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Gesamtmetall-Präsident mahnt zur Einigung im Tarifstreit

Nach den Worten von Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser werden im Falle eines ungünstigen Tarifabschlusses für die Metall- und Elektro-Unternehmen Stellen abgebaut. "Arbeitsplätze werden verschwinden, wenn wir keine vernünftigen Ergebnisse finden", sagte Kannegiesser angesichts der laufenden Tarifverhandlungen. Beide Seiten müssten aufeinander zu gehen und von ihren Maximalforderungen abrücken.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Nach dem öffentlichen Dienst droht nun auch in der Metallindustrie ein unbefristeter Streik. Die Gewerkschaft fordert 5 Prozent mehr Lohn. Die Arbeitgeber haben bislang 1,2 Prozent geboten. Das ist nicht alles. Es ist aber der Kern des Tarifkonflikts, über den ab dieser Woche noch einmal verhandelt wird. Wenn es keine Einigung gibt, dann wollen die Arbeitnehmer streiken.

    Am Telefon ist der oberste Metallarbeitgeber, Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Guten Morgen, Herr Kannegiesser!

    Martin Kannegiesser: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Ihr Verhandlungsführer in Nordrhein-Westfalen, Martin Jäger, hat jetzt gesagt, am Ende werde wohl ein Ergebnis oberhalb der Zahl 2 herauskommen. Ist das ein Angebot für die gesamte Branche?

    Kannegiesser: Wir werden in den Verhandlungen jetzt ja aufeinander zugehen müssen. Das ist der Sinn. Die IG Metall wird nicht bei 5 Prozent, was die Lohnzahl anbelangt, stehen bleiben können. und Aufeinander-Zu-Gehen, kann für uns natürlich auch nicht heißen, bei 1,8 Prozent, also 1,2 plus 0,6, stehen zu bleiben. Wir werden uns also nicht Richtung 1 entwickeln – das ist klar -, sondern in Richtung 2. Das ist logisch. Ob und wo man sich dann treffen kann, das werden die Verhandlungen zeigen. Es liegen etliche Bausteine jetzt auf dem Tisch aus den letzten Wochen, und beide Parteien müssen jetzt versuchen, daraus ein Ergebnis zu zimmern oder eben auch nicht.

    Heuer: Bei den 0,6 Prozent, die Sie erwähnt haben, Herr Kannegiesser, würde ich gerne noch mal nachhaken. Damit meinen Sie sicher die Einmalzahlungen, die die Arbeitgeber angeboten haben. Was heißt, wenn man diese 0,6 bedenkt, eigentlich oberhalb der Zahl 2 könnte ein Ergebnis herauskommen? Heißt das wirklich eine Lohnsteigerung von über 2 Prozent, oder verrechnen Sie da diese Einmalzahlungen irgendwie mit?

    Kannegiesser: Nein. Wir haben ja ein unterteiltes Angebot gemacht in einen prozentualen Teil, der in die so genannte Entgelttabelle eingeht und damit für die Betriebe kostenwirksam wird für alle Zeiten und für die Arbeitnehmer immer wieder automatisch die Grundlage für weitere Einkommensentwicklungen ist, während die konjunkturelle Komponente widerspiegeln soll die konjunkturelle Entwicklung, die natürlich schwankt und über die jedes Mal in jeder Runde erneut gesprochen werden muss über die Höhe. Für den Arbeitnehmer macht das im finanziellen Ergebnis zunächst und für die jeweilige Runde keinen Unterschied.

    Heuer: Aber bei den Renten macht das für den Arbeitnehmer ja einen Unterschied. Wieso erhöhen Sie dann nicht einfach Ihr Lohnangebot? Dann wären doch alle zufrieden.

    Kannegiesser: Wir erhöhen ja. Das Angebot besteht aus den zwei Teilen und wir erhöhen es deshalb in diesen beiden Komponenten, weil die konjunkturelle Entwicklung eben sehr stark schwankt und weil die Entwicklung in den Betrieben sehr unterschiedlich ist. Die Betriebe alle mit derselben Lohnzahl treffen zu wollen, alle 80 Sparten mit ihren unterschiedlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten, das ist schlechthin nicht mehr möglich. Um aber trotzdem alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Einkommen weiterzuentwickeln für unsere Arbeitnehmer, haben wir gesagt, das kann man nur, indem man neben der prozentualen Erhöhung eine Einmalerhöhung hat.

