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Georgiens Aussenministerin
"Russland will wieder Sowjetunion herstellen"

Mit Sorge beobachtet Georgiens Außenministerin die Ereignisse in der Ukraine. Russland verfolge den Plan, "möglichst viele Länder unter seinen Einfluss zu bringen", sagte Maia Panjikidze im DLF. Ihr Land arbeite daran, fit für EU und Nato zu werden.

Maia Panjikidze im Gespräch mit Jasper Barenberg | 22.10.2014
    Die georgische Außenministerin Maia Panjikidze
    Die georgische Außenministerin Maia Panjikidze (dpa / picture-alliance / Alexander Imedashvili)
    Georgien teile die Werte der Nato und der Europäischen Union, sagte Panjikidze im Deutschlandfunk. Man arbeite hart daran, die Kriterien für die jeweiligen Mitgliedschaften zu erfüllen. Sobald dies gelungen und das Militärbündnis erweiterungsfähig sei, dürfte dem Beitritt im Fall der NATO nichts im Wege stehen.
    Die Situation in der Ukraine erinnere sie an das, "was 2008 in unserem Land passierte", so Panjikidze. Beim Krieg zwischen Georgien und Russland verlor die Ex-Sowjetrepublik damals endgültig die Kontrolle über ihre abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien. Ihr Land habe sich in dem Konflikt nicht von der Europäischen Union alleine gelassen gefühlt, sagte die georgische Außenministerin jetzt im DLF, allerdings sei "später vielleicht der Druck der EU auf Russland nicht groß genug gewesen, das Waffenstillstandsabkommen wirklich zu erfüllen".
    Mit der "Annektierung der Krim" habe Moskau nun erneut seine "aggressive Politik" bewiesen. Dies habe sie auch bei ihrem Treffen mit ihrem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier am Dienstag und dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg thematisiert.
    An Abchasien gerichtet sagte Panjikidze, das Land sei besser beraten, "sich innerhalb Georgiens zu entwickeln". Unabhängigkeit sei eine Illusion, diese würde die internationale Staatengemeinschaft niemals anerkennen. Und Russland gehe es nur darum, die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien "einfach zu annektieren".

