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Gerüstet für den Ernstfall

17 vielfach kombinierbare Sicherheitssysteme stehen zur Verfügung. Einfache Lösungen fangen bei 500 Euro pro Klassenzimmer an. Optimale Systeme können bis zu 2000 Euro kosten. Die technischen Möglichkeiten sind da. Was noch immer fehlt, sind klare bauliche Vorschriften für den Amokfall an Schulen.

Von Katrin Sanders |
    Nicht alles, was technisch möglich ist, ist für jede Schule sinnvoll. Das sagen Sicherheitsexperten der Polizei und auch der Industrie: Bernd Ammelung, Leiter des Fachkreises Amokschutz an Schulen im Zentralverband der Elektroindustrie schlägt für die einzelne Schule vielmehr ein abgestimmtes Sicherheitskonzept vor,

    "welches zunächst mal eine Risikoanalyse definiert, wo stehe ich überhaupt mit meiner Schule, welche Risiken habe ich, und wie hoch ist die Eintrittwahrscheinlichkeit dieser Risiken. Und am Ende kommt heraus: Schutzbedarf 1,2 oder 3."

    Zu welcher Risikogruppe die Schule gehört, lasse sich anhand von zahlreichen - objektiven und subjektiven – Einzelkriterien ermitteln. Gefragt wird da etwa: Wie gut das soziale Miteinander ist, wie übersichtlich die Gebäude sind, ob es dunkle Zonen gibt oder viel Bewegung im Schulalltag? 17 technische Systeme stehen dann, je nach Schutzbedarf vielfach kombinierbar zur Verfügung: Sie sorgen dafür, dass die Bedrohung erkannt wird, dass ein Alarm ausgelöst und die richtige Hilfe von außen erfolgen kann. Zum Beispiel so:

    "Ein Alarm wird ausgelöst, wo der Amokläufer gerade ist, entweder durch Brechen der Glasscheibe und Drücken der Amoktaste oder durch einen Funkfinger, den vielleicht der Lehrer immer bei sich trägt."

    Aktuell stattet Baden-Württemberg alle öffentlichen Schulen mit Funkempfängern (sogenannten Pagern) aus. In akuten Krisensituationen kann die Polizei oder ein Krisenstab des Ministeriums mittels dieser Pager schnell eine Warnmeldungen an die Schulleitungen übermitteln.
    An den meisten Schulen bundesweit ist ein vereinbarter Signalton Standard, mit dem die Schulgemeinschaft gewarnt wird. Ob dieser Ton nur dem Kollegium oder allen Schülerinnen und Schülern bekannt sein sollte, schon darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. Die Sicherheitstechniker der Industrie finden klare Sprachdurchsagen besser: Denn man tut, was einem gesagt wird: sich einschließen, unter die Tische krabbeln, sich ruhig verhalten, die Handys an aber auf lautlos stellen und auf Hilfe warten. So wird es auch an vielen Schulen in NRW geprobt. Beatrix Görtner ist Leiterin des Büchner-Gymnasiums in Köln.

    "Wir haben auch einen Notfallordner, -planer aus dem Schulministerium. Die Polizei hat einen Objektplan erstelle, damit sie sich im Ernstfall im Gebäude nicht verläuft."

    Während in der Schule, die vereinbarten Verhaltensregeln ablaufen, ist der Alarm zeitgleich bei einer ständig besetzten Stelle angekommen. Optimal sind an diesem Punkt der Bedrohung Dialogsysteme, wie Gegensprech- oder Wechselsprechanlagen. Denn die alarmierte Leitstelle muss in die Schule hineinhören können, damit die richtige Hilfe eingeleitet werden kann. Schulen im Raum Frankfurt werden zurzeit flächendeckend auf Dialogsysteme umgerüstet. Beim technischen Amokschutz im Vorteil sind Schulen, die bereits Netzwerkanschlüsse haben – deren Klassenzimmer also mit einer "intelligenten" PC-Anlage verbunden sind. Die kann – entsprechend aufgerüstet - im Ernstfall Klassenzimmer oder Etagentüren zentral verriegeln, das Gebäude per Video einsehen oder eine zentrale Eingangskontrolle aller Personen, die die Schule betreten, ermöglichen. In jedem Fall sind die Netzwerksysteme dialogfähig, lassen also Rücksprache zu. Einfache Lösungen für Schulen, die ihr Risiko gering einschätzen, fangen bei 500 Euro pro Klassenzimmer an. Optimale Systeme können auch bis 2000 Euro pro Klasse kosten. Die technischen Möglichkeiten sind da. Was fehlt sind noch immer klare bauliche Vorschriften für den Amokfall an Schulen.