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Generalmajor verteidigt Kooperation mit afghanischen Soldaten

Deutsche und afghanische Soldaten agieren teilweise gemeinsam. Vor wenigen Tagen erschoss ein afghanischer Soldat drei Deutsche. Seitdem wird das "Partnering" der Truppen kritisiert, ist aber für Generalmajor Hans-Werner Fritz "ohne Alternative".

23.02.2011
    Tobias Armbrüster: Drei deutsche Bundeswehrsoldaten sind in der vergangenen Woche in der afghanischen Provinz Baghlan ums Leben gekommen, Ende dieser Woche findet in Bayern die Beisetzung statt. Es war ein besonders tragischer Zwischenfall, denn die drei Männer starben nicht etwa in einem Feuergefecht mit Taliban-Kämpfern, sondern wurden von einem afghanischen Soldaten erschossen, von einem Mann, der plötzlich mitten in einem geschützten Militärstützpunkt das Feuer eröffnete. Es war der jüngste derartige Zwischenfall, auch bei britischen und amerikanischen Truppen hat es solche Angriffe von vermeintlichen Kameraden bereits gegeben. Und am Telefon kann ich jetzt mit dem obersten deutschen Befehlshaber in Afghanistan sprechen, mit Generalmajor Hans-Werner Fritz. Schönen guten Morgen.

    Hans-Werner Fritz: Guten Morgen, Herr Armbrüster, und einen herzlichen Gruß an die Zuhörerinnen und Zuhörer.

    Armbrüster: General Fritz, diese enge Zusammenarbeit zwischen deutschen und afghanischen Soldaten ist ja als Partnering bekannt geworden. Zeigt dieser Zwischenfall vergangene Woche mit drei Toten, dass sich die Bundeswehr mit dieser Strategie den Feind ins eigene Haus holt?

    Fritz: Ich kann verstehen, dass nach dem furchtbaren Anschlag kritische Fragen kommen zur Frage des Partnerings, aber ich denke, dass das Partnering unverändert ohne Alternative ist. Ich halte es für einen entscheidenden Teil der Säule Sicherheit, den wir nicht beschädigen dürfen. Für mich ist Partnering ohne Alternative, denn wir müssen uns vorstellen, es geht um die gemeinsame Ausbildung mit den Afghanen. Das betrifft die Ebene vom General bis runter zum Hauptgefreiten. Ein deutscher Soldat, ein Hauptgefreiter, ist mit seinem Verhalten ein gutes Beispiel für die Afghanen. Es geht um die Teilhabe der Afghanen an den Operationen, es geht um das afghanische Gesicht bei den Operationen. Ich halte das Partnering für alternativlos und nach all den Kämpfen, die wir gehabt haben, auch für ein ausgesprochen erfolgreiches Konzept. Bei dem Anschlag handelt es sich um eine Einzeltat im Sinne eines Amoklaufs.

    Armbrüster: Der "Spiegel" berichtet nun, dass sich viele deutsche Soldaten inzwischen weigern würden, weiter beim Partnering mitzumachen. Können Sie das bestätigen?

    Fritz: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Es gibt bisher keinerlei Meldung aus dem Bereich der Truppe, die das belegen würde.

    Armbrüster: Was tun Sie, um solche Angriffe in Zukunft zu vermeiden?

    Fritz: Wir achten natürlich noch mehr auf die äußere Sicherheit unserer Lager und unserer Soldaten, aber ich muss Ihnen sagen, es gibt keine absolute Sicherheit, die uns vor diesen Anschlägen schützt.

    Armbrüster: Was wissen Sie denn inzwischen über diesen Amokschützen in dem Camp in Baghlan?

    Fritz: Ich sage das mit aller Vorsicht. Es scheint sich um einen sehr jungen Mann zu handeln, der ein regulärer Soldat der afghanischen Armee war und der im Sinne eines Amoklaufes die Waffe gegen unsere Soldaten gerichtet hat. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die afghanischen Soldaten selber uns gegenüber ihr großes Bedauern ausgedrückt haben über diesen Vorfall und auch ihre Scham, dass es aus ihren Reihen heraus geschehen ist. Ich glaube, das spricht für sich.

    Armbrüster: In deutschen Zeitungen lesen wir, dass der Mann im Camp mehrmals ganz offen Haschisch geraucht haben soll.

    Fritz: Auch das kann ich nicht belegen. Tatsache ist, dass dieser junge Soldat bei uns im Camp Dienst gemacht hat. Mir wäre nicht bekannt, dass er offen Haschisch geraucht hätte.

    Armbrüster: Was sagt uns dieser Zwischenfall über die Sicherheit in der Provinz Baghlan?

    Fritz: Ich denke, man kann nicht auf die ganze Provinz schließen aufgrund dieser Einzeltat. Sicher kann man sagen, dass wir die Gesamtsicherheit nicht nur in der Provinz Baghlan, sondern auch im Kundus-Bereich, also einem großen Streifen, nachhaltig verbessert haben. Sie können das daran erkennen, dass das normale Leben wieder Einzug hält. Die Bauern pflügen ihre Felder in Bereichen, in denen vorher gekämpft worden ist, es werden Straßen gebaut, es zieht Normalität ein, es gibt Verkaufsstände, und ich muss Ihnen sagen, aus vielen Gesprächen mit den Einheimischen, die sind wirklich froh, dass wir da sind, und sie sind Leid des Krieges.

    Armbrüster: General Fritz, Sie sind Kommandeur der ISAF-Truppen in Nord-Afghanistan. Die Bundesregierung hat angekündigt, mindestens eine Provinz in dieser Region, im Norden des Landes, soll noch in diesem Jahr an die afghanischen Streitkräfte übergeben werden. Welche Provinz könnte das Ihrer Meinung nach sein?

    Fritz: Wissen Sie, wir sollten das abwarten. Es gibt unter dem Sicherheitsaspekt eine Reihe von Provinzen, die in Frage kämen. Am Ende muss das in einer Gesamtbetrachtung gemacht werden und es muss eine politische Entscheidung getroffen werden, nach Abstimmung mit ISAF, unter ausschließlicher Autorität der Afghanen.

    Armbrüster: Aber Sie können bestätigen, dass es Provinzen gibt, die durchaus sozusagen reif sind zur Übergabe an die Afghanen?

    Fritz: Es gibt sicherlich Regionen, die reif wären zur Übergabe, und noch mal: das muss geprüft werden und das muss politisch entschieden werden.

    Armbrüster: Ihre Zeit in Afghanistan geht morgen zu Ende. Sie waren neun Monate lang dort. Mit was für einem Gefühl verlassen Sie das Land?

    Fritz: Ich gehe mit einem Gefühl heraus, dass wir eine Menge erreicht haben. Wir haben etwas für die Sicherheit der Afghanen getan, damit auch für unsere eigene Sicherheit. Wir haben uns bewährt in einer Allianz von 16 Nationen in einem sehr, sehr harten Einsatz. Wir haben ausgezeichnet zusammengearbeitet mit unseren afghanischen Partnern. Ich bin sehr stolz darauf und ich habe die Afghanen sehr schätzen gelernt. Und vor allen Dingen bin ich unglaublich stolz auf unsere jungen Soldatinnen und Soldaten, was sie hier geleistet haben unter schwierigsten Bedingungen und in sehr, sehr harten Einsätzen, und das sollte auch zu Hause eine entsprechende Würdigung erfahren.

    Armbrüster: Ist Afghanistan denn bereit für einen beginnenden Abzug schon in diesem Jahr?

    Fritz: Ich denke, das sollte man absehen. Wir müssen die Lage beurteilen über das Jahr hinaus. Dann müssen wir eine Bilanz ziehen und ich glaube, dann erst sollte man in Ruhe darüber nachdenken, ob man Truppen abziehen kann oder nicht.

    Armbrüster: Das klingt nicht so, als sehen Sie das Land bereit?

    Fritz: Das ist nicht so gemeint. Ich sage, wir müssen dieses Jahr abwarten, das Jahr 2011, was ich für ein sehr, sehr entscheidendes Jahr halte. Wir werden am Ende des Jahres bilanzieren müssen und dann muss unter Hinzuziehung aller Faktoren, die eine solche Beurteilung der Lage letztlich erfordern, entschieden werden, ob es geht oder nicht. Es kommt also auf die Nachhaltigkeit an.

    Armbrüster: Herr General, in Deutschland steht zurzeit Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg wegen seiner Dissertation in der Kritik. Er wird als Schummler und Mogler bezeichnet. Wie kommen die Plagiatsvorwürfe bei den Soldaten in Afghanistan an?

    Fritz: Wissen Sie, wir haben hier in Afghanistan ganz andere Sorgen. Aber ich möchte Ihnen eines sagen: Der Minister ist allein in der Zeit, wo ich hier das Kommando geführt habe, fünfmal da gewesen. Ich habe ihn jedes Mal erlebt. Seine erste Frage an uns und an alle Soldaten ist, was braucht ihr, was kann ich für euch machen, und er hat eine ganze Menge in dieser Hinsicht bewegt. Er kümmert sich um die Soldaten, er spricht mit den Soldaten und ich glaube, wir wissen sehr gut, was wir an unserem Minister haben, und wir stehen hinter ihm.

    Armbrüster: Generalmajor Hans-Werner Fritz, Kommandeur der ISAF-Truppen in Nord-Afghanistan, hier bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch, Herr General.

    Fritz: Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen. Auf Wiederhören.