    Heuer: Die Arbeitgeber bieten nun also an ungefähr 2 Prozent inklusive Einmalzahlungen. Die IG Metall forderte zuletzt eine deutliche 3 vor dem Komma. Auch das ist im Gespräch, allerdings ohne Einmalzahlungen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie sich mit der Gewerkschaft einigen können?

    Kannegiesser: Das wird natürlich schwierig, zumal es ja auch andere Themen zu lösen gibt neben diesen reinen Lohnzahlen, die natürlich im Mittelpunkt des Interesses stehen. Aber es sind andere Themen zu lösen, beispielsweise die Frage der Wieder-Inkraftsetzung des Tarifvertrages zu vermögenswirksamen Leistungen und Umwandlung in einen Rentenbaustein, ein schwieriges Thema für uns.

    Heuer: Machen Sie da mit? Das ist ja eine Forderung der Gewerkschaft.

    Kannegiesser: Ob wir zu einem Ergebnis gemeinsam kommen, wird man sehen. Das ist schwierig, weil es eine dauerhafte Belastung für die Betriebe bedeutet, andererseits aber das Thema Altersvorsorge und Rente ja für alle von uns, auch für unsere Mitarbeiter, schlechthin das entscheidende Thema in diesen Zeiten ist. Dem werden wir uns nicht entziehen und darüber ist intensiv gesprochen worden. Wir hoffen, dass wir da im Gesamtrahmen des Paketes zu einer Einigung kommen.

    Heuer: Sie haben vorhin gesagt, Herr Kannegiesser, dass Sie diese 0,6 Prozent Einmalzahlungen deshalb erwägen, weil man flexibel auf die Konjunktur reagieren müsse. Die IG Metall bietet Ihnen kürzere Laufzeiten des Tarifvertrages an, ebenfalls um flexibler auf diese Entwicklung reagieren zu können. Sind Sie denn damit einverstanden?

    Kannegiesser: Laufzeiten sind immer eine Stellschraube in solchen Auseinandersetzungen. Wir haben hier kein Dogma. Kurze Laufzeiten haben den Vorteil einerseits, dass man möglicherweise sehr schnell reagieren kann. Da einige ja schon wieder sagen, 2007 würde ein schwieriges konjunkturelles Jahr, mag manches dafür sprechen. Gegen kurze Laufzeiten spricht, dass man der großen Verunsicherung, die wir ohnehin in Unternehmen und in der Bevölkerung haben, natürlich entgegenwirkt, Planungssicherheit gibt, ein Stück auch Zukunftsvertrauen ausdrückt, wenn man zu etwas längeren Abschlüssen kommt. Deshalb würden wir dieses Mal eher zu einem längeren Abschluss neigen. Länger heißt 24 Monate, haben wir vorgeschlagen. Wir glauben, dass dies für die gesamte konjunkturelle und wirtschaftliche Entwicklung mehr Stabilität, mehr festen Boden unter den Füßen geben würde für die Beteiligten. Aber das ist für uns letztlich nicht das entscheidende Dogma.

    Heuer:! Vielen Unternehmen geht es ja prima, gerade in der Metallbranche, während das Leben der Angestellten immer teuerer wird. Wie wollen Sie diesen Ausgleich schaffen, Herr Kannegiesser? Sie haben meines Wissens gesagt, dass die Mehrwertsteuer gar nicht zu Buche schlagen würde und die Arbeitnehmer insofern davon nicht betroffen sind.

    Kannegiesser: Sie sind deshalb nicht betroffen, weil ein Sinn dieser Mehrwertsteuererhöhung ja gerade sein soll, dass eine Entlastung bei den Sozialversicherungsabgaben erfolgt. Das trifft natürlich unsere Arbeitnehmer. Wir haben das für drei typische Arbeitnehmerhaushalte errechnen lassen und stellen fest, dass die Summe aus den Entlastungen, die hier auf das gesamte Bruttoeinkommen stattfinden, dass die sich Waage halten mit dem, was durch die Mehrwertsteuererhöhung ansteigt, zumal in den so genannten typischen Warenkörben von Arbeitnehmerhaushalten ein großer Teil von Gütern oder von Leistungen enthalten ist, die ohnehin nur dem niedrigen Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent unterliegen, der also gar nicht angehoben wird. Insoweit kann man dies neutralisieren, zumindest für unsere Industrie, für unsere Branche, für unsere Beschäftigten, und braucht das nicht jetzt schon sozusagen einzupreisen in der Einkommensentwicklung.

