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Geschichte des Kongo
Ausbeutung und Gewalt bis heute

Joseph Kabila tritt als Präsident des Kongo ab. Nach einer umstrittenen Wahl soll der Oppositionspolitiker Félix Tshisekedi ihm ins Amt folgen. Doch die lange Leidensgeschichte des zentralafrikanischen Lands stimmt misstrauisch, ob sich wirklich etwas ändert - ein Rückblick von 1885 bis heute.

Von Marc Engelhardt | 12.01.2019
    Demokratische Republik Kongo: Anhänger des oppositionelle Präsidentschaftskandidat Tshisekedi feiern dessen Wahlsieg.
    Demokratische Republik Kongo: Anhänger des oppositionelle Präsidentschaftskandidat Tshisekedi feiern dessen Wahlsieg. (dpa-Bildfunk / AP / Jerome Delay)
    Die Geschichte des Kongo ist beherrscht von Ausbeutung und Gewalt. 1885 nahm sich Belgiens König Leopold II. das Land von der Größe Mitteleuropas. Nicht als Kolonie, als Privatbesitz. Widerstand der Bevölkerung ließ er brutal unterdrücken. Diese Zeit hat Spuren hinterlassen. Als der Kongo 1960 unabhängig wurde, blickte Patrice Lumumba, Sozialist und erster Premier des Landes, noch einmal zurück.
    "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unser Boden geraubt wurde unter dem Vorwand angeblicher Gesetze, die nichts anderes gemacht haben, als das Recht des Stärkeren durchzusetzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in den Städten die Weißen in riesigen Villen leben, und die Schwarzen in baufälligen Strohhütten. Und wer wird die Schüsse vergessen, die auf unsere Brüder abgegeben wurden, und die Kerker in die all jene geworfen wurden, die sich einem System der Unterdrückung und Ausbeutung nicht mehr beugen wollten?"
    Eingeklemmt zwischen Moskau und Washington
    Die Herrschaft Weniger, die mit Willkür und Waffen regierten, wollte Lumumba abschaffen. Ob es ihm gelungen wäre, weiß niemand. Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt wurde er ermordet, mit Hilfe der CIA. Die USA fürchteten um das Kupfer aus dem Kongo, hätte Lumuba sich der Sowjetunion angedient. Stattdessen putschte sich Mobutu Sese Seko an die Macht, der herrschte wie die Kolonialherren. Der Westen bekam ein Bollwerk gegen den Kommunismus und Kupfer, die Bevölkerung wurde ausgeblutet in dem Land, das Mobutu in Zaïre umbenannte. Nur vor der UNO hielt er kämpferische Reden, so wie 1973:
    "Die Welt teilt sich auf in zwei Lager: Die Beherrschten und die Herrscher, die Ausgebeuteten und die Ausbeuter. Die armen Länder sind nicht arm, weil es ihnen angeboren wäre, sie sind es als Folge ihrer Geschichte. Sie sind von bestimmten, gewissen Ländern geplündert worden, damit diese sich bereichern konnten. Wenn die Reichen die Armen immer mehr ausbeuten, so will es die mathematische Logik, dann werden die Armen immer ärmer und ärmer und ärmer."
    Wachsende Not, trotz Rohstoffreichtums
    Aber auch Mobutu war ein Ausbeuter, daran ließ er keinen Zweifel. Das rohstoffreiche Land fiel ins Chaos, die Not wuchs. Rebellen unter der Führung von Laurent Kabila stürzten den schwerkranken Despoten 1997. Es folgte der afrikanische Weltkrieg – Soldaten aus 13 Ländern wüteten jahrelang im Kongo und kämpften um Macht und Einfluss. Vier Millionen Menschen starben. Unter den Folgen leidet das Land bis heute, sagt Reena Ghelani von der UN-Nothilfekoordination.
    "Jeder Siebte in Zentralafrika ist Opfer einer Krise und braucht dringend humanitäre Hilfe, die Hälfte davon im Kongo. Die humanitäre Situation hat sich auch 2018 weiter verschlechtert, das ist eine der größten und kompliziertesten Krisen der Welt."
    Machthaber, die sich bereichern
    Laurent Kabila wurde 2001 von seinem Leibwächter erschossen. Seitdem ist sein Sohn Joseph an der Macht. Im Osten des Landes wurde weiter Krieg geführt, während Kabila sich bereicherte wie all seine Vorgänger. Und es der UNO überließ, die Menschen zu versorgen. Nur ihre neutralen Soldaten wäre er vor der Wahl am liebsten losgeworden, sagte Kabila im September 2018.
    "20 Jahre nach der Stationierung der Blauhelmtruppen in meinem Land und äußerst fragwürdigen, zweifelhaften, zwiespältigen Ergebnissen wiederhole ich die Forderung meiner Regierung, mit dem Abzug der UN-Truppen zu beginnen."
    Ein Land, das am Boden liegt
    Seinem Nachfolger überlässt Kabila ein Land, das am Boden liegt, von Generationen weißer und schwarzer Herrscher zugrunde gerichtet. Es gibt kaum Straßen, dafür viele Waffen und noch mehr Korruption. Im Kongo herrscht immer noch das Recht des Stärkeren, dessen Ende Lumumba einst verkündete. Eine Besserung ist nicht in Sicht.