Remme: Der FDP-Politiker Walter Döring. - Nun ist nicht jeder Wähler Kleinanleger, aber jeder Kleinanleger ist auch Wähler und in diesem Zusammenhang liegt die Vermutung nahe, der Kanzler und seine Partei, die SPD, wollten aus dem Unmut Nutzen ziehen. Am Telefon ist jetzt Klaus Barthel von der SPD. Er ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Telekommunikation und Post. Guten Morgen Herr Barthel!
Barthel: Guten Morgen, Herr Remme.
Remme: Herr Barthel, um das vorab zu klären: Sind Sie Telekom-Aktionär?
Barthel: Nein!
Remme: Dann haben Sie Glück gehabt?
Barthel: Ja, aber das hat nichts damit zu tun. Man muss sich eben von Interessen und Verpflichtungen frei halten.
Remme: Ron Sommer ein politisches Bauernopfer, Herr Barthel? Können Sie diese Vermutung überzeugend entkräften?
Barthel: Jeder der sich jetzt an der Diskussion beteiligt, muss mal wieder auf den Boden der Tatsachen herunter kommen. Die Telekom ist kein Sanierungsfall. Wir haben es mit einer Entwicklung in der ganzen Branche zu tun, wo viele wesentlich schlechter da stehen, wo es Tendenzen zunehmend auf den Finanzmärkten gibt, die Taschen zuzuhalten. Das was früher völlig übertriebene Erwartungen waren, als die Kurse in die Höhe geschnellt sind, das ist heute genau ins Gegenteil umgeschlagen, eine sehr gefährliche Entwicklung, aber die hat eigentlich nichts zu tun mit der deutschen Telekom und der Arbeit des Vorstands.
Remme: Noch einmal die Frage, Herr Barthel: Opfert die SPD Ron Sommer als politisches Bauernopfer?
Barthel: Es geht nicht darum, ob die SPD irgend jemand opfert. Ich glaube alle, die dort mitdiskutieren, müssen sich mal daran erinnern, dass sich die deutsche Telekom mit Mehrheit, mit ungefähr 57 Prozent ihrer Aktien, in privaten Händen befindet, dass der Bund eigentlich nur noch sozusagen Restbestände von Aktien hält, eigentlich wider Willen, weil er sie im Moment nicht platzieren kann, und dass die Branche von den Marktgesetzen bestimmt wird und dass innerhalb des Unternehmens selbst der Aufsichtsrat und der Vorstand die Verantwortung tragen und nicht die Bundesregierung.
Remme: Aber streiten Sie ab, dass die Bundesregierung die Diskussion der vergangenen Wochen ganz maßgeblich beeinflusst hat?
Barthel: Die Bundesregierung hat sich eben an dieser ganzen Diskussion nicht beteiligt, sondern sie ist von der Opposition losgetreten worden, um eben damit Wahlkampf zu führen. Das komische ist ja, dass die Kritik völlig widersprüchlich ist. Auf der einen Seite wird gesagt, der Bundeskanzler müsste endlich handeln; auf der anderen Seite wird ihm vorgeworfen, er mische sich dort ein. Zur Kenntnis nehmen muss man - und da muss man einfach nur mal in die Gesetze hineinschauen -, dass in einer Aktiengesellschaft selbst für den Hauptaktionär keine direkten Durchgriffsmöglichkeiten vorhanden sind. Das ist eben politischer Wille, dass sich ein Unternehmen frei von politischem Einfluss entwickeln kann.
Remme: Herr Barthel, noch zur letzten Hauptversammlung vor einigen Monaten in Köln hat Schröder Sommer den Rücken gestärkt. Er habe gute Arbeit geleistet heißt es. Jetzt flüchtet er geradezu vor Kameras und Mikrophonen, wenn er nach Sommer gefragt wird. Wo ist denn da die klare Linie?
Barthel: Er will sich eben in diese Personaldiskussion nicht einschalten und ich halte das für richtig, weil es eben nicht mehr so ist wie früher bei der guten alten Bundespost, dass der Bund dort über eine hoheitliche Verwaltung verfügt, wo er einfach eingreift, sondern wo es ganz komplizierte Mechanismen gibt - das sehen wir ja jetzt auch - und wo eben der Bundeskanzler selbst wenn er wollte keinen direkten Einfluss nehmen könnte.
Remme: Dann frage ich Sie als Vorsitzenden im Ausschuss für Telekommunikation: Rechtfertigt denn die Situation bei der deutschen Telekom eine Abberufung des Vorstandsvorsitzenden?