    Heuer: Sie haben auch gesagt, Herr Kannegiesser, die Unternehmen stellten sich auf Streiks ein und sie würden ihre Konsequenzen ziehen. Welche?

    Kannegiesser: Ein Unternehmen, was bestreikt wird, und ein Unternehmen, was auf diese Art und Weise ja durch Zufügung von Schaden gezwungen werden soll, bestimmte Kosten zu erhöhen – denn Löhne sind nun mal für Unternehmen Kosten, für Mitarbeiter Einkommen, für Unternehmen Kosten -, das muss sich natürlich überlegen, wie es darauf reagiert. Das wissen wir aus der Vergangenheit, wie Unternehmen darauf dann in der Regel reagieren. Die einen reagieren betriebswirtschaftlich und die anderen reagieren, indem sie bestimmte Sortimente sich genau ansehen, wie und ob sie die weiter produzieren wollen und weiter produzieren können. Sie überlegen Outsourcing. Alle diese Entscheidungen, die in dieser Phase, in der sich die gesamte deutsche Metall- und Elektroindustrie so stark umstellen muss, so stark zu einer internationalen Industrie wird, in der Deutschland zwar wichtig ist, aber eben nur noch ein Teil des Geschäftes dieser Branche ist, in dieser Phase ist es ganz wichtig, meinen wir, dass wir zeigen und demonstrieren, dass wir mit unseren bisherigen Formen der Lohnfindung zu Ergebnissen kommen können, die einerseits die Arbeitnehmer an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligen, nicht zuletzt auch indem die Arbeitsplätze weiter stabil gehalten werden – das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr in einer solchen internationalen Industrie -, auf der anderen Seite aber auf keinen Fall dazu führen, dass unsere Produkte teurer werden.

    Heuer: Darf ich da mal einhaken, Herr Kannegiesser. Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann klingt das, als würden Sie damit drohen, dass Arbeitsplätze in der Metallbranche gestrichen werden, wenn es zu Streiks kommt. Ist das richtig?

    Kannegiesser: Arbeitsplätze werden verschwinden, wenn wir keine vernünftigen Ergebnisse finden. Und dass Streiks nicht hilfreich sind in einer Industrie, die so stark international eingebunden ist, wo Kundenbeziehungen das Wichtigste und Lieferverpflichtungen einzuhalten das Wichtigste sind, was wir bieten, können wir also nur warnen, die Schwelle für Streiks zu niedrig zu setzen. Wir haben seit Jahren immer wieder den Vorschlag gemacht, zwar die Möglichkeit des Arbeitskampfes, also Streik und Aussperrung, als grundsätzliche Möglichkeit nie auszuschließen, aber es nicht für eine, sage ich mal, so genannte normale Lohnauseinandersetzung, wo man nachher vielleicht noch 1 Prozent, 1,25 Prozent brutto oder so auseinander liegt, hier diese Waffe nicht gegenseitig aufeinander zu richten, weil der Schaden, den man damit Betrieben und Belegschaften zufügt, meist in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis steht. Es gibt ganz große und wichtige und grundsätzliche Auseinandersetzungen. Da kann man so etwas überhaupt nicht ausschließen. Aber hier sollten wir intelligente Möglichkeiten finden, Konfliktsituationen zu lösen. Wir haben damals Schlichtungsmechanismen und Ähnliches vorgeschlagen. Ich will nicht damit sagen, dass wir das diesmal auch wollen. Ich sage nur, in einer solchen Situation muss man alles tun – wir sind jedenfalls dazu bereit -, Lösungen auf dem Verhandlungswege zu finden, wissend, dass es dieses Mal sehr schwer wird. Deshalb kann man natürlich jetzt auch grundsätzlich Arbeitskampf nicht ausschließen.

    Heuer: Martin Kannegiesser, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kannegiesser. Gute Besserung, wenn Sie eine Erkältung haben sollten.

    Kannegiesser: Danke schön.

    Heuer: Auf Wiederhören.