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Geodaten im US-Wahlkampf 2020
Wahlpropaganda noch auf dem Weg zur Stimmabgabe

In den USA spielte die Nutzung persönlicher Daten für gezielte politische Kampagnen schon im Wahlkampf 2016 eine wichtige Rolle. Um Wähler zu mobilisieren, setzen Demokraten wie Republikaner aktuell verstärkt auf Geodaten. Denn die Erfassung des Aufenthaltsortes bietet neue Möglichkeiten für Propaganda.

Von Tom Schimmeck |
Fußgänger mit Maske während der Corona-Pandemie in New York
Die klassische Meinungsumfrage wird in den USA abgelöst durch eine immer präzisere Zielerfassung – basierend auf Unmengen von Daten über jedes Individuum. Das Smartphone macht's möglich. (Imago)
Im Herbst 2019 berichtete das "Wall Street Journal" über ein kurioses Detail. Einige Wochen zuvor hatte in Fayetteville, North Carolina, das republikanische "Committee to Defend the President" bei einer Versammlung mit Donald Trump die eigenen Anhänger ausforschen lassen. Eine Firma war beauftragt worden, auf Basis von Geodaten, die die Telefone der Anwesenden aussenden, die Seriennummern dieser Geräte zu erfassen.
"Das Ziel: Die eigenen Leute vor der Nachwahl für einen Sitz im Kongress am folgenden Tag zu kontaktieren – und sie zu den Wahlurnen zu treiben. Die Operation war erfolgreich. Der Republikaner Dan Bishop siegte knapp. Mit 50,7 Prozent."
Die klassische Meinungsumfrage wird abgelöst durch eine immer präzisere Zielerfassung – basierend auf Unmengen von Daten über jedes Individuum, gesteuert von künstlicher Intelligenz. Dabei spielt auch sein Aufenthaltsort eine wachsende Rolle. Der wird mit "geo-fencing", "geo-cashing", "geo-tagging" und anderen Methoden ermittelt. Das Smartphone macht’s möglich.
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Die "Macht des Mobiltelefon-Targeting" bei Wahlen
"Es gibt unzählige Technologien", sagt Jacob Gursky vom Center for Media Engagement an der Universität Texas in Austin. "Etwa die DSP, bei der man zum Beispiel einen Kreis um einen Apartmentkomplex zieht, in dem junge Leute leben, deren Stimmen wichtig sind. Denen schickt man dann gezielt Anzeigen, die neben den von ihnen besuchten Webseiten auftauchen. Es gibt auch Bluetooth-Stationen, die eine Verbindung zu Ihrem Telefon herstellen, während Sie daran vorbeigehen."

Bei den DSPs – kurz für Demand Side Platforms – kauft der Werbende den Zugriff auf ein spezifisches Publikum, differenziert nach Alter, Wohnort, Kaufverhalten, Beruf, Religion, Neigungen und Ansichten – je nachdem, was der jeweilige DSP-Dienstleister zu bieten hat. Das Unternehmen VoteMap etwa wirbt mit der "Macht des Mobiltelefon-Targeting", um gezielt Latinos und Schwarze, junge Erwachsene, Wähler auf dem Land oder solche mit niedrigem Einkommen zu erreichen. "Das ist sehr im Kommen. Und symptomatisch für die Verlagerung hin zu ständig wachsenden datenzentrierten Kampagnen."
Das Geschäft mit Geodaten boomt. Werbefirmen und Datenhändler horten Ortsangaben der User – gewonnen zum Beispiel durch Apps für Nachrichten oder Wetter. Ziel ist es, die vielen Datenströme zu kombinieren und bestimmten Geräten und ihren Nutzern zuzuordnen. Das Dossier über jeden einzelnen Bürger wächst so täglich.
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"Die Leute sagen, Amerika ist nicht besser dran"
Bei US-Wahlen spiele die existenzielle Situation des Einzelnen eine entscheidende Rolle, sagte US-Wahlbeobachter und CDU-Politiker Mario Voigt im Dlf. Anders als in früheren Wahlkämpfen sei vielen diesmal aber auch das Bild der USA nach außen wichtig.
Unschlüssige Wähler noch in letzter Minute beeinflussen
Jacob Gursky und sein Kollege Samuel Woolley haben einige Wahlkampf-Apps analysiert: Die von Donald Trump, von Joe Biden und die eines weiteren Politikers, der beim Einsatz digitaler Propagandatechniken als führend gilt: Narendra Modi, Premierminister von Indien. Das Ergebnis: "Modis App ist die technisch raffinierteste. Trump und Modi spielen hier in einer ganz anderen Liga als Joe Biden."
Die Trump-App wurde von einer Firma konstruiert, die mit ihren Fähigkeiten in Sachen Lokalisierung Werbung treibt. "Bei der Biden-App geht es eher darum, Zugriff auf Ihre Kontaktliste zu bekommen und Sie dazu zu bringen, kleine Fragebögen über Ihre Liebsten auszufüllen. Der Punkt ist: Diese Möglichkeiten sind jetzt vorhanden. Und die Wahlkampagnen werden selbst zu einer Art Datensilo."

Mit Hilfe von Geo-Daten lassen sich Menschen im Stadion, im Waffengeschäft oder – für die Botschaft in letzter Minute – auf dem Weg zur Wahlurne ansprechen. So wurden vor der Kongresswahl 2018 potentielle Wähler in katholischen Kirchen in Dubuque, Iowa, erfasst. Bereits 2016 steckten in einigen Wahlplakaten, die US-Amerikaner traditionell in den Rasen ihrer Vorgärten rammen, Bluetooth-Empfänger, sogenannte "Beacons". Gursky und Woolley sprachen mit vielen Experten. Wobei die meisten Firmen sich sehr zugeknöpft gaben. Datenhandel ist ein großes Geschäft, die Politik nur ein Testgelände von vielen.
Das neue Feld der Geopropaganda sei spannend, meint Gursky, aber nur ein Teil dieses enormen Daten-Ökosystems, in dem man Daten zu allem und jedem kaufen kann. Am Ende gehe es um Macht, warnt Gursky: "Es geht darum zu wissen, wo Menschen sich aufhalten. Um der Lage zu sein, mit Botschaften auf sie zu zielen, die letztlich, so meine ich, den demokratischen Prozess untergraben. Schon, weil hier ein Punkt erreicht wird, wo das Targeting besser ist als die Fähigkeit der Menschen, dessen Ursprung zu orten."
Eine Fotografie zeigt ein Handy mit der offiziellen Wahlkampf-App von Donald Trump 2020. 
Beide US-Wahlkampflager setzen auf eine eigene App (im Bild: die Trump-Campaign-App) (imago-images / Zuma Wire / AppStore)
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Alle Beiträge zur US-Wahl in unserem Dossier (picture alliance / Wolfram Steinberg)