Ein Saal im Stadtmuseum von Nantes, im alten Schloss der Herzöge der Bretagne. Séverine Billon, hier verantwortlich für Kulturvermittlung, steht vor einer alten Schiffslampe und erklärt, was die Stadt an der Loire-Mündung über fast zwei Jahrhunderte hinweg geprägt hat: der Sklavenhandel. Man geht davon aus, dass mit Schiffen aus Nantes insgesamt rund 550.000 Menschen aus Afrika deportiert wurden.
"Nantes war keine Stadt mit einem reichen Hinterland. Deswegen war der Sklavenhandel eine wirtschaftliche Chance. Die Schiffe fuhren nach Afrika, danach nach Amerika und kamen zurück nach Europa, vor allem nach Nantes. Diese Schiffe mussten gebaut werden, es brauchte Waren aus ganz Europa, mit denen gehandelt werden konnte. Es war eine ganze Region, die von diesem Handel lebte."
Eng zusammengezwängt im Schiffsbauch
In der Karibik mussten die versklavten Menschen dann vor allem auf Zuckerrohrplantagen arbeiten. Aber schon die Überfahrt war grausam. Ein Saal des Museums erinnert daran. An der Wand hängt das Gemälde eines Segelschiffes aus Nantes, das 1769 an der Küste von Angola vor Anker liegt. Auf dem gleichen Blatt findet sich eine Darstellung, die zeigt, wie eng gezwängt die Sklaven bei der Überfahrt im Schiffsbauch waren. Weiter unten zeigen Tabellen, wie genau die Händler über Einkauf und Verkauf von Waren und Sklaven Buch geführt haben.
Die Stadt Nantes setzt sich nicht nur in ihrem Schloss mit der Sklaverei auseinander – sie hat 2012 auch ein Mahnmal errichtet. Am Ufer der Loire führen Treppen in den Untergrund, Betonplatten bilden einen dunklen Schiffsbauch nach, an den Wänden: eine große Karte und historische Texte über Freiheit und Sklaverei. Aus Lautsprechern ist Hafenlärm und Kettenrasseln zu hören. Der Französischlehrer Jean-Marie Chauvière zeigt sich sehr beeindruckt von dem, was er hier sieht:
"Ich finde das wirklich sehr gelungen. Man kommt vom Schloss, man besucht die Häuser der Reeder, echte Prachtbauten mit Innenhöfen, und dann kommt man hier an die Loire und sieht die Namen der rund 1.800 Schiffe, die diese Reise von Nantes aus angetreten haben. Man steigt hier herunter und erlebt die Enge, hört die Geräusche – das ist wirklich sehr bewegend."
Bis heute gehören die Karibikinseln Guadeloupe und Martinique zu Frankreich – und viele Menschen, die von ehemaligen Sklaven abstammen, finden, dass ihre Geschichte bislang zu wenig wahrgenommen wird. Manche von ihnen haben sich in dem Pariser Verein CM98 zusammengefunden. Dessen Sekretärin, Josely Bonnet Dorothee, sagt:
"Die Sklaverei wurde abgeschafft, die Statusfrage ist damit geregelt, aber die Leute haben sich davon nicht befreit. Gewalt wird bis heute weitergegeben, manchmal werden Familienmitglieder wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Haare abgelehnt, vielleicht auch nur indirekt, ungewollt. Auch das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen ist davon beeinflusst, vor allem in Martinique. Denn die Weißen haben dort die Ländereien behalten."
Neue Stiftung für das Gedenken
Seit vergangenem November soll eine neue Stiftung für das Gedenken an die Sklaverei das Thema auf nationaler Ebene angehen. Präsident ist Jean-Marc Ayrault, früherer Premier- und Außenminister, der als Bürgermeister von Nantes die Aufarbeitung in seiner Stadt entscheidend vorangetrieben hatte.
2021 will Frankreich den versklavten Menschen ein Mahnmal setzen, ganz zentral im Jardin des Tuileries, direkt am Louvre. Darauf werden die Namen der Sklavinnen und Sklaven stehen, die 1848 in die Freiheit entlassen wurden und dabei erstmals einen Nachnamen erhielten - statt einer Nummer.
Der Historiker Frédéric Régent, wissenschaftlicher Berater für das Mahnmal, erklärt: "Es sind Menschen, die als Sklaven geboren wurden und als Staatsbürger gestorben sind. Wir haben ungefähr 200.000 Namen dieser freigelassenen Sklaven gefunden. Und das sind nur fünf Prozent der Sklaven auf den französischen Karibikinseln. Dieses Ausmaß wird man verstehen, wenn man überall auf dem Mahnmal Namen sieht."
Immer wieder werden in Frankreich auch Forderungen nach einem nationalen oder gar europäischen Museum über die Geschichte der Sklaverei laut – Historiker verweisen jedoch darauf, dass dort die ganze Kolonialgeschichte dargestellt werden müsste, denn die Sklaverei ist untrennbar mit ihr verwoben. An so ein großes Projekt wagt sich bislang aber noch niemand.