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General Kasdorf sieht Fortschritte in Afghanistan

In diesem Jahr übernimmt die afghanische Armee in einigen Provinzen und Städten die Kontrolle von der NATO. Beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte hat sich viel getan, beurteilt Bruno Kasdorf, Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres bei der Bundeswehr.

Bruno Kasdorf im Gespräch mit Gerwald Herter | 22.03.2011
    Gerwald Herter: Wir sind jetzt mit dem Generalleutnant der Bundeswehr, Bruno Kasdorf, verbunden. Er war Stabschef der ISAF-Truppen in Kabul, hat Afghanistan erst vor kurzem wieder besucht und ist derzeit Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres der Bundeswehr. Guten Morgen, Herr Kasdorf!

    Bruno Kasdorf: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Sie wollen uns jetzt sicher sagen, dass die afghanische Armee bestens auf die Übernahme der Sicherheitsverantwortung eingestellt ist. Wie aber können Sie uns davon überzeugen, dass die Taliban niemals zurückkehren werden?

    Kasdorf: Ja ich glaube nicht, dass ich Sie überzeugen kann, dass sie niemals wieder zurückkehren. Aber wir müssen das ganze natürlich vor dem Hintergrund der Lageentwicklung in Afghanistan beurteilen, und da hat sich seit Ende 2009 und dann im Laufe des letzten Jahres sehr viel getan. Und wenn ich das mal in großen Zügen zeichne, dann ist das so, dass in weiten Teilen des Landes die Initiative, die die Taliban hatten seit 2005, gehalten wird oder gebrochen ist, und in wichtigen Landesteilen ISAF eindeutig die Initiative übernommen hat.

    Herter: Aber nicht in allen. Es kommt immer noch zu schweren Zwischenfällen in Afghanistan. 150.000 ausländische Soldaten sind in Afghanistan stationiert. Selbst mit den Afghanen zusammen können sie nicht einmal in Kabul für Sicherheit sorgen. Wie sollen nun etwa 150.000 afghanische Soldaten das alleine schaffen?

    Kasdorf: Na ja, das ist ja nicht so, dass wir jetzt uns komplett zurückziehen und sagen, und jetzt ist es sofort alles bei den Afghanen, sondern es wird weitergemacht mit der internationalen Gemeinschaft, hier insbesondere mit ISAF. Es ist halt nur so, dass die Afghanen jetzt die Führung übernehmen werden und ISAF ein bisschen zunächst erst mal in den Hintergrund tritt und auch bereitsteht, falls ISAF noch einmal gefragt ist, um die Afghanen zu unterstützen.

    Herter: Über wie viele Panzer verfügt die afghanische Armee derzeit und wie viele Kampfpiloten sind schon ausgebildet worden, Herr Kasdorf?

    Kasdorf: Also ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Panzer die afghanische Armee hat, weil das auch nicht das entscheidende Kriterium ist, um in dem Umfeld, wie wir das in Afghanistan haben, zu bestehen. Da kommt es vor allen Dingen auf die Absolutstärke, also auf die Infanterie an, und da hat sich in den Jahren viel getan. Seit 2009 beispielsweise haben wir einen Aufwuchs von 122.000 zusätzlichen afghanischen Sicherheitskräften.

    Herter: Und sind die auch einsatzbereit und wirklich gut ausgebildet? Dass das so schnell gegangen ist mit diesem Aufwuchs, wie Sie das nennen, spricht ja dafür, dass die Ausbildung vielleicht nicht so ganz gründlich war.

    Kasdorf: Ja das ist natürlich immer auch ein Kompromiss, der eingegangen wird, wenn man Kräfte schnell auf die Beine stellt, und es muss immer wieder auch gewährleistet werden, dass dann hinsichtlich der Qualität nachgesteuert wird. Das wird gemacht, einmal durch den Aufbau der Schulen. Inzwischen verfügt Afghanistan über Infanterieschulen, über Pionierschulen, über Logistikschulen für die Führungskräfte. Und wichtig in dem Zusammenhang ist auch das sogenannte Partnering, was gerade im letzten Jahr massiv nach vorne getrieben wurde.

