
Deutschland steht, was die Jugendarbeitslosigkeit angeht, im internationalen Vergleich sehr gut da. Nur 8,8 Prozent der jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren hierzulande sind sogenannte "NEETS", das heißt, sie sind weder in Ausbildung noch in Arbeit. Im OECD-Schnitt liegt ihr Anteil bei 14,6 Prozent, in Ländern wie Spanien oder Griechenland noch viel höher. Doch Deutschland hat in den Augen der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, dennoch ein Problem. In der Bildungsrepublik Deutschland ist der Anteil der Geringqualifizierten seit Jahren nicht zurückgegangen. Oder anders ausgedrückt: Der Anteil an Menschen ohne Sekundarabschluss II. – das heißt, ohne Abitur und ohne Berufsausbildung – ist bei jungen Menschen heute nicht niedriger als bei der Generation ihrer Eltern.
"Der Trend im OECD-Durchschnitt geht ganz klar zu immer höherer Ausbildung. In Deutschland ist der Anteil von Menschen, die keinen Sekundar II-Abschluss haben, das heißt, kein Abitur und keinen Ausbildungsabschluss, noch immer bei 13 Prozent, und dieser Anteil hat sich in den letzten Jahren nicht sehr stark verändert."
"Der Trend im OECD-Durchschnitt geht ganz klar zu immer höherer Ausbildung. In Deutschland ist der Anteil von Menschen, die keinen Sekundar II-Abschluss haben, das heißt, kein Abitur und keinen Ausbildungsabschluss, noch immer bei 13 Prozent, und dieser Anteil hat sich in den letzten Jahren nicht sehr stark verändert."
Geringqualifizierte haben es besonders schwer
Erklärt Raphaela Hyee, OECD-Referentin für Sozialpolitik. Länder wie Österreich oder die Schweiz stehen deutlich besser da: Mit nur zehn beziehungsweise neun Prozent Schulabgänger ohne Sek-II-Abschluss. Die Zahlen stammen aus der Studie "Gesellschaft auf einen Blick", die die OECD alle zwei Jahre veröffentlicht – dieses Mal mit einem Schwerpunkt auf Jugendarbeitslosigkeit und geringqualifizierte Jugendliche. Junge Menschen ohne höheren Schulabschluss und Berufsausbildung haben es besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt. Unter den Männern sind nur zwei Drittel erwerbstätig – gegenüber 86 Prozent ihrer Altersgenossen mit Abschluss – bei den geringqualifizierten jungen Frauen ist der Beschäftigungsanteil noch geringer. Und selbst wenn sie einen Job haben, ist der meist nur von kurzer Dauer, erläutert Silke Berlin, langjährige Jobvermittlerin im Jobcenter Marzahn-Hellersdorf.
"Man sieht immer an den Erwerbsbiografien, dass die, wenn Beschäftigung aufgenommen wird, die sehr unstetig sind. Das ist immer so, wer am schlechtesten qualifiziert ist, der Arbeitgeber sich am ehesten von diesem trennt. Deswegen ist eine Ausbildung das A und O, um in Beschäftigung einzumünden."
"Man sieht immer an den Erwerbsbiografien, dass die, wenn Beschäftigung aufgenommen wird, die sehr unstetig sind. Das ist immer so, wer am schlechtesten qualifiziert ist, der Arbeitgeber sich am ehesten von diesem trennt. Deswegen ist eine Ausbildung das A und O, um in Beschäftigung einzumünden."
Besonders dramatisch: Unter den geringqualifizierten arbeitslosen Jugendlichen ist Resignation und Rückzug besonders hoch. Laut OECD-Studie sind zwei Drittel von ihnen inaktiv auf dem Arbeitsmarkt – das heißt, dass sie noch nicht mal versuchen, einen Job zu finden. Wer auf eine lange Schulversagerkarriere zurückblicke, dem fehle oft das Selbstvertrauen für Bewerbungen.
"Wir müssen ja auch daran denken, dass sich viele sehr lange vom Arbeitsmarkt entfernt haben. Ja, oft sind das die, die ihre Berufsausbildung entweder abgebrochen haben seinerzeit. Es sind häufig natürlich auch Frauen, die aus Gründen der Kindererziehung den Abschluss nicht fertiggemacht haben, und wenn das Kind dann da war, den Einstieg nicht mehr gefunden haben, die Ausbildung fortzusetzen oder gar noch mal neu zu beginnen."
Elternhaus bestimmt den Schulerfolg
Zu den Gründen, warum Deutschland die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung und Abschluss nicht drücken konnte, sagt die Studie allerdings wenig – außer dass das Elternhaus in Deutschland weiterhin maßgeblich den Schulerfolg der Kinder bestimmt. 37 Prozent aller Kinder von Eltern ohne Sek-II-Abschluss verlassen die Schule ebenfalls ohne höheren Abschluss – aber nur fünf Prozent der Akademikerkinder. Eltern ohne Bildung können ihre Kinder nicht so gut in der Schule unterstützen – das ist das eine. Aber entscheidend sei auch, ob die Eltern Arbeit haben oder nicht, so die OECD.
"Die Schulabbrecherquote von jungen Menschen in Deutschland, bei denen, als sie 15 Jahren, mindestens ein Elternteil gearbeitet hat, von denen verlassen etwa zehn Prozent die Schule ohne Sek-II-Abschluss. Wenn beide Eltern, als das Kind 15 Jahr, nicht gearbeitet haben, sind es über 20 Prozent. Das funktioniert wahrscheinlich über das Einkommen. Das bedeutet, dass Kinder mit niedrigeren Einkommen haben es schwerer, einen Abschluss zu erreichen."
Auch junge Menschen mit Migrationshintergrund sind stärker gefährdet. Der Abstand zwischen Migranten und Nicht-Migranten ist in Deutschland allerdings geringer als in den meisten anderen OECD-Ländern. Dafür sind die regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands hoch: In Nordrhein-Westfalen etwa ist der Anteil geringqualifizierter junger Menschen doppelt so hoch wie in Bayern.