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Genetische Beratung
"Ich möchte wissen, ob ich das auch habe"

Mehrere medizinische Institute bieten eine sogenannte genetische Beratung an. Patienten wollen damit oft Gewissheit erlangen, ob sie Anlagenträger einer Erbkrankheit sind, die ältere Familienmitglieder bereits haben. Eine O-Ton-Reportage aus der Uniklinik Bonn.

Von Renate Rutta | 07.04.2015
    Modell eines DNA-Moleküls
    Eine genetische Analyse ist mittlerweile oft so genau, dass Patienten mit fast 100-prozentiger Sicherheit mitgeteilt werden kann, ob sie Anlagenträger einer bestimmten Krankheit sind oder nicht. (imago/Westend61)

    "Frau P., Sie kommen heute zur genetischen Beratung mit Ihrer Tochter."
    Dienstagvormittag, Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn. Sabine P., Anfang 50, sitzt mit ihrer Tochter am runden Tisch neben Dr. Martina Kreiß, der leitenden Oberärztin.
    "Ich skizziere noch einmal, wie die Familiengeschichte war. Frau P., Sie waren ja schon vor vielen Jahren bei uns zur genetischen Beratung wegen der Muskeldystrophie Duchenne in der Familie."
    "Wir wussten in der Familie ja schon, dass wir drei erkrankte Jungen haben und man hat dann herausgefunden, dass das eine Erbkrankheit ist, Muskeldystrophie Duchenne. Und so haben wir in unserer Generation gesagt, wir jungen Frauen müssen uns unbedingt untersuchen lassen, um zu wissen, ob jemand von uns das weitergibt."
    Der Bruder von Sabine P. starb im Alter von neun Jahren an der Muskeldystrophie Duchenne.
    "Wir haben herausgefunden, dass sich mehrere Cousinen als Überträger dargestellt haben, nicht alle, aber ein Teil von uns. Und wenn wir unbedarft Kinder bekommen hätten, hätte es weitere Erkrankte gegeben."
    "Ich selber bin auch Überträger"
    Die Muskeldystrophie Duchenne ist die häufigste muskuläre Erbkrankheit im Kindesalter, es erkranken fast ausschließlich Jungen, erläutert die Ärztin.
    Sabine P: "Ich selber bin auch Überträger und bin jetzt froh und glücklich, dass meine Tochter zur Beratung kommt. Sie selber kann es ja nicht bekommen aber sie kann es weitergeben und das müssen wir unbedingt ausschließen."
    "Frau P., Sie sind 17 und werden bald 18 – ja in drei Monaten. Ihre Mutter ist Anlageträgerin für die Muskeldystrophie Duchenne. Ich weiß von Ihrer Mutter, dass Sie über die Familiengeschichte informiert sind und jetzt die Frage von Ihnen selbst gestellt wird, ob Sie selbst Anlageträgerin für die Muskeldystrophie Duchenne sind, ist das richtig so, ist das Ihr Anliegen?"
    "Ja, ja, ich möchte wissen, ob ich das auch habe,mh."
    "So, Frau P. dann erläutere ich Ihnen jetzt die genetischen Grundlagen der Muskeldystrophie Duchenne. Sie wissen schon, das ist ein X-chromosomal rezessiv vererbtes Krankheitsbild und das bedeutet, dass Ihre Wahrscheinlichkeit Anlageträgerin zu sein, bei 50 Prozent liegt."
    Die Ärztin erklärt nun der Tochter, dass die Diagnostik sich seit den Untersuchungen bei der Mutter verändert hat und dass man die Genveränderung gefunden hat.
    "Inzwischen, im Laufe der Jahre haben wir die Mutation genau identifiziert. Ich weiß, an welcher Stelle im Dystrophin-Gen welche Veränderung vorliegt. Ich weiß, dass das wirklich die Ursache für die Erkrankung ist und kann Ihnen eine ganz sichere Aussage machen, ob Sie Anlageträgerin sind oder nicht."
    Nächster Schritt in der genetischen Beratung ist der Familienstammbaum über mindestens drei Generationen. Er hat sich seit der letzten Beratung der Familie nicht verändert. Dann fasst die Ärztin zusammen:
    "Wir haben das Krankheitsbild der Muskeldystrophie Duchenne erläutert, die genetischen Grundlagen. Sie wissen jetzt, dass Sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent Anlageträgerin für die Muskeldystrophie Duchenne sind und wenn Sie Anlageträgerin sind, dann entsprechend wieder ein Risiko von 50 Prozent für einen betroffenen Jungen haben. Die genetische Diagnostik hat eine hohe Aussagekraft und jetzt möchte ich Sie zum Schluss nochmal fragen, möchten Sie die genetische Untersuchung und gibt es noch Fragen?"
    "Nein, keine Fragen, ich will die Testung, klar, deshalb sind wir ja hier."
    "Ich sehe das auch so, dafür sind wir gekommen und ich bin froh, dass wir das heute machen können und dass Du dann endlich weißt, woran Du bist."
    "Gut, dann würden wir jetzt die schriftliche Einwilligungserklärung machen und dann die Blutabnahme."