    Herter: Aber da muss man einen Zwischenfall erwähnen, bei dem drei deutsche Soldaten ums Leben gekommen sind. Ein afghanischer Soldat hatte um sich geschossen, es sind auch einige deutsche Soldaten verletzt worden, als die da in einem gemeinsamen Einsatz waren. Wirft das nicht die Bundeswehr und die Afghanen weit zurück?

    Kasdorf: Es ist auf jeden Fall ein Vorfall, der sehr ernst zu nehmen ist und der zunächst erst mal durchaus auch Fragezeichen verursacht. Aber bei gründlichem Hinschauen muss man zu dem Schluss kommen, dass es eigentlich gar keine Alternative gibt, und gerade wenn wir in den Norden Afghanistans schauen und dann unsere Truppen sehen, was dort in den letzten neun Monaten geschaffen wurde, ist wirklich beachtlich, und das konnte nur geschaffen werden, indem die Bundeswehr gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften nach draußen ging und draußen aktiv die Taliban aus den Rückzugsgebieten vertrieben hat.

    Herter: Und konnte das nur geschaffen werden, weil der Bundesaußenminister sich durchgesetzt hat und einen starren Abzugsplan mit festen Daten durchgesetzt hat, gegen den früheren Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg?

    Kasdorf: Das hängt nicht damit zusammen, wenn es jetzt um den Erfolg auf dem Gefechtsfeld geht. Da geht es mehr jetzt um die Perspektive 2014 und Übergabe der Sicherheitsverantwortung zu dem Zeitpunkt in ganz Afghanistan an die Afghanen, und ich denke, das ist durchaus auch eine Möglichkeit, den Afghanen deutlich zu machen, dass es dort auch Endpunkte gibt, die zu erreichen sind.

    Herter: Also ein gewisser Druck. - Sprechen wir mal über die Situation in Feisabad im afghanischen Norden. Das galt lange als sehr, sehr ruhig, bis die Bundeswehr ihre Truppen dort ausgedünnt hat, reduziert hat, sagen wir es neutraler. Hat sich auch deswegen die Sicherheitslage in Feisabad verschlechtert?

    Kasdorf: Na ja, also es kommt immer darauf an, was da im einzelnen gemeldet wird. Das muss man auch sagen. Also in Feisabad und wie auch in anderen Teilen Afghanistans werden Dinge dann gemeldet, wenn Sicherheitskräfte tatsächlich präsenter sind und wir Erkenntnisse gewinnen können, die vorher aufgrund der mangelnden Präsenz gar nicht möglich waren.

    Herter: Also muss man sagen, mehr Meldungen über Zwischenfälle heißt nicht unbedingt, dass es da mehr Unruhe gibt?

    Kasdorf: Absolut! Absolut! Das ist das andere, was wir auch wiederum für ganz Afghanistan feststellen können. Mit der Zunahme der internationalen Truppen wie auch der afghanischen Sicherheitskräfte haben wir ja zunächst erst mal feststellen können, dass es auch eine Häufung von sicherheitsrelevanten Vorfällen gab. Das ist in einer Situation wie in Afghanistan völlig normal.

    Herter: Herr General, sind Sie nun Zweckoptimist, oder überzeugt optimistisch, weil sie auch dem Minister unterstehen und weil sie ja auch Loyalität von Ihren Soldaten erwarten?

    Kasdorf: Nein, ich bin schon auch durchaus kritisch und ich weiß, wie kompliziert die Lage in Afghanistan ist und wie widersprüchlich das ganze ist. Es kommt immer auf die Zielsetzung drauf an, und wenn ich für mich selber dort hinschaue, dann, denke ich, ist es wichtig, dass wir erreichen, dass aus der Region - und da muss man die Nachbarländer gleich mitbetrachten - auf absehbare Zeit keine Bedrohung für den Rest der Welt ausgehen darf.

    Herter: Und das ist das Ziel. - Generalleutnant Bruno Kasdorf war das im Deutschlandfunk-Interview, stellvertretender Inspekteur des Heeres. Vielen Dank, Herr Kasdorf.

    Kasdorf: Bitte sehr.