Donnerstag, 28. März 2024

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Geplanter US-Ausstieg vom Klimaabkommen
"Wissenschaftsleugnende Machtpolitik mit sehr kurzfristigen Ergebnissen"

Mit der Androhung von US-Präsident Trump, das Klimaabkommen aufzukündigen, haben sich die USA weiter isoliert - Klimaforscher Wolfgang Lucht sieht darin ein "Kurzfristdenken, das die Wissenschaft ignoriert". Er sagte im Deutschlandfunk, die Diskussion verlaufe in den USA zum Teil so, als ob das alles eine Frage der Meinung sei - dabei gehe es um "ein sehr ernstes Menschheitsproblem".

Wolfgang Lucht im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 31.05.2017
    Klimaforscher Wolfgang Lucht
    Klimaforscher Wolfgang Lucht (Deutschlandradio / Frederic Batier)
    Ann-Kathrin Büüsker: "So geht das nicht!" So hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker heute mögliche US-Pläne zum Aufkündigen des Klimavertrags kommentiert. Aber wäre das ganz grundsätzlich möglich? Das habe ich den Klimaforscher Wolfgang Lucht gefragt. Er arbeitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und berät die Bundesregierung im Sachverständigenrat Umweltfragen.
    Wolfgang Lucht: Ja, eine Aufkündigung des Klimaabkommens ist im Vertrag vorgesehen. Die Regel sieht so aus, dass das frühestens nach drei Jahren nach Inkrafttreten der Fall sein kann. Der Vertrag ist im November 2016, also ein Jahr, nachdem er beschlossen wurde, in Kraft getreten. Insofern können die USA frühestens austreten im November 2019. Und dann tritt der Austritt ein Jahr später in Kraft, das heißt im November 2020, sprich etwa zur nächsten Präsidentschaftswahl.
    "Kurzfristdenken, das die Wissenschaft ignoriert"
    Büüsker: Welche Auswirkungen hätte das für die internationale Klimapolitik?
    Lucht: Es setzt einfach das falsche Signal, denn es ist klar, dass es hier um eine sehr ernste Situation geht. Die Wissenschaft gibt eine klare Botschaft. Und in den USA hat man den Eindruck, dass die Diskussion in manchen Kreisen, selbst in manchen progressiven Medien ein bisschen so verläuft, als ob das alles eine Frage der Meinung, der politischen Couleur sei. Dabei geht es um ein sehr ernstes Menschheits-, um ein Zeitalter-Problem. Wir stehen vor großen Herausforderungen und müssen die aber nutzen, um mit Schwung in die Zukunft zu gehen, und das wird alles ignoriert in dieser Politik. Dieses Signal wäre fatal, wenn andere sich diesem Kurzfristdenken, das die Wissenschaft ignoriert, anschließen. Bislang sieht es zum Glück so aus, dass das aber nicht geschieht. Die meisten Staaten der Welt sind nach wie vor Mitglied im Vertrag. 195 Staaten haben ihn unterzeichnet. Das ist praktisch der gesamte Rest der Welt und im Moment ist die USA da noch isoliert.
    Büüsker: Liegt diese Skepsis, die wir zum Teil in den USA sehen, vielleicht auch ein bisschen daran, dass die USA selbst gar nicht so stark vom Klimawandel betroffen sind?
    Lucht: Auf keinen Fall! Die USA sind schon jetzt vom Klimawandel betroffen. Aber sie werden noch sehr viel stärker betroffen sein, wie überhaupt in der Welt das der Fall ist, dass der Klimawandel ja erst beginnt. Der beginnt relativ langsam, schon merklich, aber langsam, und wird aber in den nächsten Jahrzehnten sich ganz rasant noch beschleunigen. Wir würden ja gerne diesen Teil verhindern und das ist auch noch möglich. Daran kann es nicht liegen, sondern es liegt einfach daran, dass kurzfristige auch wissenschaftsleugnende, wissensleugnende Machtpolitik betrieben wird mit sehr kurzfristigen Ergebnissen. Ich bin mir relativ sicher als Erdsystem-Wissenschaftler, wenn die Wende zu einem guten Klima- und Erdsystemschutz nicht gelingt, dass dann die Zukunft zurückblicken wird und unsere Zeit wegen großer Kurzsichtigkeit schelten wird.
    "Der Rest der Welt muss jetzt mit voller Kraft auch ohne die USA vorangehen"
    Büüsker: Sie haben das Stichwort Machtpolitik genannt. Wir haben das jetzt bei der Trump-Administration schon gesehen bei diversen Handelsabkommen. Da hat Trump damit gedroht, die aufzukündigen, um dann letztendlich Neuverhandlungen zu erreichen. Wäre das auch bei einem Klimaabkommen realistisch, das noch mal neu zu verhandeln?
