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16 Uhr. Hier ist der Deutschlandfunk auf Mittelwelle und Langwelle. Sie hören Nachrichten. Mit dieser Nachrichtensendung beginnt die Gemeinnützige Anstalt des Öffentlichen Rechts mit dem Namen Deutschlandfunk ihr Programm.

Frank Capellan | 01.01.2002
    Montag, - 1.Januar 1962 - eine neue Stimme meldet sich im deutschen Äther: Geburtsstunde des Deutschlandfunks.

    Meine Hörerinnen und Hörer vor allem in der mitteldeutschen Heimat. Deutschlandfunk lautet der verpflichtende Name der Rundfunkanstalt, die in dieser Stunde zum ersten Mal ihr Programm in den Äther schickt, hinüber zu Ihnen, die Sie in Mecklenburg oder Thüringen, in Brandenburg oder im Sächsischen zu Hause sind, Deutsche sämtlich, denen es verwehrt ist, gemeinsam mit uns in Freiheit zu leben.

    Als Gründungsintendant Hermann Franz Gerhard Starke im Anschluss an die 16-Uhr-Nachrichten das neue Programm eröffnet, da liegen zehn Jahre harten Ringens um diese neue Rundfunkanstalt hinter ihm und seinen Mitstreitern. Eine unselige Vorgeschichte, geprägt vom Verlangen Konrad Adenauers, den Rundfunk für politische Zwecke zu instrumentalisieren und vom Versuch der Landesrundfunkanstalten, sich diesem Griff des Kanzlers zu entziehen. Erst als das Bundesverfassungsgericht Adenauers Begierde nach einem Regierungsrundfunk stoppt, wird der Weg zur Gründung des DLF frei, die alleinige Zuständigkeit der Länder allerdings ist gebrochen, per Gesetz entsteht neben dem Auslandssender Deutsche Welle eine zweite Bundesrundfunkanstalt:

    Der Deutschlandfunk wurde auf der Grundlage des Bundesgesetzes vom 29. November 1960 errichtet und mit der Aufgabe betraut, Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland zu veranstalten. Er soll ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln.

    Der Auftrag ist definiert - gleichsam über Nacht wird nun - im Herbst 1961 - ein Sender aus dem Boden gestampft. Später werden sich Gründungsintendant Starke und sein damaliger Sendeleiter Erhardt Imelmann kopfschüttelnd daran erinnern, wie sie sich im mondänen Kölner Stadtteil Marienburg auf die Suche nach einer Immobilie machten und schließlich in der Lindenallee Nr.7 eine passende Villa fanden:

    Ich habe gesagt, guten Tag, ich heiße Imelmann, wir machen hier eine Rundfunkanstalt auf ... am ersten Januar sagten wir dann um 16.00 Uhr, hier ist der Deutschlandfunk.... Und im März 1962 haben wir dann aus dem Haus gesendet - aus der Garage - die Bauabteilung hat uns da in der Garage zwei Sendemagnetophone eingebaut - so ging das...

    Ein Provisorium: In der alten Garage stehen die Tonbandgeräte, im Badehaus der hochherrschaftlichen 40 Zimmer-Villa wird das erste Studio eingerichtet - abenteuerliche Verhältnisse für die 71 Mitarbeiter der ersten Stunde:

    Wir saßen also mit unserer Technik in der Küche und in der Garage. Und auf der Kegelbahn wurde das Schallarchiv eingerichtet.

    Hier ist der Deutschlandfunk. Wir berichten aus dem Zeitgeschehen. Sie hören das Deutschlandecho.

    Am 2. Sendetag meldet sich um 19.00 Uhr erstmals das "Deutschlandecho" - eine halbstündige Sendung, die künftig regelmäßig den deutsch-deutschen Alltag beleuchtet. Sendungen wie die "Themen des Tages" oder "Die Woche in Deutschland" folgen - "Schlagerparade", "Aktueller Plattenteller" und die "Lustigen Musikanten" werden schnell zu Markenzeichen des Kölner Senders.

    18.00 Uhr. Die Nachrichten

    Vom ersten Moment an aber sind die Nachrichten das besondere Aushängeschild. Als aus der Kölner Marienburg vom 1. Juni 1964 an endlich rund um die Uhr gesendet werden kann, da ist der Deutschlandfunk die erste deutsche Rundfunkanstalt die stündlich aktuelle Meldungen bringt.

