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Georg-Büchner-Preisträgerin 2018
Die große Kunst der Verhängnischronistin Terezia Mora

Er gilt als der wichtigste Literaturpreis in Deutschland: Der alljährlich vergebene und mit 50.000 Euro dotierte Georg-Büchner-Preis. Mit der aus Ungarn stammenden Schriftstellerin Terezia Mora präsentiert die Jury eine Preisträgerin, die sich in ihrem Werk vor allem mit dem Thema Fremdheit und Selbstentfremdung beschäftigt.

Von Hubert Winkels | 03.07.2018
    Terezia Mora, Schriftstellerin
    Die Preisträgerin des Georg-Büchner-Preises 2018: Terézia Mora (Foto: Luchterhand Literaturverlag)
    Nach vier männlichen Preisträgern in Folge erhält nun wieder eine Frau die höchste deutsche Literaturauszeichnung. Terezia Mora, geboren am 5. Februar 1971, stammt ursprünglich aus der ungarischen Stadt Sopron und kam 1990 als Theaterwissenschaftsstudentin nach Berlin, also kurz nach dem Mauerfall. In ihrem ersten Erzählband "Seltsame Materie" versammelte sie 1999 Geschichten, die von der Grenzbegegnungen erzählen und vom Aufeinanderprallen der ost- und westeuropäischen Kulturen. Mit einer dieser Erzählungen aus dem Debütband ("Der Fall Ophelia") gewann Mora im selben Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis. Ihr Debütroman "Alle Tage" erschien dann 2004 und erzählte die Geschichte des Flüchtlings Abel Nema, der nirgendwo ankommt und heimisch wird.
    Ein Faible für Verlierer, Gestrandete, Außenseiter, Verlorene
    Fremd oder irgendwie schief ins Leben gebaut fühlen sich auch die nachfolgenden Helden und Heldinnen von Terezia Mora. Allen voran Darius Kopp, IT-Spezialist und die Hauptfigur aus ihren beiden Romanen "Der einzige Mann auf dem Kontinent"(Luchterhand 2009) und "Das Ungeheuer" (Luchterhand 2013). Ein Protagonist, der sich zwar beruflich auf neueste Kommunikationstechnik versteht, aber gleichzeitig schon fast komisch-tragisch vereinsamt wirkt und in einer luftleeren Sphäre des Unverstanden-Seins lebt. Im zweiten Band der Trilogie "Das Ungeheuer" hat Kopp dann noch mehr Grund zur Trauer-Abschottung: Denn seine hochdepressive Frau hat sich das Leben genommen. Und so reist Kopp mit ihrer Asche ruhelos nach Ungarn, um hier doch nur erschreckend erkennen zu müssen, wie wenig er seine Frau tatsächlich kannte.
    Unlarmoyante Gegenwartsdiagnostikerin
    Auch in ihrem letzten Erzählband "Die Liebe unter Aliens" erzählte Mora erneut Unglücks- und Elendsgeschichten und von der weitverbreiten Unfähigkeit, sich gegenseitig beizustehen und Nähe zuzulassen. Die große Kunst der Verhängnischronistin Mora aber besteht darin, dass sie über Unglücke nie larmoyant schreibt und ihre oft sonderlichen Protagonisten nie auf skurrile Witzfiguren reduziert.
    2013 erhielt Mora für den zweiten Band ihrer Kopp-Trilogie, "Das Ungeheuer", den Deutschen Buchpreis. Ihre Bücher sind beim Luchterhand Litertaturverlag erschienen.