    Hier das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Frau Panjikidze, ich wollte kurz mit Ihnen über die aktuelle Situation insofern sprechen, als es ja keine Einigung in diesem Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland gibt. Auf der anderen Seite gibt es immerhin die wenn auch brüchige Waffenruhe. Welchen Reim machen Sie sich im Moment auf die Situation? Erfüllt Sie das eher mit Sorgen, oder sehen Sie doch Anzeichen in Richtung einer politischen Lösung oder Annäherung?
    Maia Panjikidze: Nein, leider nicht. Wir beobachten die Ereignisse in der Ukraine natürlich mit großer Sorge, nicht nur, weil Ukraine ein Partnerland ist für Georgien, sondern weil uns sehr vieles daran erinnert, was 2008 in unserem Land passiert ist. Und es ist ganz eindeutig, welche Politik Russland verfolgt, und demzufolge wir sind ja auch anderen Druckmitteln, neuen Druckmitteln ausgesetzt in den letzten Wochen, und daher sehen wir das als eine gemeinsame Entwicklung für unsere Region und für die Länder der östlichen Partnerschaft mit der Europäischen Union. Es ist ganz klar, dass Russland diese Länder, die Ukraine, Moldau und Georgien, für ihre Wahl, sich der EU anzunähern, bestrafen will.
    Barenberg: Sie sagen, es ist eindeutig, welche Politik Putin, welche Politik der Kreml verfolgt. In Europa, in der EU hört man gelegentlich, wir wissen eigentlich gar nicht, was Präsident Putin am Ende will. Was will er?
    Panjikidze: Ich glaube, mit dem Beispiel von der Krim hat Russland ganz deutlich gezeigt, welche Politik es verfolgt. Die Krim wurde einfach annektiert und jetzt geht Russland noch weiter und will mit einem neuen Vertrag, den Russland der de facto Regierung in Abchasien angeboten hat, das gleiche in unserem Land machen. Das ist ein Vertrag über die vertiefte militärische Zusammenarbeit. Aber wenn man den Vertrag genauer sieht, dann sieht man ganz genau die Anzeichen für eine Annexion. Das erfüllt uns mit Sorge und das sind auch die Themen, die wir in Berlin und vor zwei Tagen in Luxemburg beim Treffen mit EU-Außenministern angesprochen haben.
    Abchasische Unabhängigkeit eine Illusion
    Barenberg: Abchasien - da geht es um eine weitere abtrünnige Provinz, die Moskau anerkannt hat. Nun hört man aus Abchasien, auch von der Regierung, dass es dort gewisse Widerstände gibt gegen eine engere Bindung an Russland. Haben Sie da Hoffnung, dass das Wirkung haben wird?
    Panjikidze: Ja, das stimmt wirklich und das zeigt auch, welche aggressive Politik Russland verfolgt, weil sogar die de facto Regierungsvertreter unzufrieden sind mit dem Vertrag, weil sie genau die Gefahr sehen, die wir sehen. Die betrachten das aber aus einer anderen Sicht. Die haben gehofft, Unabhängigkeit zu erlangen und anerkannt zu werden. Das ist nicht passiert, zum Glück, weil die internationale Staatengemeinschaft die territoriale Integrität und Souveränität von Georgien anerkennt. Aber sie haben jetzt ganz deutlich gesehen, es war nie das Ziel von Russland, diese kleinen abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten existieren zu lassen, sondern die eigentliche Idee und der eigentliche Plan von Russland bestand darin, diese Gebiete einfach zu annektieren und damit sind die Abchasen nicht zufrieden. Das ist vielleicht die Möglichkeit auch für die und für uns, jetzt wirklich alles beim Namen zu nennen und auch den Abchasen klar zu machen, bessere Bedingungen als innerhalb Georgiens werden sie nirgendwo bekommen. Die Unabhängigkeit ist eine Illusion. Das wird die internationale Staatengemeinschaft nie anerkennen. Und deshalb sind sie besser beraten, innerhalb von Georgien sich zu entwickeln, und die Möglichkeiten wird die georgische Regierung und der georgische Staat ihnen geben.
    Barenberg: Frau Ministerin, nach dem Krieg mit Russland 2008 hat sich Georgien allein gelassen gefühlt, auch vom Westen in seiner Auseinandersetzung mit Russland. Weil Sie die Gespräche ansprechen, die Sie jetzt in Berlin führen, auch mit Blick auf den Konflikt in Abchasien, haben Sie jetzt den Eindruck, dass sich die Haltung geändert hat?
    Panjikidze: Ich würde nicht sagen, dass Georgien allein gelassen wurde nach dem Krieg. Die EU hat alles gemacht, was möglich war. Die EU hat Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt. Die EU hat eine Beobachtermission nach Georgien geschickt. Die EU hat die Genfer Gespräche initiiert und das sind die Instrumente, die uns dabei helfen sollten, Waffenstillstandsabkommen umzusetzen. Leider ist der Druck vielleicht später nicht groß genug gewesen auf Russland, das Waffenstillstandsabkommen wirklich zu erfüllen. Ich glaube, die Ukraine hat dem Westen einmal mehr gezeigt, dass Russland den Plan verwirklichen wird oder versucht zu verwirklichen, den es hat, und dieser Plan besteht darin, möglichst viele Länder unter den Einfluss zu bringen und die Sowjetunion irgendwie in irgendeiner Form wiederherzustellen. Ich hoffe sehr, dass nach der Ukraine-Krise diese Nachricht besser angekommen ist in Europa als nach 2008.
    Georgien strebt NATO- und EU-Mitgliedschaften an
    Barenberg: Auf der anderen Seite liegt ein EU-Beitritt in weiter Ferne, und auch ein Beitritt zur NATO, der schon mal in Aussicht gestellt war, ist ja auf unbestimmte Zeit verschoben. Wünschen Sie sich da eine andere Positionierung auch der Bundesregierung?
    Panjikidze: Auf jeden Fall. Wir haben erklärt, dass das Ziel des georgischen Volkes und der georgischen Regierung ist, die EU-Mitgliedschaft und die NATO-Mitgliedschaft zu erreichen. Wir sind auf dem guten Wege dahin. Wir versuchen, hart daran zu arbeiten, die Kriterien für die Aufnahme zu erfüllen. Uns ermutigt die Erklärung der Europäischen Union und des Parlaments, dass das nicht der letzte Schritt der Annäherung ist, sondern erst der Anfang, und es wird in Aussicht gestellt, dass wir Mitglieder werden können, wenn wir die Kriterien erfüllen. Das gleiche gilt für die NATO. Wir hätten uns natürlich eine klarere Aussage gewünscht. Leider ist das nicht passiert beim letzten Gipfel. Aber wir sind nicht enttäuscht. Wir machen weiter und wir reformieren unseren Staat. Wir machen uns fit für die Mitgliedschaft in der NATO und in der EU und ich glaube, es wird die Zeit kommen, wenn unser Wunsch erfüllt wird und wenn unser Plan funktioniert.
    Barenberg: Manche Stimmen hier sagen ja, dass es von Anfang an eine törichte Herausforderung gegenüber Russland gewesen ist, überhaupt Georgien den Beitritt zur NATO in Aussicht zu stellen. Was antworten Sie solchen kritischen Stimmen?
    Panjikidze: Ich sage einfach, wir teilen die Werte der NATO, und das gleiche gilt auch für die Europäische Union. NATO ist eine unabhängige Organisation, Georgien ist ein unabhängiges Land und kein drittes Land hat das Recht auf Veto. Das bedeutet, wenn das Bündnis erweiterungsfähig ist und Länder in Europa existieren, die die Kriterien erfüllen, dann dürfte der Mitgliedschaft nichts im Wege stehen. Wie gesagt, wenn die Länder fit für die Mitgliedschaft sind und die NATO erweiterungsfähig ist und erweiterungswillig ist. Daher denke ich, dass man die unabhängige politische Entscheidung eines Landes respektieren muss und ebenso die unabhängige politische Entscheidung eines Bündnisses, weitere Mitglieder aufzunehmen und für die Sicherheit in Europa und in der Welt zu sorgen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.