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Geltendes Recht braucht Instrumente zur Klärung der Vaterschaft

Heuer: Womit können Väter, die glauben, ein Kind untergeschoben bekommen zu haben, ihre Vaterschaft vor Gericht anfechten? Jedenfalls nicht mit heimlich von privaten Labors durchgeführten Gentests. So hat gestern der Bundesgerichtshof geurteilt. Die Richter geben dem informellen Selbstbestimmungsrecht, in diesem Fall des Kindes, Vorrang vor dem Informationsrecht der tatsächlichen oder eben nur angeblichen Väter und bestätigen damit indirekt die Justizministerin Zypries, die heimliche Vaterschaftstests sogar unter Strafe stellen möchte. Die leidenschaftliche Debatte um das Thema dürfte damit noch lange nicht zu Ende sein. Wir führen sie heute früh mit Siegfried Willutzki, Amtsgerichtsdirektor a.D. und Ehrenvorsitzender des Deutschen Familiengerichtstages. Guten Morgen, Herr Willutzki.

    Willutzki: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Finden Sie das BGH-Urteil richtig?

    Willutzki: Es ist absolut richtig. Es liegt nämlich völlig in der deutschen Rechtstradition, dass heimlich aufgenommene Informationen nicht in einem ordentlichen Verfahren verwertet werden dürfen und deshalb war das völlig korrekt, was der Bundesgerichtshof entschieden hat.
    Heuer: Welche Gefahren würde denn die Zulassung heimlicher Vaterschaftstests heraufbeschwören?

    Willutzki: Das würde wirklich einen Dammbruch bewirken, denn ebenso wie der potentielle Vater eine Klärung über eine heimlichen Vaterschaftstest herbeiführen möchte, sind Arbeitgeber, sind Lebensversicherer, sind Krankenversicherer, aber auch potentielle Heiratskandidaten daran interessiert, über einen heimlichen Gentest Informationen zu bekommen über das, was in Zukunft von diesem Menschen zu erwarten ist. Und das wäre wirklich eine furchtbare Vision.

    Heuer: Nun ist es aber doch so, Herr Willutzki, dass die Väter, die geklagt haben, in der Sache durchaus Recht hatten, sie waren gar nicht die biologischen Väter. Auf offiziellem Weg konnten sie das offenbar nicht nachweisen.

    Willutzki: Gut, ich habe durchaus Verständnis für Väter, die glauben, berechtigte Anhaltspunkte zu haben, dass sie nicht der Vater sind, dass sie eine Klärung herbeiführen möchten. Dafür haben wir, meine ich, im geltenden Recht keine vernünftigen Instrumente. Denn die Vaterschaftsanfechtungsklage geht ja weit über das Ziel der Klärung hinaus. Sie hat ja zum Ziel, festzustellen, ich bin nicht der rechtliche Vater und das ist häufig mehr, als der verunsicherte potentielle Vater überhaupt anstrebt. Und deshalb würde ich mir wünschen, statt über die Strafbarkeit eines potentiellen Vaters, der die Vaterschaftstests heimlich durchführt, nachzudenken, dass wir eher über eine neue Form dieser Klärung im Recht nachdenken und dafür bietet sich meines Erachtens die im Augenblick laufende Reform des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit an. Hier sollten wir ein solches Verfahren vorsehen, das wesentlich geringere Anforderungen stellt, das kostengünstiger ist und dass auch dem Richter Beweiserleichterungen ermöglicht. Und das halte ich für den richtigen Weg. Ich halte es für ausgesprochen zweifelhaft, den verunsicherten potentiellen Vater mit der Strafandrohung nun noch zusätzlich zu bedrohen, sondern wenn es um Strafandrohung geht, dann sollten wir den Sumpf der unseriösen Laborinstitute austrocknen, indem wir sie mit Strafe bedrohen, wenn sie sich nicht darüber ordnungsgemäß vergewissert haben, dass alle erforderlichen Zustimmungen für die Durchführung eines solchen Gentests vorliegen.

    Heuer: Herr Willutzki lassen Sie uns noch mal auf die Praxis schauen. Heute ist es ja so, dass Väter, die an der Vaterschaft zweifeln, begründete Zweifel geltend machen müssen vor Gericht. Was wäre denn ein solcher begründeter Zweifel zum Beispiel?


    Willutzki: Nun, wenn ich nachweisen kann, dass die Mutter in der Empfängniszeit auch mit anderen Männern intensiven Kontakt gehabt hat, die die Vermutung nahe legen, dass es dort auch zum Geschlechtsverkehr gekommen ist und die Empfängnis durch einen anderen Mann möglich ist. Ich halte es für etwas fragwürdig, dass die Diskussion immer so läuft, der arme potentielle Vater, der klären möchte, ob er es denn wirklich ist und auf der anderen Seite die böswillige Mutter, die jetzt ganz genau weiß, er kann es nicht sein. Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Konstellationen und das kennen wir aus der gerichtlichen Praxis, wo die Mutter in der Empfängniszeit mit mehreren Männern Verkehr gehabt hat und sie muss keineswegs immer mit absoluter Sicherheit wissen, wer denn nun von diesen Männern der wirkliche Vater gewesen ist.

    Heuer: Sie haben vorhin gesagt, es soll die Möglichkeit geschaffen werden der Klärung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

    Willutzki: Richtig.

    Heuer: Können Sie mal ein Vergleichsbeispiel nennen, was wäre dann für die Väter, die zweifeln, leichter geworden?

    Willutzki: Ich habe die Frage nicht genau verstanden.

    Heuer: Was wäre denn leichter in der freiwilligen Gerichtsbarkeit für die Väter, wenn sie berechtigte Zweifel haben und diese anmelden wollen und nicht den Gerichtsweg bestreiten wollen, sondern das nur klären wollen?

    Willutzki: Sie brauchen nicht mehr mit dieser sehr viel weitergehenden Fragestellung zu kommen und das Gericht um die Feststellung bitten, dass sie nicht der Vater des Kindes sind. Sondern sie begehren dann lediglich die Zulässigkeit der Klärung durch den Vaterschaftstest. Und dafür würde es genügen, wenn man eben sagt, es haben intensive Kontakte der Mutter mit einem anderen Mann bestanden und daraus entstehen Zweifel, ob man wirklich der Vater ist oder nicht.

    Heuer: Die Hürden für eine solche Klärung wären also niedriger?

    Willutzki: Die Hürden wären deutlich niedriger, außerdem ist das Verfahren, das gerichtliche Verfahren weniger kostenaufwendig und der Richter hat da also auch viel mehr Möglichkeiten nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden.

    Heuer: Siegfried Willutzki der Ehrenvorsitzender des Deutschen Familiengerichtstages. Ich danke für das Gespräch.