Stefan Heinlein: ... Ressortleiter Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", Heribert Prantl, guten Tag nach München!
Heribert Prantl: Ich grüße Sie!
Heinlein: Herr Prantl, geht es tatsächlich nur um Steuerhinterziehung und Bestechung, oder müssen die Parteien nun zittern vor Karl-Heinz Schreiber und seinen Aussagen?
Prantl: Nun ja, diese ganze Geschichte erinnert ja an das aberwitzigste Jahr deutscher Parteiengeschichte, im Jahr 1999 im Spätherbst begann etwas, das vorher unvorstellbar war, die Dinge sind ja eben kurz aufgezählt worden: ein Kanzler Kohl als Gesetzesbrecher, Geheimkonten, Geheimtresore der CDU, falsche Rechenschaftsberichte, nicht verbuchte Großspenden, ungeklärte Bauspenden, im Mittelpunkt dieser Geschichten, im Zentrum immer wieder dieser dubiose Karl-Heinz Schreiber. Aber was jetzt juristisch hochaktuell ist, ist ja im Politischen Archäologie. Diese zehn Jahre, die dazwischen liegen, sind politisch eine ungeheuer lange Zeit und die handelnden Personen von damals sind nicht mehr die Handelnden von heute, ausgenommen der heutige CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble, der damals eine bestimmte Rolle spielte, Bar-Spenden bis heute ungeklärt, allenfalls insoweit ist dieses Ende der Flucht des Karl-Heinz Schreiber für den Wahlkampf interessant. Ansonsten wird die Geschichte zwar Wellen werfen, weil die Dinge, die bei Archäologie ans Licht kommen, natürlich gleichwohl interessant sein können, aber für den aktuellen Wahlkampf, für die aktuellen politischen Dinge wird das keine wesentliche Rolle spielen. Man muss ja auch sehen, Angela Merkel ist ja als Repräsentantin der neuen CDU nach Helmut Kohl, nach den schwarzen Kassen an die Spitze der CDU gelangt, insofern steht die mit neuen Erkenntnissen, die möglicherweise über die alte CDU jetzt ans Licht kommen, möglicherweise nur noch besser da als jetzt.
Heinlein: Ist Schreiber also nur ein Wichtigtuer, wenn er angekündigt hat, seine Rückkehr, seine Aussagen werde einen Riesenzirkus auslösen?
Prantl: Nun ja, einen Riesenzirkus haben wir ja schon heute. Wir befinden uns nicht nur im Sommerloch, sondern auch bei einer der spektakulärsten Geschichten, wie gesagt, der deutschen Parteiengeschichte. Aber zu den besonderen Kennzeichen dieses dubiosen Herren gehört ja auch seine Wichtigtuerei, mit dieser Wichtigtuerei hat er die Waffengeschäfte abgewickelt, hat er ein Schmiergeldnetz aufgebaut, zu den besonderen Kennzeichen von Karl-Heinz Schreiber in seiner Zeit in Kanada gehört ja auch, dass er ständig widersprüchliche Angaben machte zu den Details, die er angeblich vorzubringen hat. Ich denke, ein besonders glaubwürdiger, in Anführungszeichen Zeuge für diese Dinge ist Karl-Heinz Schreiber nicht, er ist angeklagt, er war mit gutem Grund auf der Flucht. Er wird einige Dinge sagen, die vielleicht neu sind, aber die irgendwie von grundstürzender Art sind, das kann ich mir beim heutigen Stand wirklich nicht vorstellen.
Heinlein: Herr Prantl, gehört zu dieser Wichtigtuerei von Karl-Heinz Schreiber auch, dass er jetzt von einem politischen Verfahren gegen ihn spricht? Er sagt ja, seine Auslieferung - das hat er gestern noch in Kanada gesagt - sei politisch motiviert mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.
Prantl: Ach, das ist großer Unsinn. Man kann sich nicht vorstellen, wie sich dieser Prozess gegen Schreiber gewichtig auf die heutige Politik oder den heutigen Wahlkampf auswirken soll. Das gehört zu der Großsprecherei dieses Herren, die offensichtlich Persönlichkeitsmerkmal ist. Er hält sich ja zugute, dass die SPD mittels seines Wirkens schon Wahlkämpfe gewonnen hat und er meint jetzt, man habe die Auslieferung betrieben, um den Wahlkampf zu beeinflussen aufseiten der Bundesjustizministerin. Das ist wirklich großer Unsinn, das Auslieferungsverfahren läuft seit vielen, vielen Jahren. Man kann sich eher fragen, warum es so entsetzlich lange gedauert hat. Es hat so lange gedauert, weil Schreiber mit allen juristischen Winkelzügen, die nur denkbar sind, inklusive mit Bestechung und den gewohnten Dingen, die er immer betrieben hat, es auch in Kanada verstanden hat, sich dort zu halten. Irgendwelche politischen Dinge hier zu vermuten, ...