Barthel: Das müssen die entscheiden, die in den Gremien sitzen. Ich habe noch nicht so die gravierende Kritik an Herrn Sommer und an der Politik des Vorstands gehört. Alles was da so herumgeistert in der Diskussion, das sind ja Dinge, die früher allgemein gut geheißen worden sind. Solange das alles gelaufen ist und die Kurse in der Höhe waren, war alles richtig: sei es der Wallstreet-Deal, sei es die UMTS-Ersteigerung. Die Kritik hat nicht so viel Substanz, dass Herr Sommer unbedingt ausgewechselt werden müsste. Das Problem ist nur, dass sich eine völlig andere Diskussion jetzt entwickelt hat durch die politische Opposition, die offensichtlich in den letzten Jahren im falschen Film gesessen ist, weil sie nicht mitbekommen hat, dass wir ein privatisiertes Unternehmen haben, und die selbst Verantwortung dafür trägt durch ihre Diskussion zum Beispiel über Regulierung, wo immer behauptet worden ist, der Bund vertrete hier nur die Interessen als Hauptaktionär, oder die selbst daran beteiligt waren, in den USA den Wallstreet-Deal kaputt zu reden. Die müssen sich zurückhalten und gerade die großen Kritiker von heute tragen eine erhebliche Mitverantwortung an der Situation, die sie jetzt selbst beklagen.
Remme: Herr Barthel, finden Sie es richtig, wenn die Bundesregierung mit ihren Stimmen im Aufsichtsrat auch vor dem Hintergrund dieser vom Wahlkampf bestimmten Diskussion einen SPD-Genossen als Nachfolger unterstützen würde?
Barthel: Ich will mal umgekehrt fragen: Ist denn die Mitgliedschaft in der SPD ein Hinderungsgrund für eine führende Position in der Wirtschaft? - Wenn wir uns auch in früheren bundeseigenen Betrieben umschauen, werden wir ganz wenig Menschen, die der SPD nahe stehen. Da hat es nie eine Rolle gespielt, ob die Mitglieder von welcher Partei auch immer sind. Da könnten wir einige Namen nennen. Jetzt plötzlich soll es für Herrn Tenzer ein Hindernis sein. Nur weil er SPD-Mitglied ist, wird das plötzlich in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Das disqualifiziert ihn in keiner Weise.
Remme: Ron Sommer will sich angeblich morgen auf der Aufsichtsratssitzung selbst verteidigen. Er kämpft um seinen Ruf. Hat er sich während dieser Diskussion in den vergangenen Wochen um seine Person selbst etwas vorzuwerfen?
Barthel: Ich halte es für legitim, dass er um seine Position kämpft, dass er auch seine Arbeit und seine Erfolge darstellen will, die auch nicht zu leugnen sind. Ich hätte ihm nur geraten, in den letzten Wochen dies nicht in der Weise öffentlich zu tun, wie er das getan hat, sondern auch in den dafür zuständigen Gremien.
Remme: Noch zum Schluss ein Blick auf den Aktienkurs. Wer auch immer die Diskussion angestoßen hat, die Ablösung sollte ein Befreiungsschlag werden. Die Kurserholung in der vergangenen Woche war ja eindeutig auf die Hoffnung auf einen neuen Mann motiviert worden. Kann so ein Befreiungsschlag nach diesem Hickhack noch wirken?
Barthel: Ich halte davon nichts, Aktienentwicklungen oder Unternehmenszukunft an einer Personalie festzumachen. Die Entwicklung an den Börsen gerade in der Telekommunikationsbranche trägt für mich hysterische Züge. Sie hat nichts mehr zu tun mit dem tatsächlichen Potenzial, das in den Unternehmen dieser Branche drin steht. Sie hat nichts zu tun mit den Chancen auch der deutschen Telekom, die eigentlich insgesamt gut aufgestellt ist. Diese Hysterie ist gefährlich für das Unternehmen. Es wird so getan, als müsse man irgendwie sanieren oder das Unternehmen zerschlagen oder das Steuer herumreißen. Davon kann überhaupt nicht die Rede sein und erst recht hängt das nicht an einer Person, sondern an der Strategie eines Unternehmens, die vom gesamten Vorstand, aber auch vom Aufsichtsrat bisher verantwortet worden ist und die so verkehrt nicht war.
Remme: Klaus Barthel war das, Ausschussvorsitzender im Ausschuss für Telekommunikation und Post des Bundestages. - Herr Barthel, ich bedanke mich für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio