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Gertz befürwortet Verlängerung von "Enduring Freedom"

Elke Durak: Der Bundestag entscheidet heute über die weitere Beteiligung der Bundeswehr am internationalen Anti-Terror-Einsatz besser bekannt unter dem Namen und dem Mandat enduring freedom. Bisher sind eigentlich 3.900 Soldaten dafür vorgesehen, ihre Zahl soll sinken. Das mag stutzig machen, denn wir befinden uns ja noch immer im Kampf gegen internationale Terroristen. Werden unsere Soldaten nicht mehr gebraucht oder eher anderswo gebraucht, vor allem, wenn wir in den Nachrichten nochmal gehört haben, dass nicht einmal 3.900 eingesetzt sind. Am Telefon ist Oberst Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Wie sehen Sie das, werden unsere Soldaten nicht mehr oder anderswo gebraucht?

    Bernhard Gertz: Sie werden zurzeit nur in Teilen gebraucht, was dieses Kontingent angeht und die Differenz zwischen 3.900 und 3.100 erklärt sich daraus, dass insbesondere die ABC-Abwehrkräfte für und in Kuwait nicht mehr benötigt werden. Auch die Amerikaner haben dort keine mehr. Dadurch hat die Bundesregierung den Rahmen etwas kleiner ziehen können. Es besteht aber jederzeit die Möglichkeit, dass je nach Entwicklung der Lage beispielsweise die Überwachung des Seeraums am Horn von Afrika, Mittelmeer und in der Straße von Gibraltar wieder intensiviert werden muss. Deswegen ist es richtig und vernünftig, den Rahmen mit 3.100 zu ziehen.

    Durak: Der Bundestag muss immer wieder entscheiden, ob nicht endlich aus Sicht der Soldaten Zeit ist, ein ordentliches Entsendegesetz im Parlament zu beschließen.

    Gertz: Ich halte das für unabdingbar notwendig. Es gibt ja mittlerweile eine Reihe von Vorschlägen für ein sogenanntes Parlamentsbeteiligungs- oder Entsendegesetz. Ich hätte es lieber gesehen, wir hätten all diese Ansätze in einem Bundeswehraufgabengesetz geregelt, das wir nach wie vor nicht haben. Jede Polizei jedes Bundeslandes hat ein Polizeiaufgabengesetz, für die Bundeswehr kennen wir so etwas nicht. Das führt dann zu dem skurrilen Ergebnis, dass der Auftrag der Bundeswehr in verteidigungspolitischen Richtlinien definiert wird, die alleine der Verteidigungsminister erlässt, die nicht mal die Bundesregierung zustimmend zur Kenntnis nimmt, geschweige denn der deutsche Bundestag. Darum muss das Parlament noch mal nachdenken, wenn sie wollen, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee bleibt. Aber das Parlamentsbeteiligungsgesetz ist unabdingbar notwendig, damit wir beispielsweise Vorbereitungshandlungen so legalisieren, dass ein Vorkommando rechtzeitig entsandt werden kann, um zu prüfen, ob ein Einsatz überhaupt Sinn macht. Wenn wir das nicht können – und in der Vergangenheit konnten wir das nicht – dann sind wir immer die letzten, die im Einsatzland ankommen, dann haben die anderen die Lande-, Überflugrechte und die bewohnbaren Unterkünfte unter sich aufgeteilt und wir müssen dann auch mit Rückwirkung auf die Sicherheit unserer Soldaten immer erst anfangen, uns einigermaßen so einzurichten, dass wir unsere Soldaten auch schützen können. Deswegen ist es unabdingbar, bestimmte, ganz konkrete Tatbestände zu regeln, ohne dabei den Weg von einer Parlamentsarmee zu einer Regierungsarmee zurückzulegen.

    Durak: Das sind also Ihre Erwartungen, die der Soldaten an die Politik und die Parlamentarier, die ja Auftraggeber sind.

    Gertz: Korrekt. Wir sollten eine Parlamentsarmee bleiben. Es ist für Soldaten absolut unabdingbar, dass dann, wenn sie in einen Einsatz geschickt werden, dass dann das Parlament hinter ihnen steht und nicht beispielsweise, was ja auch möglich wäre, eine Minderheitsregierung deutsche Soldaten gegen den Willen des Parlaments entsendet. Das ist eine ausgesprochen unangenehme Situation. Ich erinnere mich gut, dass unsere Soldaten Ende 1993, Anfang 1994 in Somalia ware, während sich gleichzeitig die Parteien des Bundestages sich vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber stritten, ob dieser Einsatz denn verfassungsgemäß ist. Das sollte man seinen Soldaten nicht antun.

    Durak: Der Bundestag entscheidet über enduring freedom, nicht über Afghanistan, sprechen wir dennoch darüber. Nachdem sich der UNO-Sicherheitsrat dort selbst informiert hat, stellt ein Botschafter fest, der Einsatz der Bundeswehr reiche keineswegs aus, um dort die erforderliche Sicherheit für den Wiederaufbau zu gewährleisten. Was für eine Erkenntnis ist das, hieße das für unsere Soldaten eine größere Gefährdung?

    Gertz: Das ist keine Überraschung, denn natürlich ist das, was in Afghanistan bisher gelaufen ist in gewisser Weise Stückwerk. Der Kampf gegen den Terror in Ostafghanistan ist von den Amerikanern spätestens ab Beginn des Irakkrieges nicht mehr mit der Intensität geführt worden wie vorher und im Übrigen ist im Land kaum etwas getan, um die Einflussmöglichkeiten der Regierung Karsai zu erweitern. Ich glaube, es ist nicht der Weg, noch mehr Soldaten zu schicken, der richtige Weg ist, die Regierung Karsai in die Lage zu versetzen, eigene Kräfte, Polizei, Grenzpolizei und Armee aufzustellen in einem rascheren Tempo. Das setzt voraus, dass die beteiligten Nationen die Ausbildung intensivieren und beschleunigen und dass die Geberländer, die für die Bezahlung dieser Kräfte sorgen auch entsprechend Geld bereitstellen. Das halte ich für den besten Weg. Zum Beispiel die Kontrolle des Drogenanbaus durch eine handvoll deutscher Soldaten in einem Gebiet von 88.000 Quadratkilometern ist ein völlig aussichtsloses Unterfangen. Trotzdem muss das Problem in den Griff gebracht werden. Das kann nur die Regierung Karsai und man muss ihr dazu die Möglichkeiten geben.

    Durak: Oberst Bernhard Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, vielen Dank für das Gespräch.