Heinlein: Aber, Herr Prantl, wird sich denn die SPD jetzt diese Gelegenheit ... wird diese Gelegenheit verpassen und nicht möglicherweise einen neuen Untersuchungsausschuss in Gang setzen, sei es nur, um die Person Kohl, Kiep oder eben den amtierenden Innenminister Schäuble nun erneut vor einen Untersuchungsausschuss zerren zu können?
Prantl: Ach, ich glaube nicht, dass es jedenfalls auf die Schnelle irgendwas bringt, noch hat man keine Aussagen, man wird erst mal die Aussagen des künftigen Angeklagten Schreiber im Prozess abwarten müssen. Der damalige Untersuchungsausschuss hat unbefriedigend geendet, man wusste nicht genau, wie es sich nun mit der 100.000-Mark-Spende an Schäuble verhalten hat. Das konnte nicht geklärt werden. Aber hier sind ja alle Aussagen von Schreiber gemacht, Herr Schreiber hat sich pausenlos widersprochen. Ich glaube nicht - jedenfalls aufgrund der jetzt bekannten Dinge -, dass ausreichende Grundlagen für die Wiederaufnahme des Untersuchungsausschusses sich ergeben werden. Ich sehe auch nicht so recht, wie die SPD, wenn es gegen Helmut Kohl, gegen den ehemaligen Schatzmeister Leisler Kiep geht, hier irgendwie für den Wahlkampf Nuggets gewinnen könnte, allenfalls im Zusammenhang mit Wolfgang Schäuble könnte sich da noch was ergeben, aber die Dubiositäten sind ja schon ausreichend debattiert worden. Ich glaube nicht, dass der Fall Schreiber so spektakulär sein mag, von mehr als parteihistorischem Interesse ist.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Heribert Prantl: Ich grüße Sie!
Heinlein: Herr Prantl, geht es tatsächlich nur um Steuerhinterziehung und Bestechung, oder müssen die Parteien nun zittern vor Karl-Heinz Schreiber und seinen Aussagen?
Prantl: Nun ja, diese ganze Geschichte erinnert ja an das aberwitzigste Jahr deutscher Parteiengeschichte, im Jahr 1999 im Spätherbst begann etwas, das vorher unvorstellbar war, die Dinge sind ja eben kurz aufgezählt worden: ein Kanzler Kohl als Gesetzesbrecher, Geheimkonten, Geheimtresore der CDU, falsche Rechenschaftsberichte, nicht verbuchte Großspenden, ungeklärte Bauspenden, im Mittelpunkt dieser Geschichten, im Zentrum immer wieder dieser dubiose Karl-Heinz Schreiber. Aber was jetzt juristisch hochaktuell ist, ist ja im Politischen Archäologie. Diese zehn Jahre, die dazwischen liegen, sind politisch eine ungeheuer lange Zeit und die handelnden Personen von damals sind nicht mehr die Handelnden von heute, ausgenommen der heutige CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble, der damals eine bestimmte Rolle spielte, Bar-Spenden bis heute ungeklärt, allenfalls insoweit ist dieses Ende der Flucht des Karl-Heinz Schreiber für den Wahlkampf interessant. Ansonsten wird die Geschichte zwar Wellen werfen, weil die Dinge, die bei Archäologie ans Licht kommen, natürlich gleichwohl interessant sein können, aber für den aktuellen Wahlkampf, für die aktuellen politischen Dinge wird das keine wesentliche Rolle spielen. Man muss ja auch sehen, Angela Merkel ist ja als Repräsentantin der neuen CDU nach Helmut Kohl, nach den schwarzen Kassen an die Spitze der CDU gelangt, insofern steht die mit neuen Erkenntnissen, die möglicherweise über die alte CDU jetzt ans Licht kommen, möglicherweise nur noch besser da als jetzt.
Heinlein: Ist Schreiber also nur ein Wichtigtuer, wenn er angekündigt hat, seine Rückkehr, seine Aussagen werde einen Riesenzirkus auslösen?