    Fremdsprachensendungen werden schnell zur zweiten Säule des DLF-Programms. Deutsch-Deutsches in polnisch, tschechisch, serbokroatisch, französisch, italienisch, englisch - am Ende sind es vierzehn verschiedene Sprachen, in denen der DLF bis zur Wiedervereinigung zu hören sein wird.

    1966. Der Deutschlandfunk wünscht allen seinen Hörern in Ost und West, im ganzen Deutschland und in Europa ein glückliches und erfolgreiches Neues Jahr.

    Ein Jahr, in dem sich der Sender weiter etabliert. Endlich ist die Finanzierung gesichert, eine ständig wachsende Zahl von Mittel- und Langwellensendern sorgt dafür, dass bei den europäischen Nachbarn wie bei den Hörern zwischen Elbe und Oder vor allem eine Botschaft ankommt: "Wir halten den Willen zur Wiedervereinigung über die Minenfelder hinweg weiter wach!"

    Und Sie, meine Hörerinnen und Hörer, haben in mehreren hunderttausend Zuschriften auf dieses Bemühen geantwortet. Aus Briefen mit altvertrauten mitteldeutschen Städte- und Dorfnamen im Poststempel klang eine überwältigende Antwort auf die oftmals skeptisch gestellt Frage, ob die Deutschen sich nicht schon auseinandergelebt oder vielleicht bereits ein getrenntes Staatsbewusstsein angenommen hätten. Sie haben es weniger denn je.

    Intendant Starke ist zufrieden, als er sein Amt an Franz Thedieck übergibt. Der kann sich schon bald über Tausende von Briefen aus der DDR freuen, aber nicht nur das:

    Wir erfahren viel durch Besucher aus der Zone hier in der Bundesrepublik, vor allem durch diese Rentner, die uns Grüße von sehr vielen Hörern bringen. Und wir wissen und können es, glaube ich, ohne Übertreibung sagen, dass wir in Mitteldeutschland für sehr große Teile der Bevölkerung das erste Programm sind.

    Dass das Programm ankommt, spüren die Macher aus der Marienburg auch auf ganz andere Art. Immer wieder nämlich beschäftigt sich nun der DDR-Rundfunk mit der jungen Stimme aus Köln:

    Der so genannte Deutschlandfunk ist doch mit jeder Sendung bemüht, statt Liebe Hass zu säen und damit unser Land voll Leben in ein Land des Todes zu verwandeln. Lassen Sie uns sorgen, dass die Verschwörerbande vom Deutschlandfunk weder zu Menschen von uns, noch zu Menschen von drüben, sondern möglichst immer in den Wind spricht.

    In Köln allerdings wird selbst solche Agitation beinahe als Kompliment gewertet:

    Nur ein Sender ohne Hörer bleibt ohne Resonanz. Allein schon diese Erkenntnis macht es unerlässlich, auch das gleichsam offizielle DDR-Echo des Deutschlandfunks sorgfältig auszuloten.

    Und das tut Karl-Wilhelm Fricke, langjähriger Leiter der Ost-West-Redaktion mit Akribie. Offizielle Reaktionen aus der DDR sind für ihn der allerbeste Beweis dafür, dass der Sender gehört wird. Wer wissen will, was wirklich läuft, schaltet den Deutschlandfunk ein:

    Gegen null Uhr überschritten schnelle Panzertruppen der Sowjetzonen-Volksarmee, Polens, der Roten Armee und Ungarns die Grenze. Über das weitere Schicksal der Reformkommunisten ist bis zur Stunde nichts Genaues bekannt...

    Prag 1968, in herausragender Weise stellt der DLF seine Informationskompetenz unter Beweis. Ereignisse, die die SED in Ost-Berlin lieber totgeschwiegen hätte, werden über die Kölner Marienburg verbreitet.

    In Sprechchören wird nach Willy gerufen. Sie hören es selbst. Nicht Willi Stoph, sondern: Willy Brandt, Willy Brandt, Willy Brandt.

