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Geologie
Das Vulkanwolken-Orakel

Als im Mai 2011 der isländische Vulkan Grímsvötn ausbrach, mussten etwa 900 Flüge abgesagt werden. Doch genau dieser Vorfall könnte dabei helfen, Flugzeuge künftig besser vor gefährlichen Aschewolken zu warnen.

Von Dagmar Röhrlich | 13.01.2014
    Am 21. Mai 2011 sollte der Weltuntergang mit einem Erdbeben beginnen. Das hatte jedenfalls ein amerikanischer Radioprediger vorhergesagt. Doomsday gab es nicht, aber immerhin begann um 17.30 Uhr mit dem Grímsvötn Islands aktivster Vulkan auszubrechen:
    "Der Vulkan befindet sich unter dem Vatnajökull-Gletscher im Zentrum Islands, und schon Wochen zuvor hatten kleine Erdbeben gezeigt, dass dort Magma aufsteigt. Solche Bebenschwärme sind bislang meist die einzigen Vorzeichen eines Ausbruchs. Der Grímsvötn jedoch wird nicht nur mit einem seismischen Netzwerk überwacht, sondern auch mit GPS-Stationen und Neigungsmessern. Deshalb konnten wir eine Stunde vor dem Ausbruch beobachten, wie die Landoberfläche - die sich zuvor über Jahre langsam gehoben hatte - einzusinken begann. Da die GPS-Messungen im Sekundentakt erfolgen, konnten wir die Bewegungen fast in Echtzeit beobachten."
    Außerdem erfassten zwei Radarstationen den Aufstieg der Aschewolke, erklärt Sigrún Hreinsdóttir von der Universität Island in Reykjavik, und viele Menschen hätten den Ausbruch fotografiert:
    "Das war wichtig, weil uns die Radardaten nur eine ungefähre Höhe angeben. Mithilfe der Fotografien konnten wir diese Messwerte präzisieren. Als wir alle Informationen ausgewertet hatten, stellten wir fest, dass sich aus ihnen die Druckveränderungen in der Magmakammer ablesen lassen und dass diese Veränderungen mit der Höhe der Aschewolke korrelieren."
    Die Geophysikerin erklärt weiter, dass man sich die Magmakammer eines Vulkans stark vereinfach wie einen Ballon vorstellen könne, aus dem man die Luft herauspresse:
    "Je schneller man den Ballon zusammenpresst, desto mehr Luft schießt aus der Öffnung heraus. Übertragen auf den Vulkan bestimmt das Tempo, mit dem das Material aus der Magmakammer nach oben strömt - die Höhe der Aschewolke. Die GPS-Daten zeigen diesen engen Zusammenhang zwischen dieser Eruptionsrate und der Aschewolke: Je schneller die Landoberfläche einsinkt, desto höher steigt die Wolke auf.
    Damit könnten GPS-Messungen die Chance bieten, bei künftigen Ausbrüchen das Verhalten der Aschewolke vorherzusagen, hofft Sigrún Hreinsdóttir:
    "Eines der Probleme bei der Überwachung von Vulkanen ist, dass wir nicht immer genaue Informationen über die Höhe dieser Wolke haben. Genau die aber wären für die Warnung von Piloten wichtig, denn Aschewolken können Flugzeugen gefährlich werden. Wir hoffen, dass wir künftig anhand der GPS-Stationen und Neigungsmesser erkennen können, was gerade unter und über dem Vulkan abläuft."
    Für Paul Segall von der Stanford University im kalifornischen Palo Alto ist die Arbeit seiner Kollegen nicht nur wegen einer möglichen Frühwarnung des Luftverkehrs interessant:
    "Die Landoberfläche eines Vulkans kann sich vor einer Eruption verformen. Das kennen wir auch von einigen anderen Vulkanen. Diese neuen Messungen jetzt bestätigen die Vermutung, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Magma-Austritt und den topografischen Veränderungen, die GPS und Neigungsmesser anzeigen: Diese Verformungen sind Folge des Druckabbaus in der Magmakammer und von der Geschwindigkeit dieses Druckabbaus hängt die Höhe der Aschewolke ab."
    Offen ist jedoch, wie reproduzierbar diese Beobachtungen sind, denn dieser Ausbruch des Grímsvötn war recht unkompliziert: Das Magma suchte sich während des Ausbruchs keine neuen Wege, und auch seine Zusammensetzung veränderte sich kaum. Kommen solche Prozesse ins Spiel, könnte das die Vorhersagen komplizierter machen, erklärt Paul Segall. Und so wartet Sigrún Hreinsdóttir und ihre Kollegen nun auf den nächsten Ausbruch des Grímsvötn…