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Gemeindefinanzreform zieht hohen Bürokratieaufwand nach sich

Wiese: In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Sozialausgaben der Gemeinden um ein Drittel, im gleichen Zeitraum gingen die Investitionen der Kommunen um den gleichen Anteil zurück, sagt der deutsche Städtetag. Die Folgen sind täglich zu besichtigen: schlaglochübersäte Straßen, vergammelte Schulen, geschlossene Schwimmbäder, um nur einige zu nennen. Und wie kann man das ändern? Indem man die gute alte Gewerbesteuer nicht etwa abschafft, sondern revitalisiert, sagt die Bundesregierung und will jetzt auch Freiberufler und Selbständige Gewerbesteuer zahlen lassen. Am Telefon begrüße ich den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Michael Rogowski. Herr Rogowski, außerdem will die Bundesregierung Steuerschlupflöcher für Unternehmen schließen. Welche gibt es denn da so eigentlich?

    Rogowski: Wissen Sie, das klingt so gut, von Steuerschlupflöchern zu reden. Es geht dabei um die Berechnung von Fremdkapitalzinsen. Also wenn Unternehmen sich vorwiegend mit Fremdkapital und nicht mit Eigenkapital finanzieren und dann diese Schuldzinsen auf das Fremdkapital absetzen, dann meint man, das sei ein Steuerschlupfloch, das müsse man schließen. Wir sind der Meinung, das ist eine ganz legitime, ordnungsgemäße Geschichte. Fremdkapitalzinsen sind Kosten, und die müssen abgesetzt werden können. Also das ist ein solches Beispiel.

    Wiese: Geht es auch darum, dass viele Großunternehmen durch die Verrechnung früherer Verluste durch aktuelle Gewinne gar keine Gewerbesteuer mehr zahlen? Will die Regierung dem einen Riegel vorschieben?

    Rogowski: Also man muss zunächst einmal sehen, dass die Gewerbesteuer gar nicht so drastisch gesunken ist. Sie war in der Spitze im Jahr 2000 bei rund 27 Milliarden, und sie liegt im Moment bei rund 23,5 Milliarden, das sind etwa 15 Prozent Rückgang. Das erleben wir in Unternehmen täglich, möchte ich fast sagen, solche Rückgänge, mit denen wir zurechtkommen müssen. Viele Gemeinden haben über ihre Verhältnisse gelebt, das muss auch mal ganz offen ausgesprochen werden. Aber wir waren immer dafür, dass man eine Lösung findet, das Einkommen der Gemeinden zu verstetigen. Das Problem der Gemeinden ist, dass die Einkünfte so stark schwanken, nämlich mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Wir haben deshalb einen Vorschlag gemacht, den wir für wesentlich zielführender erachtet hätten als das, was die Regierung jetzt tut. Die Gewerbesteuer gehört weg. Sie ist standortschädlich und hält Investoren eher von Deutschland ab.

    Wiese: Welche Alternative schwebt Ihnen denn vor? Wie sieht sie im Einzelnen aus?

    Rogowski: Also die Alternative wäre gewesen, dass man auf die Einkommen und auf die Einkommensteuer und auf die Körperschaftssteuer, also sowohl auf die Steuern der Unternehmen als auch auf die Steuern der Bürger einen Zuschlag macht. Dann schreien welche und sagen: Aha, also statt den Unternehmen zahlen jetzt die Bürger. Deshalb haben wir gesagt, das ist nicht so, wir wollen nämlich die Einkommenssteuer gleichzeitig nochmals absenken und wollen die Körperschaftssteuer leicht erhöhen, also alles in allem gesagt, wäre dieses Modell nicht teurer gewesen, weder für den einzelnen Bürger noch für die Unternehmen, es wäre aber ein wesentlich stetigerer Einnahmenfluss gewährleistet. Es wäre außerdem mehr Transparenz da, die Bürger wüssten letztendlich, woher kommt das Geld und wer kommt dafür auf.

    Wiese: Warum stetig, weil diese Steuer dann nicht mehr von der Konjunkturentwicklung abhängig wäre?

    Rogowski: Heute ist es so, dass die Gewerbesteuer nur noch von wenigen vorwiegend großen Unternehmen bezahlt wird. Wenn man die Einkommen der Unternehmen und der Bürger generell als Basis für die Bemessung der Gewerbesteuer heranzieht, dann hat man natürlich eine viel gleichmäßigere Basis, die nicht mehr so schwankt.

    Wiese: Nun will die Bundesregierung, so heißt es ja, die Verstetigung dieser Steuereinnahmen für die Kommunen dadurch erreichen, dass sie zum Beispiel jetzt auch Freiberufler und Selbständige Gewerbesteuer zahlen lassen will. Wie stehen Sie dazu?

    Rogowski: Also für die Freiberufler ist es natürlich keine Gemeindesteuerreform, sondern eine gemeine Steuerreform, denn die werden jetzt auch zur Kasse gebeten und müssen erst mal Gewerbesteuer bezahlen, können das dann auf ihre Einkommenssteuer verrechnen, wenn der Hebesatz in der Gemeinde nicht über 388 liegt, also in teuren Städten zahlen sie auch noch etwas oben drauf. Das ist ja ein unheimlicher bürokratischer Aufwand. Erst mal Steuern bezahlen und sie dann wieder auf eine andere Steuer anzurechnen, das ist keine weise Lösung.

