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Strategien gegen Obsoleszenz
Warum Technik schnell kaputtgeht - und was dagegen hilft

Die Idee ist simpel: Die Nachfrage nach neuen Waren soll künstlich angefeuert werden. Dazu lassen Hersteller Produkte, etwa ein Telefon, schneller als eigentlich nötig altern oder kaputt gehen. Stimmt das? Anzeichen dafür gibt es jedenfalls. Wir erklären, was dran ist und wie man langlebige Produkte findet.

Von Stefan Römermann | 05.02.2016
    Waschmaschinen in einem Waschsalon in Paris
    Blick in einen Waschsalon: Technische Geräte gehen häufig kurz nach Ende der Gewährleistungsfrist kaputt. Hat das System? (AFP/Loic Venance)
    "Und... hier! Diese Diode muss jetzt raus! Wir müssen! Wir brauchen einen Lötkolben. Den muss ich jetzt erst mal besorgen."
    Sonntagnachmittag im Bürgerzentrum "Glashütte" in Köln Porz. Während am Nachbartisch ein junger Mann an einem alten Klappfahrrad herum schraubt, versucht Roland Schneider, einen defekten Flachbildfernseher wieder zum Laufen zu bekommen. Schneider ist einer der vielen ehrenamtlichen Helfer im Repaircafé, das hier einmal im Monat stattfindet. Früher hat er in einer Elektronik-Firma gearbeitet. Jetzt, als Rentner, ist er oft der rettende Engel für Menschen mit kaputten Fernsehern, DVD-Playern oder anderen Technikgeräten.
    "Wir müssten einen Klingenschraubenzieher haben und die Diode raushebeln." – "Was ist ein Klingenschraubenzieher?" – "Hier ist sowas." – "Ach, ein normaler." "Wenn man jetzt hier da so drunter geht, dann kann man die Diode raushebeln." – "So, jetzt ist die hoch, und jetzt können wir definitiv feststellen: Was ist eigentlich los hier im Laden. Ist das Ding kaputt oder nicht. Sooo.. Wir sehen jetzt ..." "Zweimal nix" – "Zweimal nix ist auch schlecht. Das heißt, die ist kaputt."
    Die Idee der Repaircafés stammt aus den Niederlanden. Die Journalistin Martine Postma hat dort 2007 das erste Repaircafé gegründet. Heute gibt es allein im deutschsprachigen Raum 300 solcher Cafés. Die Initiatoren wollen dabei nicht etwa kommerziellen Werkstätten Konkurrenz machen. Ihnen geht es vor allem darum, dem "Wegwerf-Wahn", wie sie es nennen, etwas entgegenzusetzen. Sie wollen unnötigen Elektroschrott vermeiden und wertvolle Rohstoffe einsparen. Technik- und Elektronik-Experten wie Roland Schneider geben deshalb vor allem Hilfe zur Selbsthilfe.
    "Oft sind das nur Kleinigkeiten. Da sind dann also nur so kleine Sicherungen kaputt oder Elektrolytkondensatoren, die ihre Kapazität verloren haben, weil sie zu sehr gestresst werden in der Schaltung. Und die Kosten dann 20, 30 Cent. Und wenn man die gefunden hat, wenn man die gewechselt hat, dann geht das Ding wieder. Aber es fliegen viel zu viele von den Dingern weg."
    Auch der Flachbildfernseher kann wohl gerettet werden, hofft Schneider.
    "Und hier ist das, ein typischer Fehler. Diese Geräte haben alle ein Schaltnetzteil. Und das Schaltnetzteil hat ein Problem. Das schwingt nicht an – und dann geht der Fernseher nicht."
    Die Arbeit im Repair-Café wird ihm und seinen Mitstreitern so bald nicht ausgehen. Die Hersteller hätten schließlich überhaupt kein Interesse daran, Geräte zu bauen, die lange halten, sagt er.
