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"George Bush ist nicht mehr Amerika"

Nach Einsschätzung des US- Politikwissenschaftlers Andrew Denison ist George W. Bush bei seinen Landsleuten so unbeliebt wie selten ein amerikanischer Präsident zuvor. Allerdings dürfe das nicht über seine Macht hinwegtäuschen. "Das Amt ist mehr als der Mann", betonte Denison.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: George Bush ist der Präsident der Vereinigten Staaten, aber repräsentiert er mit seiner Position in Heiligendamm die Mehrheit der Amerikaner?

    In Heiligendamm begrüßen wir nun den amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Denison von Transatlantic Network. Guten Tag!

    Andrew Denison: Herr Müller, ich grüße Sie!

    Müller: Herr Denison, ist George Bush nicht mehr Amerika?

    Denison: George Bush ist nicht mehr Amerika. Er ist in der Tat in den Meinungsumfragen so tief wie fast noch nie. Das ist selten, dass ein Präsident so unpopulär ist. Allerdings, der Präsident ist immer noch Präsident, also Amtsinhaber, und dieses Amt vertritt in der Tat ein riesiges 300-Millionen-Volk, sehr wohlhabend. Und wir dürfen nicht vergessen, selbst wenn wir den Mann nicht gerne haben, das Amt ist mehr als der Mann.

    Müller: Macht er in der Klimapolitik Politik für eine kleine Interessengruppe?

    Denison: George Bush ist schon immer der Energieindustrie in den Vereinigten Staaten nahe gewesen. Auch seine Energiepläne haben das gezeichnet. Allerdings muss man auch wie in Ihrem vorigen Beitrag erkennen, dass die amerikanische Energieindustrie ziemlich gespalten ist, auf jeden Fall global engagiert. Das heißt, die politischen Bedingungen in anderen Ländern muss es auch immer wahrnehmen. Aber mehr noch gibt es wie in jedem Wirtschaftsunternehmen ein Interesse an Planungssicherheit. Die Industrieführer in Amerika kommen mehr und mehr zu dem Schluss, dass einige Meilensteine oder festgelegte Ziele in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für die von größter Bedeutung sind: Soll man ein neues Kohlekraftwerk bauen oder nicht? Von daher gibt es Druck auf den Präsidenten, doch einen gewissen Weg anzudeuten. Und das haben wir wahrscheinlich auch in seiner Rede gesehen, nicht nur den außenpolitischen Druck, sondern auch den innenpolitischen.

    Müller: Herr Denison, wenn ich gefragt habe, ist George Bush noch Amerika mit Blick auf Klimapolitik, auf Umweltpolitik, könnte man auch die Frage stellen. tue ich auch hiermit, ist Kalifornien denn Amerika?

    Denison: Kalifornien ist nicht Amerika, aber Kalifornien hat einen Ruf schon seit langem als Pionier, als Avantgarde, auch gerade im Umweltschutz. Schon in den 70er Jahren hat Kalifornien mit seinen Gesetzen zum Ausstoß bei Autos viel gemacht, und die Amerikaner sind dann weitergekommen. Arnold Schwarzenegger mit seiner Bereitschaft, Emissionshandel mit den Ostküstenstaaten anzustreben, zeigt, dass man zwar eine Wirtschaftlichkeit in der Regelung des Ausstoßes haben will, aber auch, dass man bereit ist, politisch eine Führungsrolle zu übernehmen. Je mehr die Bundesstaaten hier voran kommen, desto größer wird das Interesse von Industrie und Politik, auch auf der Bundesebene eine Zielrichtung zu sehen.

    Müller: Gibt es da möglicherweise eine realistische Chance, dass diese kalifornische Politik und auch die kalifornische Argumentation mehrheitsfähig werden könnte in den USA?

    Denison: Ich denke schon. Allerdings muss man wissen, dass die Mehrheit nicht immer entscheidet. Es gibt natürlich Interessen, die besonders viel Macht haben, einen Fortschritt zu verhindern. Die allgemeine Mehrheit ist vielleicht an Klimaschutz interessiert, aber nicht mit Leidenschaft. Die, die vielleicht durch Klimaschutz oder internationalen Klimaschutz verlieren könnten, haben dann oft die lautere Stimme. Das gesagt, ist Amerika eindeutig an einer Energiepolitik interessiert, die nicht nur das Klima schützen kann, sondern auch die Abhängigkeit vom Nahen Osten und die ständige Preissteigerung der Energie zu verhindern. Also Klimaschutz, Sicherheitspolitik und Wohlstand kommen alle zusammen bei der Frage der Energie.

    Müller: Das heißt, wenn wir Amerika in der Gesamtschau betrachten von außen aus, könnte man immer noch nach wie vor sagen, die Amerikaner denken, dass Klimaschutz schlecht ist für die Wirtschaft?

    Denison: Diese Spannung ist noch hoch gehalten, aber man muss auch in der amerikanischen Diskussion - und die Diskussion ob wissenschaftlich oder politisch ist in Amerika sehr hochentwickelt - erkennen, dass Erkenntnisse vorhanden sind, dass man in der Tat Umweltschutz und Wohlstand vereinbaren kann, dass man vielleicht auch erst dann wirklich Wohlstand haben kann. Und die Amerikaner, wenn sie nach Europa und mehr noch nach Deutschland schauen, denken sie nicht nur an irgendwelche Obergrenzen, die akribisch hier festgehalten werden müssen, sondern sie denken, da ist ein Modell, wo man Hightech, Wohlstand kombinieren kann mit Umweltschutz. Ich denke, dies ist ein Einfluss, den die Europäer auch weiter ausüben können. Ein gutes Beispiel zu setzen wird helfen, Amerika näher an die europäischen Positionen zu bringen.

    Müller: Würde, Herr Denison, ein demokratischer Präsident das alles anders machen?

    Denison: Wir dürfen nicht vergessen, dass obwohl Bill Clinton das Kyoto-Protokoll des Klimarahmenvertrages unterschrieben hat, gab es damals 98 zu 0 im amerikanischen Senat eine Ablehnung dieser Art von Industriepolitik mit Obergrenzen. Selbst wenn ein demokratischer Präsident an der Macht ist muss man erkennen: Amerika wird immer so viele Marktmechanismen wie möglich haben wollen und so wenig Staatsinterventionen wie möglich.

    Müller: Aus unserem Pressezentrum in Heiligendamm war das der amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Denison: Auf Wiederhören.