    Häufig aber sind es auch die Geschichten des Alltags, die interessieren. Die Möglichkeiten der Recherche sind zwar begrenzt, anfangs wird DLF-Journalisten die Einreise in die DDR generell verweigert, und an eigene Korrespondenten ist bis zum Fall der Mauer nicht zu denken. Dennoch versucht gerade das West-Berliner Studio soviel wie möglich aus dem Osten Deutschlands zu berichten - vor allem über das, was die DDR-Medien den eigenen Bürgern verschweigen:

    Wer irgendwo auf der Welt darauf angewiesen wäre, sich ausschließlich aus dem Organ des ZK der SED 'Neues Deutschland' zu informieren, würde sich vermutlich von diesem Schlag mit der Agitationskeule nicht so bald erholen.

    Werner Dassui, einer der Verantwortlichen der Reihe "Aus Ost-Berliner Zeitungen". Morgen für Morgen schildert diese ungewöhnliche Presseschau, was zwischen den Zeilen der DDR-Presse steht. Die Sendung ist beliebt im Osten: Selbst das Dresdner Kabarett "Die Herkules-Keule" schenkt ihr Beachtung:

    "Geben Sie Ihren Schülern unsere Argumente mit - beispielsweise durch das Studium der Presse, bevor diese Sendung kommt." "Herr Direktor, die Sendung kommt früh um halb Acht. Da hat der Gegner zwar unsere Zeitungen schon, aber nicht der DDR-Bürger" (Lacher-Applaus)

    Aufklärung und offene Worte, die der SED ein Graus sind. Und auch die Spitze des Staates hört mit. Günter Schabowski, ehemaliger Chefredakteur des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland" und langjähriges Politbüro-Mitglied über diese Presseschau:

    Sie wurde für mich fast zu einer Pflichtübung, weil man aus der Presseschau entnehmen konnte, wie die andere Seite, also der Klassengegner, das Neue Deutschland sieht und bewertet. Und kaum, dass ich in meinem Büro saß, ich einen Anruf kriegte aus dem Büro Honecker, dessen Mitarbeiter ebenfalls diese Sendung hörten und dann mit einem Anpfiff oder dergleichen...

    Doch die Sendung ist umstritten, auch bei den Machern im Westen. Als Reinhard Appel am 20. März 1973 neuer Intendant wird, kündigt er den Hörern Veränderungen im Programm an, spricht vom Wettbewerb der Ideen:

    Dies schließt ein, dass wir auch den Marxisten nicht vorschreiben, mit welchen Augen und mit welcher Dialektik sie die Welt betrachten. Und es sollte auch bei uns niemand auf die schwächliche Idee kommen, den Rundfunk aus der DDR daran zu hindern, uns seinerseits ein umfassendes Bild Deutschlands zu vermitteln.

    Wir sind nicht der Anti-Sender zur DDR, wir sind der Dialogsender, so sein Credo. Und plötzlich beginnt eine Diskussion darüber, ob sich der Deutschlandfunk zu sehr auf eine ideologische Konfrontation eingelassen habe. Eine Weichenstellung, die den DLF in Bedrängnis bringt, sind die Ostverträge in der Tat: Werner Hess, Intendant des Hessischen Rundfunks, stellt sogar seine Existenz in Frage. Wer die Eigenständigkeit zweier Staaten anerkenne, der habe auch keine Befugnis mehr, ein Rundfunkprogramm speziell für DDR-Bürger anzubieten. Doch kaum jemand mag dieser Argumentation folgen, und so kann der Rundfunkratsvorsitzende Kurt Mattick schließlich erleichtert feststellen:

    Vielleicht hat der Herr Intendant in der ARD durch seinen Affront gegen den Deutschlandfunk Gutes geschaffen. Er hat zu einem Klärungsprozess beigetragen, und ich denke, dass die Debatte um die Notwendigkeit des Deutschlandfunk beendet wird, dass gerade jetzt der Deutschlandfunk einen großen Beitrag zu leisten hat und die eigentliche Politik der Ost-West-Entspannung entwickelt werden muss.

