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Gerhard Schröders Besuch in Österreich

Gerner: Erstmals seit Verhängung der EU-Sanktionen gegen Österreich und deren Aufhebung im September vergangenen Jahres besucht Bundeskanzler Gerhard Schröder heute in Wien seinen österreichischen Amtskollegen Wolfgang Schüssel. Ein Besuch, der als Rückkehr zur Normalität gedacht ist, dessen einzelne Programmpunkte allerdings Interpretationsspielräume offen lassen. Am Telefon jetzt dazu Dr. Michael Spindelegger, außenpolitischer Sprecher der ÖVP, der Regierungspartei von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Schönen guten Morgen!

    Spindelegger: Schönen guten Morgen nach Köln.

    Gerner: Herr Spindelegger, die bilateralen Kontakte zwischen beiden Ländern waren ja monatelang auf Eis. Der österreichische Botschafter in Deutschland war ja monatelang eine Unperson, die man nicht einladen durfte, als ob die Gefahr einer ansteckenden Krankheit bestünde. Ist das alles vergessen?

    Spindelegger: Ich würde sagen es ist nicht vergessen, aber wir sind sehr daran interessiert, dass es auch zwischen Österreich und Deutschland so wie zwischen den Bürgern beider Länder wieder normale politische Verhältnisse gibt.

    Gerner: Wenn Sie sagen es ist nicht alles vergessen, dann sagen Sie uns doch was nachwirkt?

    Spindelegger: Wir haben schon registriert, dass im letzten Jahr bei Verhängung der Sanktionen gegen Österreich der deutsche Bundeskanzler eine unterstützende Rolle gespielt hat und nicht eine Rolle, die dem neutral gegenüber gestanden wäre.

    Gerner: Würden Sie sagen, Deutschland hat sich durch den Antreiber Frankreich, durch den Antreiber des Österreich-Boykotts zu leichtfertig leiten lassen oder wo sehen Sie die Ursachen?

    Spindelegger: Ich denke, dass einige Politiker in Deutschland sich vielleicht haben leiten lassen. Ich habe auch andere Kontakte gehabt und hatte den Eindruck, dass eine Reihe von auch Verantwortlichen im Bundestag nicht nur von der CDU diesen Schritt nicht positiv gesehen haben. Ich denke, das war doch eine Phase, wo auch die sozialistische Internationale eine Rolle gespielt hat. Wir wollen das jetzt ganz gerne in den Hintergrund drängen, weil wir daran interessiert sind, nach vorne zu blicken, um das gute Verhältnis, das es immer zwischen Österreich und Deutschland gegeben hat, damit nicht zu belasten.

    Gerner: Und die Lehren aus diesem ganzen Sanktions-Hickhack?

    Spindelegger: Die Lehren die wir daraus ziehen sind, dass es jetzt Gott sei Dank eine Neuregelung im europäischen Vertrag gibt, der so etwas nicht wieder vorkommen lässt. Das finde ich positiv. Ich glaube, dass alle daraus gelernt haben, dass man auch demokratisch zu Stande gekommene Wahlergebnisse respektieren muss, ganz gleich wo sie sind und ob sie einem gefallen oder nicht, und dass man sich bei jedem Land zunächst einmal selbst informieren muss, bevor man vorschnell über ein Wochenende irgendwelche Hüftschüsse veranstaltet.

    Gerner: Nun sind ja in Italiens neuer Regierung Parteien und auch Politiker vertreten, die weit mehr als Jörg Haider für Fremdenfeindlichkeit stehen. Die EU hat da gar nicht erst an Sanktionen gedacht. Wird dort mit zweierlei Maß gemessen?

    Spindelegger: Wir hoffen bei einer positiven Interpretation, dass man aus dem Fall Österreich gelernt hat und dass man deshalb in Italien anders vorgegangen ist. Das wäre aus unserer Sicht der positive Ansatz, wenn man diese unterschiedliche Behandlung sieht. Alles andere wäre für uns nicht verständlich.