    Die Idee von der "geplanten Obsoleszenz" - fast ein Jahrhundert alt
    "Also die Geräte werden so gebaut, dass dann, wenn die Garantie abgelaufen ist, möglichst schnell auch wieder die Leute in den Laden gehen und erfahren müssen: Sie sollten sich doch besser einen neuen kaufen. Und das ist natürlich brutal."
    Der Verdacht, dass viele Hersteller bewusst und absichtlich Schwachstellen in ihre Geräte einbauen, ist in Deutschland seit ein paar Jahren immer wieder zu hören und zu lesen. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt der Berliner Betriebswirt Stefan Schridde. Er ist Gründer des Vereins "Murks? Nein danke!" und sammelt für eine Art Museum Beispiele für Produkte mit Konstruktionsfehlern und Schwachstellen:
    Geschirrspüler mit hitzeempfindlichen Bauteilen ausgerechnet an Stellen, an denen es heiß wird, oder Küchengeräte mit billigen Kunststoffzahnrädern, die schnell verschleißen.
    "Murks!" – wie er es nennt. Und dieser Murks ist für Schridde dabei fast immer ein klares Kalkül der Hersteller. Er ist sich sicher: Viele Unternehmen setzen auf die Strategie der sogenannten "geplanten Obsoleszenz". Übersetzt wird der Begriff meist mit "geplantem Verschleiß" oder "künstlicher Produktalterung", erklärt Schridde.
    "Geplante Obsoleszenz ist dieser Oberbegriff dafür, wie eben durch betriebliche Entscheidungen Nutzungsdauern verkürzt werden – um Neukauf zu beschleunigen."
    Das Konzept der "geplanten Obsoleszenz" ist inzwischen fast ein Jahrhundert alt. In den USA wurde es bereits in den 1920er und -30er Jahren unter Wirtschaftsvertretern diskutiert – als ein möglicher Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise.
    Die Grundidee ist simpel: Die Nachfrage nach neuen Waren soll künstlich angefeuert werden. Dazu lässt der Hersteller ein Produkt, etwa ein Telefon, schneller als eigentlich nötig altern oder kaputt gehen. Es soll schneller "obsolet" werden. Denn nur dann kann der Hersteller ein neues Telefon verkaufen.
    Um ein Produkt künstlich altern oder verschleißen zu lassen, gibt es unterschiedliche Wege. In den 1920er Jahren fing General Motors damit an, praktisch jährlich das Design seiner Autos leicht zu verändern. Dadurch sahen selbst gut gepflegte und völlig intakte Autos plötzlich in gewisser Weise "alt" aus. Die Idee der "Mode" wurde seither auf nahezu alle klassischen Konsumprodukte ausgeweitet.
    Heute funktioniert diese sogenannte "psychologische Obsoleszenz" besser denn je und steigert so unter anderem die Verkaufszahlen von Autos und Flachbildfernsehern. Besonders krass zeigt sich dieses Phänomen bei Smartphones: Wenn ein neues iPhone auf den Markt kommt, stehen viele Apple-Fans Stunden vor dem offiziellen Verkaufsstart Schlange – obwohl ihr bisheriges Telefon noch perfekt funktioniert. Für Umweltschützer ein bedenklicher Trend – auch wenn immerhin ein Teil der Altgeräte noch weiterverkauft oder verschenkt wird.
    Gezielter Einbau von technischen Schwachstellen in Geräten?
    In Deutschland dreht sich die Diskussion um geplante Obsoleszenz bisher allerdings fast ausschließlich um einen anderen Aspekt: Um den angeblich gezielten Einbau von Schwachstellen, also die künstliche und vorsätzliche Verkürzung der Haltbarkeit. Auch "Murks"-Bekämpfer Stefan Schridde ist sich sicher: Die Hersteller von Elektrogeräten setzen bewusst minderwertige Bauteile ein, damit die Geräte nicht viel länger halten als für die Dauer der Gewährleistungsfrist.
