Donnerstag, 18. April 2024

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George Westinghouse
Zugbremser und Stromkrieger

Mit seinem Erfindergeist brachte George Westinghouse die amerikanische Wirtschaft entschieden voran. Er entwickelte eine Zugbremse und machte den Wechselstrom zum Standard in den USA. Konkurrenten drängte er mit harten Bandagen aus dem Rennen. Vor 100 Jahren starb er.

12.03.2014
    Ein Zugunglück war der Auslöser für jene Erfindung, die George Westinghouse zu einem reichen Mann machen sollte. 1866 waren nahe seinem Heimatort Schenectady im Staat New York zwei Züge auf eingleisiger Strecke kollidiert. Damals mussten Bremser von Wagen zu Wagen eilen und jede Achse einzeln blockieren.
    Der 1846 geborene Westinghouse, der sich schon früh für technische Geräte begeisterte und damals in der Landmaschinenfabrik seines Vaters arbeitete, entwickelte daraufhin ein Bremssystem, das mit Druckluft funktionierte und die Lok mit allen Waggons verband. Eine einzige Handbewegung des Lokomotivführers löste alle Bremsen auf einmal aus. Die Eisenbahn wurde schlagartig zum sichersten Transportmittel ihrer Zeit.
    In Pittsburgh gründete der 23-jährige Erfinder die Westinghouse Air Brake Company. Auch in Europa vermarktete er die Druckluftbremse und eröffnete Fabriken in England, Frankreich, Russland und Deutschland. Ständig entwickelte er die Bremse weiter. Von den 360 Patenten, die Westinghouse in seinem Leben anmeldete, galten über 100 der Druckluftbremse.
    Seinen frühen Erfolg kommentierteer so:
    "Mein größtes Kapital waren zunächst die Erfahrungen und Fähigkeiten, die ich in meiner Jugend sammelte, als ich mit allen Arten von Maschinen arbeiten konnte, gepaart später mit den Lektionen in Disziplin, denen sich ein Soldat unterwerfen muss, und einem Geist der Bereitschaft, die Anweisungen von Vorgesetzten auszuführen."
    Als Erfinder wie auch als Unternehmer interessierte sich Westinghouse für sämtliche Zukunftstechnologien seiner Zeit: für das Transportwesen, die Förderung und Verteilung von Gas oder die Stromerzeugung. Er beschäftigte zeitweilig 50.000 Arbeitnehmer.
    Kampf für den Wechselstrom
    Früh erkannte Westinghouse, dass Wechselstrom deutlich kostengünstiger zu erzeugen und zu verteilen ist als Gleichstrom. Der serbische Erfinder Nikola Tesla hatte dafür bereits ein komplettes System entwickelt. Ab 1888 arbeitete er mit Westinghouse eng zusammen. Jahre später schrieb Tesla:
    "George Westinghouse war meiner Meinung nach der einzige Mann auf dieser Erde, der unter den damaligen Umständen mein Wechselstromsystem aufgreifen und den Kampf gegen Vorurteil und Geldmacht gewinnen konnte. Er war ein Pionier von imponierender Größe, dem die Menschheit ein großes Maß an Dankbarkeit schuldet."
    In New York hatte sich hingegen Thomas Edison, der Erfinder der Glühlampe und des Phonographen, auf die Gleichstromtechnologie festgelegt und viel Geld investiert. Gleichstrom oder Wechselstrom - der Wettbewerb um die Standards für die Energieversorgung gipfelte im so genannten Stromkrieg. Man stritt vor Gericht über Patente und versuchte Politik und Öffentlichkeit auf die eigene Seite zu ziehen. Doch dann erhielt die Westinghouse Electric and Manufacturing Company den Zuschlag, die Weltausstellung in Chicago 1893 mit Strom und Licht zu versorgen.
    Ein Kraftakt, der zu einer fulminanten Werbung für die neue Technologie wurde. Fast 200.000 Glühbirnen erleuchteten das Ausstellungsgelände. Angetrieben wurden sie von zwölf Wechselstromgeneratoren, die - für alle zugänglich - in der Ausstellungshalle für Maschinen einen höllischen Lärm verursachten. Henry Prout, Zeitgenosse und Biograf von Westinghouse:
    "Sehr wenige von denen, die auf diese Maschinerie schauten, die mit Bewunderung das große Schaltpult betrachteten, so genial und perfekt, und die die bildschönen Lichteffekte sahen, konnten erkennen, dass sie in einem historischen Moment lebten, dass sie auf die Anfänge einer Revolution blickten."
    Diese Leistung brachte Westinghouse den Auftrag zum Bau des ersten Wasserkraftwerkes an den Niagara-Fällen ein. Damit war der Stromkrieg beendet, und Wechselstrom mit einer Spannung von 120 Volt wurde zum Standard in den US-amerikanischen Haushalten.
    Der Erfolg der Westinghouse-Unternehmen währte bis 1907, als die sogenannte Banker-Panik die amerikanische Wirtschaft erschütterte. Durch die Finanzkrise verlor er die meisten seiner Firmen.
    1911, drei Jahre vor seinem Tod am 12. März 1914, ehrte das American Institute of Electrical Engineers George Westinghouse mit seiner höchsten Auszeichnung, der Edison-Medaille. Der Grund: seine verdienstvollen Leistungen bei der Entwicklung des Wechselstromsystems.