Prantl: Nun ja, einen Riesenzirkus haben wir ja schon heute. Wir befinden uns nicht nur im Sommerloch, sondern auch bei einer der spektakulärsten Geschichten, wie gesagt, der deutschen Parteiengeschichte. Aber zu den besonderen Kennzeichen dieses dubiosen Herren gehört ja auch seine Wichtigtuerei, mit dieser Wichtigtuerei hat er die Waffengeschäfte abgewickelt, hat er ein Schmiergeldnetz aufgebaut, zu den besonderen Kennzeichen von Karl-Heinz Schreiber in seiner Zeit in Kanada gehört ja auch, dass er ständig widersprüchliche Angaben machte zu den Details, die er angeblich vorzubringen hat. Ich denke, ein besonders glaubwürdiger, in Anführungszeichen Zeuge für diese Dinge ist Karl-Heinz Schreiber nicht, er ist angeklagt, er war mit gutem Grund auf der Flucht. Er wird einige Dinge sagen, die vielleicht neu sind, aber die irgendwie von grundstürzender Art sind, das kann ich mir beim heutigen Stand wirklich nicht vorstellen.
Heinlein: Herr Prantl, gehört zu dieser Wichtigtuerei von Karl-Heinz Schreiber auch, dass er jetzt von einem politischen Verfahren gegen ihn spricht? Er sagt ja, seine Auslieferung - das hat er gestern noch in Kanada gesagt - sei politisch motiviert mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.
Prantl: Ach, das ist großer Unsinn. Man kann sich nicht vorstellen, wie sich dieser Prozess gegen Schreiber gewichtig auf die heutige Politik oder den heutigen Wahlkampf auswirken soll. Das gehört zu der Großsprecherei dieses Herren, die offensichtlich Persönlichkeitsmerkmal ist. Er hält sich ja zugute, dass die SPD mittels seines Wirkens schon Wahlkämpfe gewonnen hat und er meint jetzt, man habe die Auslieferung betrieben, um den Wahlkampf zu beeinflussen aufseiten der Bundesjustizministerin. Das ist wirklich großer Unsinn, das Auslieferungsverfahren läuft seit vielen, vielen Jahren. Man kann sich eher fragen, warum es so entsetzlich lange gedauert hat. Es hat so lange gedauert, weil Schreiber mit allen juristischen Winkelzügen, die nur denkbar sind, inklusive mit Bestechung und den gewohnten Dingen, die er immer betrieben hat, es auch in Kanada verstanden hat, sich dort zu halten. Irgendwelche politischen Dinge hier zu vermuten, ...
Heinlein: Aber, Herr Prantl, wird sich denn die SPD jetzt diese Gelegenheit ... wird diese Gelegenheit verpassen und nicht möglicherweise einen neuen Untersuchungsausschuss in Gang setzen, sei es nur, um die Person Kohl, Kiep oder eben den amtierenden Innenminister Schäuble nun erneut vor einen Untersuchungsausschuss zerren zu können?
Prantl: Ach, ich glaube nicht, dass es jedenfalls auf die Schnelle irgendwas bringt, noch hat man keine Aussagen, man wird erst mal die Aussagen des künftigen Angeklagten Schreiber im Prozess abwarten müssen. Der damalige Untersuchungsausschuss hat unbefriedigend geendet, man wusste nicht genau, wie es sich nun mit der 100.000-Mark-Spende an Schäuble verhalten hat. Das konnte nicht geklärt werden. Aber hier sind ja alle Aussagen von Schreiber gemacht, Herr Schreiber hat sich pausenlos widersprochen. Ich glaube nicht - jedenfalls aufgrund der jetzt bekannten Dinge -, dass ausreichende Grundlagen für die Wiederaufnahme des Untersuchungsausschusses sich ergeben werden. Ich sehe auch nicht so recht, wie die SPD, wenn es gegen Helmut Kohl, gegen den ehemaligen Schatzmeister Leisler Kiep geht, hier irgendwie für den Wahlkampf Nuggets gewinnen könnte, allenfalls im Zusammenhang mit Wolfgang Schäuble könnte sich da noch was ergeben, aber die Dubiositäten sind ja schon ausreichend debattiert worden. Ich glaube nicht, dass der Fall Schreiber so spektakulär sein mag, von mehr als parteihistorischem Interesse ist.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.