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Geplante Obsoleszenz
"Wir bemerken immer die Dinge, die kaputt gehen"

Viele Verbraucher haben das Gefühl, dass Dinge immer dann kaputt gehen, wenn die Garantie gerade abgelaufen ist. So etwas könne die Industrie aber gar nicht planen, sagte Jürgen Nadler von der Stiftung Warentest. Es sei aber so, dass wir eher "die Dinge, die kaputt gehen, bemerken, weil sie uns persönlich treffen".

Jürgen Nadler im Gespräch mit Römermann | 17.02.2016
    Alte Fernseher in einem Verwertungslager
    Alte Fernseher: Die meisten Geräte veralten eher, als dass sie kaputt gehen. (picture alliance / dpa / Qi Peng)
    Stefan Römermann: Seit ein paar Jahren, da geistert immer wieder ein Schlagwort durch die Medien: Geplante Obsoleszenz oder geplanter Verschleiß. Die Theorie: Wirtschaftsunternehmen bauen in ihre Produkte künstlich Schwachstellen ein, damit sie kurz nach Ablauf der Garantiefrist kaputt gehen. Das Ganze soll den Absatz angeblich steigern, denn die Kunden müssten schließlich dann ein neues Produkt kaufen. Soweit die Theorie.
    Anfang der Woche hat nun das Umweltbundesamt eine Studie zum Thema vorgestellt und darin recht klar gesagt, die Theorie stimmt so nicht. Es gibt keine Hinweise, dass Hersteller tatsächlich ihre Produkte absichtlich verschlechtern. Darüber haben wir auch hier im Deutschlandfunk ausführlich berichtet. Viele Hörer waren mit den Ergebnissen der Studie allerdings gar nicht einverstanden. Sie haben uns vorgeworfen, wir seien da viel zu unkritisch mit dieser Studie umgegangen. Die Masche der Hersteller, die gebe es, und das habe man schließlich auch selbst schon oft genug erlebt. Darüber habe ich vor der Sendung mit Jürgen Nadler gesprochen von der Stiftung Warentest und ich habe ihn gefragt, ob das Umweltbundesamt hier vielleicht eine Art Gefälligkeitsgutachten für die Industrie gemacht hat und Tatsachen vertuschen will.
    Jürgen Nadler: Das ist eine, glaube ich, sehr sorgfältig und sehr umfangreich durchgeführte Studie, die zumindest in manchen Punkten vielleicht nicht für alle so angenehm oder bequem im Ergebnis ist, weil sie doch zeigt, dass sie neben den Geräten, die kaputt gehen, die es immer geben wird, zeigt, dass in vielen Fällen insbesondere im Bereich Informationstechnik und Unterhaltungselektronik sich die Nutzungszeiten verkürzen und das nicht unbedingt daran liegt, dass der Fernseher kaputt gegangen ist, sondern dass die Versprechen der Industrie zu besserer Qualität, höherer Funktionsvielfalt, neuen Möglichkeiten den Verbraucher reizt zu wechseln.
    Römermann: Aber gerade in Bezug auf die eingebauten Schwachstellen, das was gemeinhin unter geplanter Obsoleszenz verstanden wird, da sagen die, da gibt es keine Hinweise drauf. Das kann doch wohl nicht sein. Das merkt man doch: Die Sachen gehen kaputt. Das hat man doch quasi im Gefühl, sage ich mal.
    Verbrauchernutzung ist nicht planbar
    Nadler: Das ist vielleicht genau das Problem, dass wir vom Gefühl her tatsächlich immer die Dinge, die kaputt gehen, bemerken, weil sie uns persönlich treffen, weil sie uns ärgern. Wenn das dann auch noch mit einem Zeitpunkt zusammenfällt, dann ist das natürlich ein Aufmerksamkeitswert sondergleichen. Aber ob es im statistischen Sinne durch eine Untersuchung, bei der man prüft, zu finden ist, dass da eine Schwachstelle absichtlich eingebaut wurde, das haben wir nicht geschafft und das hat das UBA eben auch nicht geschafft - vielleicht, weil man es nicht schaffen kann.
    Römermann: Was sagen da Ihre Testergebnisse? Gehen Geräte reihenweise kurz nach der Garantiefrist kaputt?