    Wiese: Also insgesamt, wenn ich Sie recht verstanden habe, lehnen Sie diese Reformen, die die Bundesregierung nun vorgeschlagen hat, im Bausch und Bogen ab?

    Rogowski: Ich sage folgendes: Die Bundesregierung hat eine große Chance verpasst, ein Ungetüm einer Steuer, die in kaum einem anderen Land noch irgendwo existiert und nur Bürokratie bedeutet, abzuschaffen und dafür eine wesentlich intelligentere Lösung zu schaffen. Ein Zweites muss ich allerdings auch sagen: Es ist uns hoffentlich gelungen, etwas ganz Schlimmes zu vermeiden. Die Regierung will nämlich nicht, und zwar entgegen früheren Absichten, auch gewinnunabhängige Elemente in die Besteuerung einbeziehen, wie Pachten, Mieten, Leasingraten und solche Dinge. Das scheint vom Tisch zu sein, und wenn das vom Tisch ist, dann ist schon mal das Allerschlimmste vom Tisch. Das hätte nämlich bedeutet, dass Unternehmen auch dann Steuern bezahlen müssen, wenn sie gar keine Gewinne machen, nämlich wenn sie Verluste machen, und das würde noch mehr Unternehmer aus Deutschland fort treiben.

    Wiese: Gerade haben Sie diese gewinnunabhängigen Steuern angesprochen. Aber da mag möglicherweise, wenn Sie sagen, das ist vom Tisch, der Wunsch der Vater des Gedankens sein, denn gerade aus den Reihen der SPD und auch aus den Reihen des Deutschen Gewerkschaftsbundes kommt jetzt Kritik an diesem Vorhaben. Die wollen nämlich genau diese Steuer doch weiterhin erheben. Also das ist offensichtlich noch gar nicht so sicher, dass das durchgeht.

    Rogowski: Sie haben natürlich Recht. Bevor es nicht im Gesetzesblatt steht, weiß man nie, was noch kommt, und es wird noch heftig diskutiert werden, sowohl in der Regierung selbst als auch im Bundestag und dann später im Bundesrat. Da weiß man nicht, was dabei herauskommt. Aber eines ist ganz sicher: Es darf nicht dazu führen, dass Unternehmen auch dann Gewerbesteuer zahlen müssen, wenn sie gar keinen Gewinn machen, und das hat auch die Regierung jetzt nicht vor. Insofern hat sie zumindest versucht, das Allerschlimmste zu verhindern, und wir werden sie heftig dabei unterstützen, dass es dabei bleibt.

    Wiese: Sie haben gerade die Drohung ausgesprochen, dass es ja auch durchaus sein könnte, dass Unternehmen dann weiter abwandern, weitere Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Ist durch diese Reform, so wie sie jetzt aussieht, diese Gefahr zumindest in Teilen gebannt?

    Rogowski: Sie ist auf jeden Fall wesentlich weniger virulent, möchte ich mal sagen. Das war die große Furcht, dass substanzbesteuernde Elemente und auch Kostenelemente in die Besteuerung einbezogen werden und unabhängig davon, ob das Unternehmen Gewinne macht. Das treibt natürlich Unternehmer fort oder es führt dazu, dass Unternehmer, die vom Ausland her kommen und hier investieren sollen, erst gar nicht kommen, wenn sie sich die Steuersituation in Deutschland vor Augen führen. Insofern wäre das ein wichtiger Punkt, und ich kann nur an alle appellieren, dass sie das nicht aus den Augen verlieren. Wir wollen ja Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und nicht noch mehr verlieren.

    Wiese: Nun ist ja diese Gewerbesteuerreform nur ein Bestandteil der gesamten Steuerreform. Sind Sie eigentlich, insgesamt gesehen, vom Bundesverband der Deutschen Industrie positiv gestimmt, dass diese von der Bundesregierung geplante Steuerreform erstens durchkommt, auch durch den Bundesrat, und dann auch positive Effekte zeitigt?

    Rogowski: Also wenn wir die gesamte Steuersituation in Deutschland uns anschauen, dann ist sicherlich die Steuerreform 2005, wo ja die Einkommenssteuersätze noch einmal deutlich gesenkt werden sollen, möglicherweise sogar vorgezogen, ein richtiger Schritt. Wir sind noch lange nicht da, wo wir hin müssen. Die Steuersätze müssen in Deutschland wesentlich weiter gesenkt werden. Unsere Vorstellungen seitens der Industrie heißen, Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer in der Spitze bei ungefähr 30 Prozent, also Maximum 30 Prozent, und dafür ein Umschichten. Wir brauchen sicherlich in der Zielrichtung mehr indirekte Besteuerungselemente und weniger direkte Steuern. Das heißt, wir werden irgendwann vor der Frage stehen, was machen wir mit der Mehrwertsteuer. Das wird hin und wieder jetzt schon diskutiert. Das passt im Moment nicht in die Zeit, weil wir jetzt endlich mal Ruhe an der Steuerfront brauchen, aber tatsächlich, wenn wir zu einer wesentlichen Vereinfachung im Steuerrecht kommen wollen, dann müssen wir die direkten Steuern weiter nach unten führen und müssen es in Kauf nehmen, dass die indirekten Steuern dafür etwas steigen.

    Wiese: Das war der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Michael Rogowski, vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio