Merz-Regierung
Schwarz-Rot und die Generationengerechtigkeit

In kaum einer Debatte um Haushalts-, Renten- oder Klimapolitik fehlt das Schlagwort „Generationengerechtigkeit“. Doch was meint der Begriff? Und berücksichtigt die schwarz-rote Koalition die Interessen künftiger Generationen ausreichend?

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) übergibt Reem Alabali-Radovan (SPD), Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in Anwesenheit von Bundeskanzler Friedrich Merz (r, CDU), im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde.
    Welche Generation macht Politik für welche Generation? Bundeskanzler Merz (CDU, 69 Jahre alt, v.r.n.l.), Bundespräsident Steinmeier (69) und die neue Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD, 35 Jahre). (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    „Es ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit, verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen, Wachstum zu schaffen und Vertrauen in die Problemlösungskompetenz des Staates zurückzugewinnen", heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD postuliert also ein regelrechtes „Gebot der Generationengerechtigkeit“.
    Dennoch wird vermehrt öffentliche Kritik laut, die Regierung berücksichtige die Interessen junger Menschen und künftiger Generationen zu wenig – etwa in der Haushalts-, Klima- und Rentenpolitik. Aber was soll das konkret sein - Generationengerechtigkeit? Und seit wann kommt das Wort in politischen Debatten vor?

    Inhalt

    Was bedeutet Generationengerechtigkeit?

    "Generationengerechtigkeit" sei „eine Kernvokabel der zeitgenössischen Debatte über Gegenwart und Zukunft des Sozialstaates“, heißt es in einem Artikel auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung aus dem Jahr 2020. Dabei würden Konflikte „entlang von Klassenlagen heute vielfach durch Erzählungen von Generationenkonflikten oder gar -kriegen überlagert“.
    Zum festen Bestandteil der politischen Debatten in Deutschland wurde der Begriff „Generationengerechtigkeit“ allmählich in den 1990er-Jahren. Anfänglich tauchte er etwa in Thesenpapieren aus dem grünen Realo-Flügel auf. Schnell aber schwappte das Wort quer durch die politischen Lager - ähnlich wie die „Nachhaltigkeit“.
    Von links bis rechtsaußen reichen im heutigen Parteienspektrum die Versprechungen, Politik für die „zukünftigen“, für die „nachfolgenden“ Generationen zu machen. Und je öfter das Kompositum Generationengerechtigkeit seither in Politikerreden und Parteiprogrammen vorkommt, desto schwammiger und beliebiger erscheint der Begriff manchmal.
    Soll Politik stärker die Interessen künftiger, noch nicht geborener Generationen berücksichtigen – und wenn ja, wie konkret? Oder geht es um einen fairen Ausgleich zwischen Jung und Alt, den heute lebenden Generationen? Unsere älter werdende Gesellschaft gilt manchen gar als „Gerontokratie“, so lautet ein Vorwurf, in der einseitig Interessenpolitik für Ältere gemacht werde.
    Prognose der Bevölkerung in Deutschland nach Altersgruppen in den Jahren von 2022 bis 2070 (in Millionen)
    Prognose der Bevölkerung in Deutschland nach Altersgruppen in den Jahren von 2022 bis 2070 (in Millionen) (Statista / Statistisches Bundesamt)
    Wie sich die politische Ansprache der jüngeren Generation verändert hat, zeigen zwei Zitate aus Regierungserklärungen. 1969 mahnte Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), dem durchaus Sympathien für die damals rebellierenden Studenten nachgesagt wurden: „Wir wenden uns an die im Frieden nachgewachsenen Generationen (…). Diese jungen Menschen müssen aber verstehen, daß auch sie gegenüber Staat und Gesellschaft Verpflichtungen haben.“
    2025 sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU): „Ich will es sehr deutlich sagen: Ich stehe auch persönlich dafür ein, dass die jungen Generationen in unserem Land nicht überfordert werden mit Aufgaben, für die ihre Eltern bisher nicht genügend Vorsorge getroffen haben.“

    Welche Kritik gibt es mit Blick auf Generationengerechtigkeit an der neuen Bundesregierung?

    Ein Hauptkritikpunkt an der schwarz-roten Koalition ist die Rentenpolitik: Die Pläne von Union und SPD brächten nur kleine Änderungen, keine große Reform. Kritik löste auch das Vorhaben aus, zunächst einmal eine Rentenkommission einzusetzen.
    Eine grundlegende Reform der Rentenpolitik ist seit Jahren Thema in der politischen Debatte. Fast alle Politiker räumen wegen der sich verändernden Altersstruktur der Bevölkerung grundlegenden Handlungsbedarf bei der Sozialversicherung ein, aber konkrete Reformen werden gar nicht oder eher zögerlich angegangen.
    Mindestens ebenso umstritten sind die Pläne von Union und SPD (noch im alten Bundestag per Grundgesetz-Änderung gemeinsam mit den Grünen beschlossen), im großen Stil neue Schulden zur Finanzierung der Verteidigung und für Infrastruktur-Investitionen aufzunehmen. Skeptiker sehen darin riskante, gigantische Milliardenlasten für künftige Generationen. Befürworter loben die Schulden als dringend notwendige Zukunftsausgaben, von denen gerade Jüngere und noch Ungeborene in den nächsten Jahrzehnten profitieren könnten.
    Ein Megathema ist auch mit Blick auf die Generationengerechtigkeit die Klimakrise. Kritiker attestieren der Koalition, die dramatischen Folgen der globalen Erwärmung und die Energiewende nicht mit der gebotenen Dringlichkeit anzugehen. Bereits im Wahlkampf hatte die Klimapolitik kaum eine Rolle gespielt. 2021 hatte ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Klimapolitik eine große Debatte ausgelöst. Nach Einschätzung von juristischen Fachleuten schufen die Karlsruher Richter mit ihrem Urteil ein Recht auf Generationengerechtigkeit.
    Ein anderes aktuelles Thema: Unter anderem ausreichende Mittel für die Pflege- und Familienpolitik fordert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa von der Koalition. Wenn es die Regierung ernst mit der Generationengerechtigkeit meine, müssten in den Bundeshaushalten 2025 und 2026 die Voraussetzungen geschaffen werden.

    Was plant Schwarz-Rot für mehr Generationengerechtigkeit?

    Auch als Reaktion auf Kritik an mangelnder Generationengerechtigkeit verwies Kanzler Merz auf die Einführung einer Frühstart-Rente. Jeder solle damit ab dem Alter von sechs Jahren frühzeitig für sein Alter vorsorgen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, das neue Vorsorgeinstrument solle zu Beginn des kommenden Jahres für Kinder vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, die eine Bildungseinrichtung besuchen, eingeführt werden. Pro Monat sollen zehn Euro in ein kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot fließen.
    Merz erwähnte in seiner ersten Regierungserklärung das Thema Klimaschutz nur am Rande, betonte aber in Interviews, dass seine Koalition an den deutschen, den europäischen und den internationalen Klimazielen festhalten werde.
    In der Baupolitik wollen Union und SPD „generationenübergreifende und gemeinschaftliche Wohnformen“.
    Auch in anderen Politikfeldern versprechen die koalitionstragenden Parteien, auch die Interessen künftiger Generationen zu vertreten. Etwa in der Raumfahrt: „Astronautische Weltraummissionen inspirieren die nächste Generation zu Höchstleistungen.“

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