    Tatsächlich stellt sich die Kölner Rundfunkanstalt nun verstärkt in den Dienst deutsch-deutscher Verständigung. Mehr als bisher werden nun auch die Hörer in der Bundesrepublik ins Visier genommen. Appel will den Sender zu dem deutschen Informationsprogramm machen. Mit dem Start der ersten morgendlichen Informationssendung beginnt im Oktober 1974 eine neue Ära. Live werden Politiker zu früher Stunde am Telefon vernommen. Das Interview um 7.15 Uhr wird zur festen Größe:

    "Deutschlandfunk. Informationen am Morgen." "Am Telefon ist nun Bundesaußenminister Klaus Kinkel." "Guten Morgen, Herr Professor Biedenkopf." "Schönen guten Morgen." "Herbert Wehner, guten Morgen." "Guten Morgen." "Sieben Uhr neunzehn. Herzlichen Glückwunsch zum Neunzigsten Herr Trenker." "Ja, herzlichen Dank." "Ministerpräsident Gerhard Schröder, guten Morgen." "Guten Morgen. Auch Journalisten wie Sie müssen mal begreifen, hier ist nicht der wilde Westen, und ich bin nicht Gary Cooper." "Und der ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Blüm."

    Politiker und Hörer beginnen die Frühinterviews zu schätzen, der Deutschlandfunk macht Schlagzeilen. Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff zu seiner Motivation, schon früh am Morgen für den DLF am Telefon zu sein:

    Es gibt Wirkungen, eben deswegen, weil hingehört wird, deswegen, weil das eine feststehende Einrichtung ist, und es gibt Wirkungen in die Parteien hinein, es gibt Wirkungen in den Bundestag hinein, wie häufig wird ein Deutschlandfunk-Interview auch in einer Debatte des Bundestages erwähnt. Natürlich bewirkt nicht ein Deutschlandfunk-Interview, dass sich die Welt verändert, aber Stück für Stück und Tropfen für Tropfen trägt es natürlich zur politischen Meinungsbildung und dann auch zur politischen Entscheidung bei.

    Der Informationsauftrag wird ausgeweitet, und auch räumlich expandiert der Sender. 1974 wird der Grundstein für ein neues, modernes Funkhaus gelegt - am Kölner Raderberggürtel werden Deutschlandfunk und Deutsche Welle künftig nebeneinander arbeiten.

    Ich wünsche, dass in diesem Hause, Deutsche Welle und Deutschlandfunk, in guter Verbundenheit ihre Aufgaben erfüllen, dass auch in Zukunft die Erkenntnisse aus den Sprüchen Salomons bedacht werden mögen: Durch Weisheit wird ein Haus gebaut und durch Verstand erhalten.

    Doch nicht immer gehen diese guten Wünsche von Bundespräsident Heinemann und Intendant Appel in Erfüllung. 1982 - drei Jahre nach dem Umzug in das neue Funkhaus gerät der Wiedervereinigungssender in eine schwere Krise. Mit dem Machtwechsel in Bonn wächst über den Rundfunkrat der Druck auf die Programmmacher. Der Sender gilt vielen als zu links:

    "Ich habe meinen Kollegen Gerd Breker, Studioredakteur und mein Co-Pilot sozusagen, zu mir ins Studio gebeten. Er wird nun das Interview übernehmen, weil der Gesprächspartner am anderen Ende der Telefonleitung sich weigert, mit mir zu sprechen." "Am Telefon begrüße ich nun den Präsidenten des Bundesverbandes der Vertriebenen und CDU-Abgeordneten Dr. Herbert Czaja. Guten Morgen Herr Czaja." "Guten Morgen Herr Breker."

    Herbert Czaja, damals auch Rundfunkratsmitglied, sucht den Eklat, verweigert ein Gespräch mit Moderator Heribert Schwan. Parteipolitische Auseinandersetzungen beeinträchtigen für Monate die Arbeit - der öffentlich-rechtliche Rundfunk, er zeigt sich von seiner unangenehmsten Seite. Dazu der ehemalige SPD-Chef Hans-Jochen Vogel, ebenfalls langjähriges Rundfunkratsmitglied:

    Die harten Auseinandersetzungen im Rundfunkrat mit Intendanten, insbesondere mit Herrn Becker, oder mit Herrn Wördehoff, damals Chefredakteur, da habe ich manchmal die Geduld des Intendanten bewundert.

    Kommentare werden mit Blick auf mangelnde Ausgewogenheit beanstandet - Bernhard Wördehoff verbringt einen Großteil seiner Zeit damit, seine Mitarbeiter gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Zumindest aber zeigt sich nun, wie sehr der Deutschlandfunk in Bonn an Gewicht gewonnen hat.