    "Alles was danach passiert, ist Zufall. Also wenn da mal was länger hält. Und das ist ja ein extremer Geldverschleiß. 100 Milliarden Euro verlieren wir jedes Jahr, weil die Dinge so gebaut sind. Und das andere ist eben der Umweltschaden, der natürlich ausgelöst wird. Das ist eine unglaubliche Ressourcenverschwendung, mit der wir es hier zu tun haben."
    Das am häufigsten zitierte Beispiel für eine bewusste Verschlechterung von Produkten ist die Geschichte vom sogenannten Glühbirnen-Kartell aus den 1920er Jahren. Sie ist auch für Stefan Schridde eines der klassischen Beispiele für geplante Obsoleszenz.
    "Da haben sich die drei großen Glühlampen-Hersteller zusammengeschlossen und miteinander beschlossen, dass sie die bereits vorhandene Lebensdauer der Glühlampen von 2500 Stunden einheitlich weltweit auf 1000 Stunden runterschrauben. Also in der Lebensdauer gewollt verkürzen."
    Wenn ein Hersteller Glühlampen mit längerer Lebensdauer produziert hatte, musste er dafür hohe Strafen bezahlen. Die Lebensdauer der Glühbirne wurde also künstlich beschränkt. Doch wurden damit wirklich Verbraucher im großen Stil betrogen? Viele Techniker bestreiten das.
    "Wenn man die Lebensdauer wesentlich steigern will, kann man ein paar Dinge tun",
    ... erklärt beispielsweise Jürgen Nadler von der Stiftung Warentest.
    "Es gibt Möglichkeiten, die höher zu kriegen. Eine ist zum Beispiel, mit einer etwas niedrigeren Spannung ran zu gehen. Und zu sagen: Das belaste ich nicht so stark. Oder den Faden dicker zu machen. Dann hält es natürlich auch länger."
    Damit lassen sich relativ einfach Glühlampen mit fast unendlicher Lebensdauer produzieren. Es gibt dabei allerdings ein Problem: Dadurch sinkt die Energieeffizienz der Glühbirne.
    "Und die Glühlampe wird sehr stark glühen und wenig Licht liefern. Das heißt also, die Lichtausbeute einer solchen Glühlampe wäre extrem schlecht, weil sie dann eben praktisch nur noch Wärme produziert und gar kein Licht mehr."
    Die Festlegung der Lebensdauer auf 1000 Stunden im Jahre 1924 könnte deshalb sogar im Sinne des Verbrauchers gewesen sein. Als brauchbarer Kompromiss zwischen Haltbarkeit und Stromverbrauch.
    Wirtschaftsvertreter bestreiten das "geplante Kaputtgehen"
    Auch ansonsten glaubt Warentester Nadler nicht an eine düstere Verschwörung der Hersteller, die ihre Geräte bewusst und vorsätzlich verschlechtern, damit sie schneller kaputt gehen. Natürlich gibt es viel Murks und Pfusch. Aber dabei geht es meist um billig produzierte Produkte. Das zeigen auch die Produktprüfungen der Stiftung Warentest. Schließlich wird bei vielen Geräten auch intensiv die Lebensdauer geprüft: In einem Dauertest, um die typische Belastung über zehn, zwölf Jahre zu simulieren.
    "Im Haushaltsgerätebereich, da prüfen wir das, bei Waschmaschinen zum Beispiel, bei Staubsaugern. Und da stellt man eigentlich eines fest: Wenn das Gerät teuer ist, sind die Chancen, dass es lange hält, ganz gut. Und wenn es sehr billig ist, sind die Chancen, dass es ausfällt, frühzeitig, relativ groß."
    Auch Wirtschaftsvertreter halten die Obsoleszenz über vorsätzlich eingebauten Schwachstellen für eine Verschwörungstheorie. Denn in der Praxis könnte so eine Strategie nicht funktionieren, heißt es beispielsweise beim IT-Branchenverband Bitkom. Große Unternehmen könnten es sich gar nicht leisten, vorsätzlich schlechte Produkte zu produzieren. Denn dazu sei der Wettbewerb viel zu stark. Kunden würden dann schlicht zur Konkurrenz wechseln, erklärt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder.
    "Das heißt, Unternehmen, die ihre Produkte bewusst schlecht machen, entziehen sich die wirtschaftliche Basis. Und die wirtschaftliche Basis ist der zufriedene Kunde. Und Sie können fest davon ausgehen, dass Unternehmen, die dauerhaft im Markt Bestand haben wollen, sich nicht so verhalten."
    Die Lebenszeit eines Produktes so zu planen, dass es bei einem großen Teil der Kunden möglichst kurz nach der Gewährleistungsfrist kaputt geht – das ist auch technisch fast unmöglich. Natürlich kann es passieren, dass ein Gerät ein paar Tage nach Ablauf der Garantie kaputt geht. Das haben schließlich viele Verbraucher schon erlebt. Doch für Warentester Nadler ist das dann schlicht Zufall.
    "Man kann natürlich bestimmte Bauteile so vorher sehen, dass man bei einer bestimmten Zeitdauer der Nutzung sagt: Dann fällt das aus. Das wäre denkbar. Aber Sie wissen natürlich nie, wie lange es jemand nutzt. Oder wie intensiv. Dann kann das sein, dass bei dem einen das Ding, weil er nicht sehr viel damit arbeitet, trotzdem 10 Jahre hält. Und bei dem anderen, der intensiv damit arbeitet, ist das schon nach einem Jahr kaputt. Oder vielleicht sogar nach ein paar Monaten. Und dann würde glatt die Garantie greifen."
    Dass die Geräte heute quasi gefühlt schneller kaputt gehen als früher, ist für Nadler zum Teil einem verbreiteten Hang zur Nostalgie zuzuschreiben - eine Verklärung der vermeintlich "guten alten Zeit" – und auch das Ergebnis von selektiver Wahrnehmung.
    Ein rein psychologisches Phänomen?
    "Was merken wir uns? Dinge, die kaputt gehen! Also ich würde mir das merken. Die Sachen, die sang- und klanglos ihren Dienst bei mir tun, die prägen sich nicht nach dem Motto ein: Oh, das hält jetzt schon zehn Jahre. Das heißt also, jeder Ausfall wird wahrgenommen. Während das nette Funktionieren eigentlich nicht wahrgenommen wird. Es ist ja keine Besonderheit, wenn es funktioniert."
    Auch Daten vom Umweltbundesamt zeigen, dass Elektrogeräte im Schnitt erstaunlich lange halten – jedenfalls weit länger als die gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren. Für eine erste Studie zum Thema Obsoleszenz hatte das Amt vor gut einem Jahr die durchschnittliche Erstnutzungsdauer von exemplarisch ausgewählten Produkten erhoben.
    "Zum Beispiel bei Haushaltsgroßgeräten wurden 15.000 Verbraucher befragt: Haben Sie ein neues Gerät gekauft? Was war der Grund für den Austausch, und wie alt war das Gerät? Und dafür haben wir eben für Haushaltsgeräte, TV, Notebooks und Handmixer die Daten erhoben."
    ... erklärt Ines Oehme, die für das Umweltbundesamt die Studie betreut. Das Ergebnis: Empfindliche Geräte wie Notebooks werden im Durchschnitt nach fünf Jahren durch ein neueres Gerät ersetzt. Große Haushaltsgeräte wie Geschirrspüler, Kühlschränke oder Waschmaschine sogar erst nach 12 bis 15 Jahren. Wichtig dabei: Ein großer Teil der Geräte war zu diesem Zeitpunkt technisch immer noch in Ordnung – und wurde beispielsweise gegen ein neueres, besseres oder besonders energiesparendes Modell ausgetauscht.
    Hinweise auf einen massenhaften, von den Herstellern eingebauten, vorzeitigen Verschleiß gibt es der Untersuchung zufolge nicht. Doch auch wenn Verbraucher von den Herstellern nicht arglistig getäuscht werden - die Zahlen zeigen ganz klar: Die Ressourcen-Verschwendung durch Obsoleszenz ist ein reales Problem.