    Lucht: Nein, das ist nicht realistisch. Die Situation ist ja so, dass der Klimavertrag klare Ziele vorgibt, anstrebt, nämlich die Erderwärmung auf möglichst unter zwei Grad zu begrenzen, und dann haben die Staaten selbst erklärt, was sie denn tun wollen. Und die Addition dieser ganzen Selbstverpflichtungen ist noch nicht genug, um das Ziel zu erreichen. Das wird auch in dem Vertrag offen anerkannt. Deswegen gibt es eher einen Mechanismus, wie man in den nächsten Jahren schon während der Laufzeit des Vertrages über weitere Maßnahmen, weitere Verschärfungen, weitere freiwillige Zusagen verhandeln kann. Es geht aber nicht darum, etwa Dinge aufzuweichen. Natürlich: Jede Tonne CO2, die nicht emittiert wird, hilft, den Klimawandel etwas zu reduzieren. Insofern ist jeder Beitrag wichtig. Aber der Rest der Welt muss jetzt mit voller Kraft auch ohne die USA vorangehen. Auch in den USA gibt es ja erhebliche Kräfte in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, auch in manchen geographischen Regionen wie in Kalifornien und in den Großstädten, die sich sehr stark für den Klimaschutz einsetzen, und da wird sich zeigen, ob die Attraktivität der neuen Technologien gegenüber den alten Technologien aus dem letzten Jahrhundert, an denen Trump festhält, ob sich das nicht auf Dauer ohnehin als eine große Bewegung durchsetzt.
    Büüsker: Wie groß ist denn das Risiko, wenn die USA jetzt tatsächlich dieses Zeichen setzen sollten, aus dem Pariser Vertrag auszusteigen, ihn aufkündigen sollten, dass das dann Auswirkungen hat auf die Entwicklung von alternativen Energiesystemen?
    Lucht: Ja es ist schwer zu sagen. Das hängt ein bisschen von der Stimmungslage ab. Solange der Rest der Welt entschlossen ist, diese neuen Energien anzunehmen, weil sie ohnehin viele Vorteile haben und weil die Idee des Verbrennungsmotors eigentlich ein bisschen eine alte Technologie ist, die heute noch die Welt antreibt, aber sicherlich in mehreren Jahrzehnten nicht mehr. Wenn die Chancen ergriffen werden, die in einer Erneuerung unserer ganzen Infrastruktur bestehen, dass wir dann wirklich im 21. Jahrhundert ankommen mit elektrischem Antrieb, mit erneuerbaren Energien, mit einer viel demokratischeren dezentraleren Energieversorgung …
    "Es steht sehr viel auf dem Spiel, nämlich die Gesundheit des Erdsystems"
    Büüsker: Aber, Herr Lucht, wenn ich da kurz einhaken darf. Das klappt ja zum Teil noch nicht mal in Deutschland. Deutschland hängt immer noch am Verbrennungsmotor.
    Lucht: Das ist richtig. Deswegen ist auch bei uns die Aufgabe noch längst nicht gelöst. Auch wir sind nicht auf dem Weg, die Klimaziele zu erreichen. Allerdings geschieht bei uns einiges und nun müssen aber auch die Dinge klar ausgesprochen werden, und zwar nicht im Sinne von Beschränkungen und auferzwungenem Umbau, sondern von den Chancen, die darin liegen. Denn wir haben ja sehr viele Probleme. Wenn man sich anschaut, wie es in den Großstädten aussieht, dann ist das nicht nur in China und Indien so, sondern auch bei uns. Es ist klar, dass andere Mobilitätsformen attraktiv sind. Die werden nicht über Nacht vom Himmel fallen, aber man muss es als Aufgabe jetzt benennen, damit diese Transformation dann gelingen kann, und daraus wird dann die Dynamik für neue Innovation und neue Wirtschaft kommen. Aber das wird nicht geschehen, wenn die Politik zögert auszusprechen, dass das das Programm für die nächsten Jahrzehnte ist. Und dann gibt es ja auch noch Zeit, diese Märkte zu entwickeln und diese Technologien zur Reife zu bringen. Vorschläge und Ideen gibt es genug. Jetzt geht es um den Willen, das anzupacken. Und es ist ja nicht nur eine Wahl, sondern es steht sehr viel auf dem Spiel, nämlich die Gesundheit des Erdsystems. Wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird, wird die Erde überhaupt nicht mehr so aussehen, wie wir sie heute kennen, und das wird gigantische Folgen haben.
    Büüsker: … sagt Wolfgang Lucht, Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.