Dienstag, 23. April 2024

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Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien
"Frauen zählen, Frauen zählen, Frauen zählen"

Kaum Führungspositionen und Rollenstereotype: Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) stellt im Deutschlandfunk die Ergebnisse des Runden Tisches zum Thema "Frauen in Kultur und Medien" – und erklärt, warum sie eine Quote dennoch für den falschen Weg hält.

Monika Grütters im Gespräch mit Stefan Fries | 17.07.2017
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters, CDU.
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters, CDU. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Eine Studie des Deutschen Kulturrates hatte im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass Frauen in Kultur- und Medienberufen durchschnittlich 24 Prozent weniger verdienen als männliche Kollegen. Außerdem sind Frauen laut der Studie in Führungspositionen von Kulturbetrieben und in Jurys von Wettbewerben unterrepräsentiert und werden bei Preisverleihungen seltener ausgezeichnet. Grütters hatte nach der Untersuchung vor einem Jahr den Runden Tisch eingerichtet.

    Stefan Fries: In der Studie steht: Der Anteil an Frauen unter den meisten ARD-Anstalten liegt bei 50 Prozent, bei Radio Bremen sogar bei 60 Prozent. Dann ist doch eigentlich alles gut, oder?
    Monika Grütters: Insgesamt ist der Medienbereich wie die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft auch leider unterdurchschnittlich mit Frauen in Führungspositionen besetzt. Und das gilt für eine Branche, die ja eigentlich gesellschaftliche Avantgarde sein möchte. Wir haben in einer Studie dann ja nicht nur die ARD-Anstalten untersucht, sondern zum Beispiel festgestellt, dass bei deutschen Regionalzeitungen 95 Prozent der Chefredakteure Männer sind. Bei den Stellvertretern ist das immerhin noch bei 82 Prozent, und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt sind nur rund 17 Prozent der Intendantenpositionen mit Frauen besetzt. Und das macht natürlich einen Teil der Realität aus. Und es kommt hinzu, dass es ja nicht nur um die politischen Redakteure geht, sondern auch die Bilder, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten in der deutschen Gesellschaft verbreiten. Und da spielen Rollenstereotype doch eine massive Rolle. Ich frage mal, warum nicht mal eine Frau auf einem 'Traumschiff' Kapitänin sein kann?
    Fries: Das heißt, das Problem ist unbedingt der Anteil an Frauen unter allen Mitarbeitern, sondern dass zu wenige von ihnen Führungsaufgaben haben?
    Grütters: So ist es. Und deshalb natürlich auch die meinungsbildenden Akzente setzen können. Selbst wenn das bei Männern und Frauen nicht schlecht gemeint ist, ist es trotzdem ein Unterschied, ob die Gremien beispielsweise tatsächlich ausführende Positionen oder zum Beispiel auch so was Wichtiges wie Jurys paritätisch oder zumindest mit einem signifikanten Frauenanteil besetzen. Denn natürlich sehen die die Welt aufgrund ihrer eigenen beruflichen und persönlichen Erfahrungen etwas anders.
    Fries: Wie kommt es, dass Frauen in den Führungspositionen nicht so repräsentiert sind wie in der gesamten Belegschaft?
    Grütters: Ich glaube inzwischen, auch aufgrund meiner eigenen persönlichen Erfahrung im privaten wie im beruflichen Umfeld, dass es diese eine Stellschraube nicht gibt, sondern dass wir eine Quote in den Köpfen brauchen. Wir müssen das Bewusstsein für diese Umstände schärfen. Denn es liegt zumindest nicht daran, dass – wie ein Maler, Herr Baselitz, mal im 'Spiegel' zu verkünden meinte – Frauen schlechter malen. Das ist Unfug. Und selbstverständlich nicht die Erklärung. Frauen sind gleich gut ausgebildet und begabt. Man muss sie dann in dem Augenblick, in dem man Positionen zu vergeben hat, auch ranlassen.
    Fries: Reicht das denn aus, dieses Bewusstsein?
    Grütters: Bei Quoten muss man vorsichtig sein, da muss man die Realität sehen. Ich spreche mal von der CDU Berlin: Da würde eine Quote von 50 Prozent keinen Sinn machen, weil wir 32 Prozent weibliche Mitglieder haben. Da muss man einfach die Realität begucken, aber auch was draus machen. Ich habe jetzt einen Landesvorstand mit 50 Prozent Frauen gewählt, weil sich das anbot und weil man überhaupt mal danach gefragt hat. Aber deshalb ist das Thema Quote nur ein begrenzt sinnvolles Instrument. Ich glaube tatsächlich, wir brauchen eine Quote in den Köpfen, ein geschärftes Bewusstsein, damit wir Stereotype erkennen, Rollenbilder hinterfragen. Stichwort: In einschlägigen Unterhaltungssendungen im Fernsehen, wo Sie mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten schon kommen, da muss man in den Krankenhausserien auch mal eine Frau als Chefärztin präsentieren und nicht immer nur die Männer im weißen Kittel nach vorne stellen.
    Fries: Aber wie kommt man dahin?
    Grütters: Zum Beispiel, indem man darüber spricht, indem wir eine Studie gemacht haben, indem wir heute zum dritten Mal mit Runden Tischen hier waren. Die Intendanten waren fast immer dabei, die Programmmacherinnen waren dabei, wir hatten berühmte Schauspielerinnen, die jetzt den Finger in die Wunde legen und mit ihrer Prominenz – Frau Furtwängler heute Abend und auch letzte Woche – dafür werben, damit man merkt, dass man immer noch Vorurteilen aufgesessen ist. Und es gibt ein paar gute Maßnahmen, die sind ganz simpel: Gremien anders besetzen, Jurys mit Frauen besetzen, Preise vergeben, die zum Beispiel eine besondere Kinderfreundlichkeit in den Betrieben wie den ARD-Anstalten belobigen. Die Kinderbetreuung überhaupt mal ändern. Es gibt Coaching-Programme, Mentoring-Programme. Was wir jetzt machen: Wir werden ein Projektbüro einrichten, "Frauen in Kultur und Medien" beim Deutschen Kulturrat, das auch nachhaltig immer wieder dafür wirbt, als Anlauf- und Beratungsstelle fungiert, eine solide Datenbasis zum Beispiel erstellt: Frauen zählen, Frauen zählen, Frauen zählen – man muss es, glaube ich, immer wieder sagen. Das Mentoring-Programme anbietet und dafür sorgt, dass tatsächlich solche Dinge wie Gremien und Jurys richtig besetzt werden, dass faire Bezahlung ein Thema ist und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gerade in künstlerischen Bereichen – nicht vernachlässigt wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.