    So hat sich zwar die durchschnittliche Nutzungs- und Lebensdauer bei Haushaltsgeräten über die vergangenen 10 Jahre nur wenig verändert. Aber der Anteil der Geräte, die schon in den ersten Jahren ausfallen, ist deutlich gestiegen. Jede zehnte Waschmaschine hält keine fünf Jahre mehr.
    "Und wenn ein Haushaltsgroßgerät keine fünf Jahre alt wird, obwohl andere zeigen: Sie schaffen 10 bis 15 Jahre, dann ist das schon ein Zeichen, wo wir sagen: Wir müssen da genauer hinschauen. Und es ist wichtig, dass Verbraucher sich auf eine gewisse Mindestlebensdauer auch verlassen können."
    Woran das genau liegt, kann Oehme bisher nur vermuten. Genaue Daten dazu liegen dem Umweltbundesamt nicht vor.
    "Ein Grund könnte sein, dass der Anteil der eher sehr günstigen Geräte gestiegen ist, wo die Hersteller nicht so viel Aufwand in die Qualitätskontrolle investieren können. Das andere kann aber auch sein, dass weniger Geräte repariert wurden. Und auch hier spielen natürlich die Kosten auch eine relevante Rolle für die Entscheidung."
    Frankreich greift durch
    Denn wer seine Waschmaschine als vermeintliches Schnäppchen für 200 oder 300 Euro im Super-Sonderangebot gekauft hat, der überlegt in der Regel ganz genau, ob er tatsächlich einen Techniker für eine Reparatur beauftragt – oder lieber doch gleich eine neue Maschine kauft.
    Zumal viele Hersteller eine einfache Reparatur ihrer Geräte offenbar überhaupt nicht mehr bei der Produktplanung einkalkulieren. Das heißt: Sie legen es zwar nicht gezielt auf ein Kaputtgehen nach einer bestimmten Frist an. Doch sie nehmen es in Kauf, dass durch minderwertige Fertigungsdetails die Lebensdauer verkürzt wird – und sich eine Reparatur nicht mehr lohnt. In seiner Murks-Sammlung hat Stefan Schridde inzwischen dutzende Beispiele dafür gesammelt. Besonders anschaulich: Eine Waschmaschine mit einem defekten Kugellager.
    "Bei früheren Waschmaschinen ist dieses Kugellager unabhängig von der Trommel eingebaut gewesen. Das heißt: Hier war ein Kreuz, und da war das Kugellager eingebaut. Früher war das eine Reparatur von 30 Minuten im Badezimmer und hat 30 D-Mark gekostet."
    Doch der Besitzer der Waschmaschine hatte Pech: Die Trommel in seiner Maschine war aus Kunststoff und das Kugellager fest eingeschweißt.
    "Das heißt, wenn jetzt das Kugellager kaputt geht, muss ich die kaputte Trommel (klopft dran) rausnehmen. Das heißt, jetzt habe ich die komplette Trommel als Ersatzteil. Die ist natürlich viel, viel teurer. Die Reparatur kostet jetzt mehr als eine neue Waschmaschine. Bei gleichem Schaden."
    Stefan Schridde ist sich sicher: Das Gerät von vornherein reparaturfreundlich zu bauen, hätte pro Maschine, wenn überhaupt, nur wenige Cent mehr gekostet.
    Er wünscht sich dringend ein hartes Durchgreifen der Politik im Kampf gegen diese und andere Formen der Obsoleszenz. Vorbild ist für ihn ein Gesetz, das Frankreich vor gut einem Jahr verabschiedet hat. Es stellt unter anderem das gezielte Einbauen von Schwachstellen in Produkten unter Strafe, sogar Gefängnisstrafen sind vorgesehen, freut sich Schridde.
    "Frankreich hat gezeigt: Es kann auf nationaler Ebene gehandelt werden. Hier müssen wir genauso in Deutschland zeigen, dass wir alles, was im rechtlichen Spielraum heute ja schon gegeben ist, dann aber auch umsetzen."