    Gerner: Aber nehmen wir mal das Argument, das ins Feld geführt wird. Es wird nämlich gesagt, Italien ist größer und ein Gründungsmitglied der EU. Das heißt ja im Umkehrschluss: Wenn Jörg Haider theoretisch in einer Koalition in Italien wäre, auch zu Zeitpunkt der Österreich-Wahl von damals, dann hätte es keine Sanktionen gegen Italien gegeben. Ärgert Sie das nicht?

    Spindelegger: Wie soll ich es Ihnen sagen? Ärger hat in der Politik nichts verloren. Wir haben auch schon in Österreich darüber eine Diskussion gehabt, warum bei Italien die Sache völlig anders gelaufen ist. Aber für uns ist entscheidend, dass in der europäischen Entwicklung solche Prozesse wie das letztes Jahr bei Österreich passiert ist keinen Platz mehr haben. Darum haben wir uns darauf verständigt, dass wir das in einem positiven Sinn betrachten und meinen, diese Art der Sanktionspolitik gegen Österreich darf keine Zukunft haben.

    Gerner: Gerhard Schröder trifft jetzt in Wien auch mit Politikern der ÖVP zusammen. Allerdings lehnt er jeglichen Kontakt mit FPÖ-Ministern ab. Im Grunde akzeptiert er die österreichische Regierung ja nur teilweise. Können Sie damit leben?

    Spindelegger: Wir müssen damit leben, weil jeder Staats- und Regierungschef, der nach Österreich kommt, auch seine Wünsche seines Programms betreffend äußern kann. Wir nehmen das natürlich zur Kenntnis.

    Gerner: Etwas verbittert zur Kenntnis nehme ich an?

    Spindelegger: Auch Verbitterung soll in der Außenpolitik und in den Beziehungen zu einem Nachbarland keinen Platz haben. Wir denken, er muss selbst entscheiden, ob er diesen Schritt, den er damals gesetzt hat, nicht auch heute anders setzen würde. Ich denke, jeder Politiker wäre gut beraten, wenn er mit einer gewissen Offenheit in die Zukunft geht und hier auch Dinge aus der Vergangenheit einfach vergessen macht.

    Gerner: Jörg Haider hat ja über Gerhard Schröder geurteilt, er sei ein Trottel und ein Langsamdenker. Das hört man ja immer wieder, dass Haider als diplomatischer Störfaktor auftritt. Wie kann man das entschärfen?

    Spindelegger: Nun das kann nur Jörg Haider selbst entschärfen. Ich möchte mich absolut distanzieren von solchen Äußerungen.

    Gerner: Sie sind ja die größere Partei in der Regierung und hätten möglicherweise Einfluss darauf?

    Spindelegger: Natürlich und dieser Einfluss wird auch geltend gemacht, aber Jörg Haider ist ja kein Mitglied der Bundesregierung. Sie werden so eine Äußerung auch von keinem Mitglied der FPÖ in der Bundesregierung gehört haben. Ich denke daher, dass auch innerhalb der FPÖ hier ein Prozess begonnen hat, dass man solche Art von Äußerungen und auch eine solche Vorgangsweise gegenüber einem anderen Staats- oder Regierungschef verurteilt, dass so etwas nicht wieder vorkommt.

    Gerner: Die drei Weisen, die damals mit ihrem Bericht dafür verantwortlich waren, dass die Sanktionen gegen Österreich aufgehoben wurden, haben ja in ihrem Bericht eine weitere Überprüfung der FPÖ von Jörg Haider empfohlen. Inwiefern findet die denn zur Zeit statt?

    Spindelegger: Das müssen Sie die drei Weisen fragen. Wir stehen für alles offen. Wir stehen für jede Information in Österreich offen. Aber ich würde auch meinen, dass man im normalen tagespolitischen Geschehen einzelne Äußerungen, die es da und dort von Parteienvertretern gibt, nicht überbewerten sollte.

    Gerner: Das war Michael Spindelegger, außenpolitischer Sprecher der ÖVP, der Regierungspartei von Wolfgang Schüssel, aus Anlas des Besuches von Gerhard Schröder heute in Wien. - Danke für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio