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Georges Manolescu als Fürst Lahovary
Das abenteuerliche Leben eines Hochstaplers

Der rumänische Hochstapler Georges Manolescu lebte ein kurzes, intensives Leben: Er nannte sich Fürst Lahovary und schlawinerte, log und stahl sich so durch. Ihn trieben Abenteuerlust an und der Ehrgeiz, zur besseren Gesellschaft zu gehören. Jetzt ist Manolescus Lebensgeschichte neu aufgelegt worden.

Von Christoph Schröder |
Collage: Vordergrund- Buchcover "Mein abenteuerliches Leben als Hochstapler" // Hintergrund: Stockimage "Diamant"
Georges Manolescu brauchte für seine Karriere im (Geld-)Adel permanent Bares - das er sich auf abenteuerliche Weise beschaffte (Manesse Verlag)
Launisch sei er schon als Kind gewesen, berichtet uns der Ich-Erzähler gleich auf der ersten Seite. Darüber hinaus unruhig und unfähig, sich in Verhaltensschablonen pressen zu lassen. So nahm ein kurzes, intensives und wendungsreiches Leben seinen Anfang.

Hinaus in die weite Welt

Georges Manolescu wird im Jahr 1871 in einer rumänischen Provinzstadt am Fuß der Karpaten geboren. Sein Vater ist beim Militär und schickt seinen widerspenstigen Sohn zunächst von einem Internat zum nächsten. Im Alter von 14 Jahren tritt Manolescu in eine Seekadettenschule am Schwarzen Meer ein, doch die Monotonie dort langweilt ihn. Er versteckt sich als blinder Passagier auf einem Schiff und fährt hinaus in die weite Welt.
Es ist der Beginn einer kriminellen Karriere, die ausschließlich aus der Perspektive des Betrügers selbst geschildert wird. Im Hafen von Piräus angekommen, begeht der Junge mit größter Selbstverständlichkeit eine seiner ersten Gesetzesübertretungen:
"Dort sah ich auf der Bank einen schlafenden Matrosen, der höchstwahrscheinlich des süßen Weins voll war. Ich ging auf ihn zu, um ihn anzufassen – nicht etwa zu konstatieren, ob er vielleicht krank, sondern um zu fühlen, ob er nicht im Besitz einer Brieftasche wäre."

Abenteuerlust und Ehrgeiz

Der Tonfall, den der Ich-Erzähler anschlägt, ist nüchtern, lakonisch, ja streckenweise geradezu protokollähnlich. Darin spiegelt sich die innere Überzeugung Manolescus, dass all das, was er sich in den kommenden Jahren unrechtmäßig aneignen wird, ihm eigentlich zusteht. Was ihn antreibt, ist Abenteuerlust zum einen, aber auch ein durchaus narzisstischer Ehrgeiz, zur besseren Gesellschaft gehören zu wollen.
Die Kreise, in die sich Manolescu, der sich ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch "Fürst Lahovary" nennt, hineinschlawinert, sind die des europäischen Adels und Geldadels mit all seinen feudalen Gepflogenheiten. Um dort mithalten zu können, braucht der Hochstapler permanent Bares. Manolescus Aufzeichnungen bestehen aus einer regelmäßigen Abfolge von Hoteleinbrüchen, Hehlereien, Frauengeschichten, Abstürzen in Spielcasinos und Gefängnisaufenthalten. Dass das nicht eintönig wird, liegt an der Faszination für die Dreistigkeit, die man beim Lesen entwickelt, und an der damit verbundenen Herausbildung des Psychogramms eines Menschen ohne Unrechtsbewusstsein.

Verbrechen als Heldentaten

Manolescu gelingt im Verlauf seiner Erzählung eine subtile Täter-Opfer-Umkehr. Seine Verbrechen erscheinen als Heldentaten, die von den Strafbehörden in schnöder Ignoranz gestört und kleingeistig bestraft werden. Diese Verschiebung der moralischen Koordinaten geht so weit, dass Manolescu nach einem Gefängnisaufenthalt in England in freundlichster Gönnerhaftigkeit notiert:
"Bei meiner Entlassung wurde ich weder aus England noch aus London selbst ausgewiesen, auch wurde mir keine Moral gepredigt oder mir irgendwie gedroht. Diese Gerechtigkeit der englischen Gesetze hat meine Bewunderung erregt, so dass ich den Entschluss fasste, nie mehr in diesem Land ein Unrecht zu begehen."

Selbststilisierung zum Gentleman

Manolescus Autobiografie ist eine vollendete Selbststilisierung zum Gentleman. Im Kern enthält das Buch eine Liebesgeschichte, die man unter normalen Umständen tragisch nennen müsste: Um die Jahrhundertwende ehelicht Manolescu eine deutsche Gräfin und lässt sich mit ihr am Bodensee nieder. Wenige Wochen nach der Geburt des ersten Kindes bricht der Hochstapler erneut auf und lässt seine Familie für immer zurück. Er hat schlicht und einfach nicht mehr genug Geld, um dieses erschwindelte Leben zu finanzieren. Hier offenbart sich die ganze Paradoxie einer auf Lügen gebauten Existenz, die Manolescu selbst in schönster Selbstexkulpierung in mildes Licht rückt:
"Ich möchte jedoch erwidern, dass, wenn ich auch ein Abenteurer ersten Ranges war, ich für meine Person doch nie Gewalt, nie eine Waffe angewendet habe, ja nicht einmal eine schweren Einbruch verübt habe. Meine Waffen waren Intelligenz und Kaltblütigkeit."
"Mein abenteuerliches Leben als Hochstapler" besteht aus zwei Teilen. Nach dem überragenden Erfolg des ersten Buchs warf Manolescus Verleger und Herausgeber Paul Langenscheidt noch im gleichen Jahr einen weiteren Band auf dem Markt, in dem die gleiche Geschichte noch einmal erzählt wird. Allein wird hier der Versuch unternommen, im dramatischen Tonfall aus dem Hochstapler eine sensible Künstlerseele zu machen.

Zeugnis der Epoche

Große Literatur, das muss betont werden, sind diese Aufzeichnungen nicht, sondern vielmehr ein interessantes Zeugnis ihrer Epoche. Auch stören in der hochwertig gestalteten Neuausgabe die zahlreichen überflüssigen Kommentare: Dass ein steifer Grog ein starkes Getränk ist, sollte ebenso wenig erklärungsbedürftig sein wie der Begriff der Kleptomanie.
Georges Manolescu wollte seinem Verleger Langenscheidt nach Erscheinen seiner Memoiren sein geniales Gehirn verkaufen und schickte ihm einen entsprechenden Vertrag gleich mit. Langenscheidt lehnte ab. Manolescu bot das Geschäft danach ebenso erfolglos einem Kriminologen und einem Staatsanwalt an. Er starb im Alter von 37 Jahren in Mailand. In seinem Nachlass fanden sich diverse gefälschte Adelsurkunden und rund vierzig Seidenhemden. Tatsächlich: Ein Mann mit Stil. Immerhin.
Georges Manolescu/Fürst Lahovary: "Mein abenteuerliches Leben als Hochstapler"
aus dem Französischen von Paul Langenscheidt
Manesse Verlag, München. 448 Seiten, 24 Euro.