    Beim Umweltbundesamt hält man die Strafvorschriften aber offenbar eher für einen Papiertiger. Ines Oehme drückt das sehr diplomatisch aus:
    "Der gezielte Einbau von Schwachstellen, damit wird man eben wirklich nur ganz wenige Fälle, nehme ich mal an, adressieren können. Also wie gesagt: Wir konnten in unserer Studie solche Fälle bisher nicht wirklich identifizieren."
    Abhilfe durch Pflichtangaben zur Lebensdauer von Produkten?
    Andere Regeln aus Frankreich ähneln dagegen eigenen Vorschlägen, die das Umweltbundesamt Ende Februar vorstellen will. So sollen Hersteller und Händler besser über die so genannte "geplante Lebensdauer" ihrer Produkte aufklären. Also die Lebensdauer, die der Hersteller bei der Entwicklung eines Produktes zugrunde legt. Bei Geräten, die mehr als 500 Euro kosten, muss diese Lebensdauer künftig angegeben werden. Eine ähnliche Regelung könnte sich Ines Oehme auch für Deutschland vorstellen.
    "Ich sehe als Verbraucher eben entweder bei Produkten, die in der Verpackung verkauft werden, dort die Angabe, und kann verschiedene Produkte vergleichen. Oder ich sehe es eben auf einem Aufkleber oder auf dem Energielabel. Zum Beispiel bei der Waschmaschine könnte man sich vorstellen: Der Motor ist für so und so viele Betriebsstunden ausgelegt."
    Was tatsächlich als Lebensdauer angegeben werden kann, hängt dabei immer vom Produkt ab.
    "Wir als Verbraucher denken in Jahren. Überprüfbar sind am Produkt nur Nutzungszyklen. Das heißt: Bei der Waschmaschine die Anzahl der Waschgänge. Beim Motor die Stunden, wieviel er gelaufen ist. Bei der Lampe die Stunden, wieviel sie gebrannt ist. Und je nachdem, wie wir als Verbraucher das Produkt nutzen, ergibt das dann Jahre."
    Bei bestimmten Produkten könnte der Gesetzgeber auch eine Art Mindest-Lebensdauer vorschreiben, erklärt Oehme.
    "Es gibt da auch schon erste Beispiele. Also zum Beispiel beim Staubsauger gibt es die Anforderung von 500 Stunden Motorlebensdauer. Das entspricht grob 7 bis 10 Jahren Nutzungsdauer. Je nachdem wie häufig ich den einsetze."
    Gerade bei langlebigen Produkten lassen sich die Hersteller-Angaben zu solchen Lebensdauern allerdings kaum wirksam überprüfen. Die Tests dafür würden einfach zu lange dauern und wären zu aufwendig.
    "Wenn eine Informationspflicht da ist, die aber nicht überprüfbar ist, dann ist eben die Frage: Welche Sicherheit hat eben der Verbraucher?"
    Ein Allheilmittel wären solche Pflicht-Angaben zur Lebensdauer also auch nicht – aber zumindest ein Baustein im Kampf gegen die Obsoleszenz.
    Um unnötigen Elektroschrott zu vermeiden, sollen zukünftig auch wieder mehr Geräte repariert werden. Deshalb sollen die Hersteller bei der Frage nach Ersatzteilen zukünftig ebenfalls transparent informieren.
    "Als erster Schritt ist es jedenfalls wichtig, dass Verbraucher bei Kauf auch die Information erhalten, ob für dieses Produkt Ersatzteile verfügbar sind. Wie lange diese verfügbar sind, und ob diese Ersatzteile auch für freie Werkstätten verfügbar sind."
    Letztlich muss dann der Verbraucher entscheiden, welche Produkte er kaufen möchte: Billige Produkte, mit eingeschränkter Lebensdauer – für die es womöglich nicht einmal Ersatzteile gibt. Oder doch die nachhaltige Variante mit längerer Lebensdauer und Ersatzteil-Service. – Auch wenn diese dann vielleicht etwas mehr kosten.