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Gesamtmetall weist Kritik am Tarifabschluss zurück

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser hat den Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie gegen Kritik aus dem eigenen Arbeitgeberlager verteidigt. Beim Ziel, die Tarifverträge für Unternehmen in schwierigen wirtschaftlichen Lagen zu öffnen, sei man weitergekommen, sagte Kannegiesser. Nur dadurch sei die dreiprozentige Lohnerhöhung akzeptabel gewesen.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Beide Seiten feiern einen Sieg. Ein Streik in der Metall- und Elektroindustrie ist abgewendet. Die Einigung vom Wochenende in Nordrhein-Westfalen taugt als Pilotabschluss. Die IG Metall mit drei Prozent mehr Lohn und Gehalt nach dem Ende der Verhandlungen äußerst zufrieden, der Arbeitgeberverband Gesamtmetall im Prinzip auch. Wunderbar, weshalb kann die Welt nicht immer so schön sein? Allerdings: Im Arbeitgeberlager sind nicht alle so glücklich damit. Schon während der Verhandlungen wurde Kritik an der Strategie laut und nun erst recht am Ergebnis, dass eine hohe Belastung besonders für die mittelständischen Unternehmen sei.

    Darüber möchte ich jetzt mit dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall selbst sprechen, mit Martin Kannegiesser. Schönen guten Morgen!

    Martin Kannegiesser: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Herr Kannegiesser, zunächst einmal einen kurzen Rückblick. Gerade einmal eine Woche ist es her, dass Sie bei uns im Programm hier Rede und Antwort gestanden haben. Das war vor der jetzt erzielten Einigung, die damals noch keiner vorhersehen konnte, zu einer Zeit, als Streik durchaus möglich schien. Damals schien Ihnen schon eine zwei vor dem Komma völlig unrealistisch. Was hat sich eigentlich in dieser einen Woche so geändert, dass die IG Metall jetzt hoch zufrieden mit drei Prozent plus diverser anderer Leistungen nach Hause gehen konnte?

    Kannegiesser: Wir sind davon ausgegangen, dass die Unterteilung in eine Komponente, die als Einmalzahlung ausgezahlt wird und mit der konjunkturellen Entwicklung des Betriebes schwanken kann, und einer Prozentzahl, die in die Basis eingeht, deutlicher und größer ausfallen würde für die Komponente. Das war unsere Absicht von Anfang an. Dieses war mit der IG Metall nicht zu machen. Wir haben in dieser einen Woche weitere sehr intensive Verhandlungen geführt, dann auch in den letzten beziehungsweise vorletzten beiden Tagen, und es ist für die IG Metall nicht vorstellbar, von der deutlich höheren proportionalen Komponente herunterzugehen und hier zu einer anderen Aufteilung zu kommen.

    Klein: War denn das Ergebnis, das Sie jetzt haben, beabsichtigt, oder sind Ihnen tatsächlich Fehler in der Verhandlungsstrategie unterlaufen, wie einige Teilnehmer an den Verhandlungen aus dem Arbeitgeberlager behauptet haben?

    Kannegiesser: Das kann ich nicht so nachvollziehen, weil die IG Metall sehr deutlich gemacht hat und für uns alle, meine ich, ist da auch alles ausgelotet worden, was überhaupt auszuloten war, mühsam auch über diesen Gesamtkompromiss gesprochen worden ist. Für die IG Metall war die drei die magische Grenze, wie sie gesagt haben. Wir hätten für die proportionale Lohnzahl, wenn wir eine Zahl unter drei hätten haben wollen, in diesem Bereich also mehr in Richtung zwei und dann die Einmalzahlung etwas stärker ausfallen sollen. Dies wäre auf dem Verhandlungswege nicht möglich gewesen. Ich kann nicht erkennen, wie wir durch eine andere Verhandlungsweise die Auffassung der IG Metall zu dem, was sie als Mindestgrößenordnung ihren Mitgliedern glaubte, zumuten zu können, wie wir das durch eine andere Verhandlungsführung hätten ändern können. Es sind wie gesagt alle nur möglichen Varianten diskutiert worden, angeboten worden, zurückgenommen worden, wieder neu modifiziert worden. Die drei ist die Grenze gewesen für die IG Metall. Und wir haben dann schließlich gesagt gut, dann akzeptieren wir die drei.

    Allerdings ist dann eingeführt worden das erste Mal eine Frage, um die wir ja nun seit vielen Jahren mit der IG Metall ringen: eine Komponente, mit der die Unternehmen mit ihren Betriebsräten dann abweichen können und damit ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Situation Rechnung tragen können. In den ersten drei Monaten wird eine Festzahlung geleistet. Und diese Festzahlung kann, wenn die Betriebsparteien dies wollen und sich verständigen können, abbedungen werden in schwierigeren betrieblichen Situationen. Sie kann aufgestockt werden in besser laufenden Unternehmen. Wenn beide sich hier entweder nicht einigen können oder überhaupt nicht darüber ein Gespräch führen wollen, dann bleibt es bei dieser Einmalzahlung. Dies ist genau die Art der Öffnung, die im Prinzip notwendig ist, um der großen Bandbreite der Unternehmensentwicklungen und Konjunkturen Rechnung zu tragen. Um eine solche Öffnung und Flexibilisierung bemühen wir uns nun seit vielen Jahren, halten sie für unbedingt notwendig für unsere Unternehmen und dies ist erreicht worden. Nur durch diese Flexibilisierung bei dieser Komponente ist die Zahl drei für uns machbar gewesen. Wir hätten es sonst, wenn diese Komponente nicht dazugekommen wäre, in dieser Form und auch diese Struktur, halt auf einen Arbeitskampf ankommen lassen müssen.

    Klein: Sie sehen es als Erfolg, Herr Kannegiesser, und in der Tat: Flexibilisierung war immer ein Ziel der Arbeitgeber. Allerdings kommt jetzt auch von ihrer Seite durchaus vehemente Kritik, zum Beispiel von Arbeitgeberpräsident Hundt. Er sagt, das sei eine schwer verkraftbare Belastung für viele Firmen. Auch aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie aus der Automobilindustrie war am Wochenende gleich nach dem Ergebnis zu hören, dieser Abschluss wird Arbeitsplätze vernichten. Das stimmt also nicht?

    Kannegiesser: Dass eine finanzielle Belastung in der Größenordnung drei minus die Einmalzahlung für etliche Unternehmen schwer verkraftbar ist, das ist so. Das ist das Risiko auch dieses Abschlusses. Das haben wir ja auch immer wieder der Gewerkschaft vorgetragen. Es ist andererseits aber auch für einen großen Teil der Unternehmen leistbar. Und auch für diese Unternehmen mussten wir eine vernünftige Lösung finden. Wir können nur sagen, dass die Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, hier ein oder zwei Lohnprozente mehr verkraften zu können – und die gibt es -, nicht nur jetzt diese Öffnung in dem neuen Tarifvertrag haben, nach unten abzuweichen. Die kommen dann eben auf zwölf Monate gerechnet auf eine Belastung von 2,3 Prozent. Die ist für manche Unternehmen sicherlich auch noch zu hoch, für die meisten allerdings, wie ich meine, zu leisten. Das wird auch nicht gleich zu erheblichen Problemen führen. Es wird nicht dazu beitragen, dass es zu einem kräftigen Beschäftigungsaufbau, überhaupt zu einem Beschäftigungsaufbau kommt, soweit dieser von Kostenvergleichen und internationalen Vergleichen mit abhängig ist. Das müssen wir heute ja mehr sehen als in der Vergangenheit.

    Aber wir haben für solche Betriebe, wenn ich das noch sagen darf, ja ebenfalls jetzt die Möglichkeit, die manche sehr intelligent nutzen, manche noch weniger intelligent nutzen, aus dem Pforzheim-Tarifvertrag. Die Möglichkeit besteht. Wir haben letztlich für ganz schwierige wirtschaftliche Fälle unseren Tarifvertrag Beschäftigungssicherung. Also ich meine, uns Unternehmen steht heute ein Instrumentenkasten zur Verfügung, wo wir zumindest im Bereich der tariflichen Belastungen auch reagieren können. Da sind wir weiter gekommen durch diesen Abschluss, und das sollte man auch sehen. Das ist für uns wichtig, solche strukturellen Fragen zu sehen.

    Klein: Herr Kannegiesser, Sie sprechen ja durchaus von einem Modell für die Zukunft auch für andere Branchen. Das heißt, Sie würden anderen Arbeitgeberverbänden durchaus auch zu drei Prozent Lohnerhöhung raten, wenn das in ein solches Modell gegossen würde?

    Kannegiesser: Nein, natürlich nicht. Ich finde, wenn wir hier uns Zensoren unterziehen müssen, die die Situation meistens nicht so gut kennen. Ich würde anderen Arbeitgeberverbänden und damit anderen Branchen nie diesen Abschluss empfehlen. Der ist für unsere Branche gemacht worden, für unsere Situation. Unsere Unternehmen müssen sich erheblichem internationalen Wettbewerb stellen, sind allerdings im Augenblick im Durchschnitt in einer recht robusten Situation. Das Signal von diesem Abschluss geht eben auch davon aus, dass wir durchaus hier bereit sind, unsere Arbeitnehmer, die in dieser im Augenblick ordentlich funktionierenden Branche tätig sind, auch daran partizipieren zu lassen. Das ist auch ein wichtiges Signal. Wir sagen gleichzeitig unseren Arbeitnehmern, es ist im Grunde für die Vergleichbarkeit allerdings etwas zu viel gewesen. Jetzt muss also noch verstärkt in die Hände gespuckt werden. Es muss alles herausgeholt werden. Das ist das Signal, und überall da, wo es etwas klemmt oder etwas schwieriger sein sollte, haben wir heute Instrumente.

    Die Situation in anderen Branchen ist eine andere. Die kann man teilweise nicht vergleichen. Denen kann man auch nur empfehlen, natürlich sofern nicht ohnehin vorhanden – in vielen Branchen ist das ja vorhanden – solche Instrumente der Flexibilisierung zu nutzen, diese einzuführen, sich an die Anwendung solcher Flexibilisierungsinstrumente zu gewöhnen. Das muss man einüben miteinander in den Betrieben, das auch zu tun. Das ist, glaube ich, eine allgemeine Empfehlung, die für uns alle gilt, egal in welcher Branche. Ansonsten ist dies ein Abschluss für unsere Industrie und nicht als Modell gedacht gewesen - das kann auch gar nicht unsere Aufgabe sein – für andere Branchen. Die Unterschiede von Unternehmen zu Unternehmen werden immer größer, geschweige zwischen Branche und Branche.

    Klein: Martin Kannegiesser war das, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kannegiesser!

    Kannegiesser: Bitte sehr!