    Das war der Tag - Journal vor Mitternacht

    Der Sender wird wegen seiner Informationskompetenz geschätzt, seine umfassende Berichterstattung und nicht zuletzt die Werbefreiheit garantieren seinen Erfolg - das deutsch deutsche Programm aus Köln bleibt ein verbindendes Element zwischen Ost und West:

    Noch bewegt es sich nicht. Doch jetzt gerät es aus den Fugen - also jetzt um Null Uhr 39 schwebt ein vier Meter hohes und etwa ein Meter breites Teilstück der Mauer am Brandenburger Tor in die Höhe.

    Mit dem Fall der Mauer beginnt sich für den Deutschlandfunk die Existenzfrage zu stellen. "Auftrag erfüllt!", heißt es, als die beiden deutschen Staaten wiedervereinigt werden. Doch zeigt sich jetzt, wie sehr sich die Deutschen nach 40 Jahren Teilung auseinandergelebt haben - für den Deutschlandfunk eine neue Herausforderung: Er soll nämlich dabei helfen, Deutsche aus Ost und West publizistisch einander näher zu bringen. Zunächst allerdings steht das Haus selbst vor einer großen Integrationsaufgabe:

    Heute Abend um 24.00 Uhr endet nach über 30jähriger, erfolgreicher Tätigkeit die Bundesrundfunkanstalt Deutschlandfunk. Mit der Wiedervereinigung vor drei Jahren ist die Rechtsgrundlage für den Deutschlandfunk problematisch geworden, da Kultur Ländersache ist, jedenfalls die Treuhänderschaft des Bundes für die Menschen drüben nicht mehr so besteht wie vordem. Ich hoffe, dass der Deutschlandfunk wie bisher als Informationssender in der Körperschaft DeutschlandRadio Ihnen ein verlässlicher Partner bleiben möge.

    Mit dem 1.Januar 1994 wächst zusammen, was eigentlich niemals zusammenzupassen schien: Der Deutschlandfunk, der langjährige Konkurrent RIAS und der frühere ostdeutsche Deutschlandsender fusionieren unter dem Dach des DeutschlandRadio. Deutsche Einigung rundfunkpolitisch.

    Doch der Deutschlandfunk ist dabei eine eigenständige Säule des neuen Senders geblieben. Altbewährtes wie "Klassik Pop et cetera" - die samstägliche Musiksendung mit prominenten Gästen - oder auch Konzerte aus Raderberg gehören wie eh und je zum festen Bestandteil des Programms. Mit Sendungen wie "Corso" und "Campus und Carriere" werden verstärkt jüngere Hörer angesprochen, dem gestiegenen Bedürfnis nach Meldungen aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft wird Rechnung getragen. Verpflichtung allerdings bleibt die stündliche, morgens halbstündliche Information:

    Deutschlandfunk. 19.00 Uhr. Die Nachrichten.

    Der hohe Wortanteil bringt dem Kölner Programm neue Hörer - lohnt aber auch das Bemühen, Radio für ganz Deutschland zu machen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

    Ich bin ein regelmäßiger Hörer des Deutschlandfunks, weil er so wunderbar viele Informationen liefert, auch deshalb, weil er ja in den Zeiten vor der Wende und nach der Wende für den Zusammenhalt der Deutschen besonders viel getan hat, wechselseitige Informationen über den Westen nach Ost, von Ost nach West gegeben hat. Das werde ich auch nicht vergessen. Und das gilt in bestimmter Weise ja auch noch heute: Über ganz Deutschland zu informieren und nicht nur regional borniert zu sein.

    Friedrich Schorlemmer, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, ist überzeugt: Nach 40 Jahren im Äther darf der Deutschlandfunk sogar für sich in Anspruch nehmen, ein winziges Mosaiksteinchen auf dem Weg zur deutschen Einheit gewesen zu sein.

    Der Deutschlandfunk war eine der wirklich lebendigen Brücken im geteilten Deutschland. Und er hat dadurch zur Wiedervereinigung beigetragen, dass er uns ein gutes Bild von dem Land, von dem Teilland gab, in dem wir nicht leben konnten und in das wir nur ganz selten konnten. Wir hatten ein durchaus kritisches Bild von der Bundesrepublik. Also, insofern war der Deutschlandfunk nie ein Sender, der uns irgend etwas - auch für die Bundesrepublik - vorgemacht hat. Aber er hat eine Sehnsucht danach erhalten, in der Demokratie zu leben.