dpa / picture alliance / Rungroj Yongrit)
    Sie werden geliebt wie Kinder, sie haben die Größe von Kindern, sie bekommen im Restaurant einen Kindersitz und eine Billigfluglinie bietet jetzt auch eigens Plätze für sie an – die Rede ist von Engelskindern, "child angels", lebensgroße und lebensnahe Puppen, in die Thailands Frauen gerade ihre ganze Liebe investieren. Mananya hat jetzt in Nonthaburi einen Engelskinderklub gegründet:
    "Ein Grund, warum manche Frauen diese Puppen kaufen, ist, dass sie keine Kinder haben, sich diese nicht leisten können vielleicht. Aber wenn sie eine Puppe haben, dann wird ihr Leben besser."
    Man muss also an die Puppen glauben – Aberglauben nennen das viele auch in Thailand. Aber es wirkt, sagt die 17-jährige Wilairat, die die Puppen auch verkauft:
    "Die Puppe hat mir ein besseres Leben beschert. Sie hat mir geholfen, mehr Geld zu verdienen. Ich habe mehrmals in der Lotterie gewonnen."
    Der Realität entfliehen
    Vielleicht ist das Engelskind auch eine Möglichkeit, der harten Realität Thailands zu entrinnen.
    Seit dem Militärputsch im Mai 2014 wird die Lage immer schlechter, Meinungsfreiheit ist ein Fremdwort inzwischen, und Wirtschaftswachstum findet nicht mehr statt.
    Kein Wunder, dass sich Premier Prayuth Chan Ocha, der damals putschende General, sehr kritisch über die Puppen äußert. Man sollte sie nur anschaffen, wenn man sie sich wirklich leisten kann, ermahnt der Mann, der mit seinem Putsch das Land um Jahre zurückgeworfen hat, seine Thailänder.
    Gesegnete Puppen
    Zwischen 5000 und 25.000 Bath, umgerechnet 130 bis 640 Euro kosten die Puppen, dazu kommt dann noch einmal die Gebühr für die Segnung durch einen buddhistischen Mönch.
    Denn die ist wichtig, erst dann wirkt der Zauber der Engelskinder. Phra Winai ist einer der Mönche, die diese Puppen segnen:
    "Bevor ich die glückverheißenden Worte spreche, frage ich die Frauen, in welchen Schwierigkeiten sie sind, warum sie sich die Puppe angeschafft haben. Dann segne ich die Puppen und betrachte das als eine moralische Unterstützung. Die Frauen kommen häufig wieder zu mir."
    kleinkindgroße Puppen, die im Kindersitz am Dinner im Restaurant teilnehmen oder mit einem eigenen Ticket in ein Flugzeug der Linie Thai Smile steigen, Gegner lehnen das als Verrücktheit ab. Der 45-jährigen Puppenbesitzerin Natsuda ist das egal – sagt sie zumindest:
    "Ich kann es in den Augen der Menschen sehen. Ich weiß, dass sich manche sehr wundern, warum ich eine Puppe mit mir herumtrage. Aber das ist mir egal."
    Sorge vor Kriminalisierung
    Thailands Premier hat nun einen Weg gefunden, die Puppen vielleicht doch bald verbieten zu lassen – es ist die Art, auf die der Ex-General gerne Probleme löst. Sein Polizeichef äußerte jetzt die Sorge, dass in den Puppen Drogen geschmuggelt werden könnten. Sprach's und tags darauf wurde doch glatt am Flughafen von Chiang Mai eine Puppe mit 200 Tabletten Methamphetamin im Bauch beschlagnahmt.