    Nadler: Bei den Untersuchungen, wo wir Lebensdauerprüfungen machen, ist das nicht der Fall. Sie gehen nicht reihenweise nach dem Garantiezeitpunkt - Das wäre ja sowieso simuliert, aber sie gehen nicht kaputt. Ich hatte gerade auch eine Anfrage von jemandem, der zum Thema Fernseher sich noch mal geäußert hat und gesagt hat, dort die Kondensatoren - Wir machen keine Lebensdauerprüfungen, aber wir haben ganz viele Geräte im Test, im letzten Jahr ungefähr 120, und die werden wirklich intensiv rangenommen. Da werden Sehtests stundenlang gemacht, die werden eingefahren sozusagen, die werden justiert, da werden Messungen gemacht, Leistungsaufnahme. Die werden innerhalb von dem einen Monat, in dem wir testen, wahrscheinlich so rangenommen wie beim Standardverbraucher, sage ich mal, in vier, fünf Monaten. Und wir haben ganz, ganz wenig Ausfälle, fast gar keine.
    Römermann: Aber es gibt ja so etwas wie eine geplante Lebensdauer. Das ist bekannt. Aber ist das nicht doch das eingebaute Verfallsdatum, von dem immer geschrieben wird?
    Nadler: Nein, das kann man eben nicht, weil es ist ja nicht ein Datum, das man damit bekommen kann. Das ist, ehrlich gesagt, nicht möglich, es sei denn, man würde eine Uhr einbauen, die das macht, und die würde ja jeder bemerken. Die Haltbarkeit sowohl im mechanischen wie auch im elektrischen Bereich - im einen Fall ist es die Dauernutzung, im anderen Fall die Erwärmung als wesentlicher Punkt - führt zur Alterung an den Bauteilen, und das heißt, es hängt immer davon ab, wie das Gerät genutzt wird. Wenn einer ein Gerät wenig nutzt und man betrachtet diesen Verschleiß, der da drinsteckt, dann ist der sozusagen abhängig von der Härte der Nutzung, und das kann man letztlich nicht einbauen. Bei einigen Leuten wäre es schon nach zwei Monaten hin, weil die jeden Tag gucken, und bei anderen nach 20 Jahren, weil sie nur einmal im Monat sich was anschauen. Das ist nicht realistisch planbar.
    Römermann: Jetzt sagen Sie, rein technisch ist das überhaupt nicht so genau planbar. Würde denn die Strategie, um Produktkäufe so anzukurbeln, betriebswirtschaftlich funktionieren? Was ist da Ihr Eindruck?
    Es wird ein unrealistisches Verbraucherverhalten unterstellt
    Nadler: Das ist auch einer der wesentlichen Punkte, der, ich glaube, sogar in dem Gutachten auch zu finden ist. Es ist doch das Verbraucherverhalten auch zu berücksichtigen. Jetzt habe ich mir ein Gerät gekauft und bin stolz und zufrieden und alles schön und gut, und dieses Gerät von der Firma XYZ geht nach einem halben Jahr kaputt. Wenn es jetzt auf dieser ganzen Welt nur die Firma XYZ gäbe, na ja, okay, dann wird diese Firma wieder ein Gerät verkaufen, wenn er das weitermachen will.
    Römermann: Wenn es da ein Monopol gibt.
    Nadler: Ja. Aber wenn es das nicht gibt, und wir haben, ehrlich gesagt, eine unglaubliche Vielfalt von Firmen - ich kann bei Fernsehern sicherlich zwischen 20, 30 Firmen wählen -, dann werde ich doch nicht als nächstes losgehen und sagen, nun kaufe ich aber wieder von XYZ, die haben mich ja so zufriedengestellt, das ist nach einem halben Jahr kaputt gegangen. Das ist doch ein unrealistisches Szenario. Das wird gerade nicht passieren, sondern der Ärger ist unglaublich. Wir merken auch, wie groß der Ärger ist, und ich kann ihn auch wirklich nachvollziehen. Wenn mir was kurzfristig kaputt geht, ärgere ich mich auch immer schwarz. Da bin ich voll auf der Linie dieser Menschen. Nur ich kaufe doch nicht von der Firma noch mal. Erst mal versuche ich eine Reparatur, das ist klar, gerade nach so kurzer Zeit, und dann ist ja auch noch Garantie, da werde ich es schon kriegen. Aber wenn es nach zwei Jahren passiert, würde ich mir auch die Frage stellen, das ist gerade kaputt gegangen, da kaufe ich doch nicht wieder den. Das halte ich für ein unrealistisches Verbraucherverhalten, das man da unterstellt.
    Römermann: Jürgen Nadler von der Stiftung Warentest über vermeintlich finstere Strategien von Wirtschaftsunternehmen. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.