Krings: Guten Tag, Herr Breker, ich grüße Sie.
Breker: Herr Krings, in Zeiten, wo die SPD an sozialer Kompetenz verliert, will die CDU diese soziale Kompetenz offenbar gar nicht erst haben?
Krings: Das sehe ich ganz anders. Wir als CDU und da ist ja in diesem Fall der Unterschied CDU - CSU durchaus handgreiflich, wir haben das modernste Konzept vorgelegt, was es im Bereich der sozialen Sicherungssysteme gibt mit den Beschlüssen des Leipziger Parteitages. Mehr soziale Kompetenz geht eigentlich gar nicht, erstmalig, dass in der Geschichte der Republik der Versuch gemacht worden ist, eine Zukunftsfähigkeit aller vier sozialen Sicherungssysteme in einem in sich geschlossenen Konzept darzulegen, also viel moderner geht es eigentlich nicht.
Breker: Allerdings müssen Sie sich gefallen lassen, dass Edmund Stoiber, der CSU-Chef und Ministerpräsident in Bayern Ihnen heute dazu sagt, diese Pläne werden zum Rohrkrepierer werden.
Krings: Das ist in der Tat der Vorwurf, das ärgert mich auch etwas, weil, wenn er auch davon spricht, dass sei ein angeblich hingeworfenes Modell, dann muss ich schon sagen, besser ein angeblich hingeworfenes Modell als gar kein Modell. Die CSU hat bisher in den letzten Monaten immer sehr fleißig gesagt, wo sie meint, dass Schwachstellen liegen, aber ein geschlossenes Modell aus Reihen der CSU vermisse ich bis heute im Bereich der Gesundheitsversorgung zum Beispiel.
Breker: Ein weiteres Attribut von Edmund Stoiber ist, die Reform sei weder solidarisch, noch sozial gerecht und das sei eben halt gerade das Problem.
Krings: Wir haben in Deutschland glaube ich, zu lange, sozial definiert und Sozialstaat definiert als, möglichst viel Transferleistungen in unserem System hin und her zu bewegen. Ich glaube, wenn wir diese Definition von Sozialstaat zu Grunde legen, möglichst viel Geld hin und her zu transferieren, dann mag es weniger soziale Inhalte haben. Aber wenn sozial gerecht bedeutet, dass jeder auch eine Chance bekommen soll, auch einen Arbeitsplatz zu bekommen, weil eben Lohnzusatzkosten in erträglichem Rahmen gehalten werden, dann ist genau das, was wir als CDU hier in Leipzig beschlossen haben, die deutlich sozialere Variante.
Breker: Edmund Stoiber ist durchaus konkret geworden heute in seinem Beitrag für die Zeitung "Die Welt", er hat gesagt, den Arbeitgeberbeitrag in einen steuer- und sozialabgabepflichtigen Lohnbestandteil umzuwandeln, das führe eben auch dazu, dass, was gar nicht beabsichtigt sei, dass der Arbeitgeberanteil dann auch herangezogen wird für die Renten- und Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Krings: Das wären Fragen der konkreten Ausführung. Ich glaube, dass man da durchaus Lösungen finden kann, die dann zu keinen ungewollten Verschiebungen führen. Der entscheidende Punkt ist aber, ob ich bereit bin in Deutschland, die Kosten der Krankheit, die Kosten von Gesundheitsvorsorge vom Faktor Arbeit abzukoppeln. Wenn wir wissen, dass wir weniger als zehn Prozent unserer ganzen Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen, dann ist es nicht logisch, 100 Prozent der Krankheitskosten bei den meisten Menschen vom Faktor Lohn abhängig zu machen. Diese Grundentscheidung müssen wir treffen, das ist der entscheidende Punkt, über die Ausführung, über die Einzelheit der Ausführung kann man sich dann sicherlich noch sehr trefflich streiten.
Breker: In welchem Umfang denken Sie denn, dass ein Sozialausgleich geleistet werden muss? Da hat CSU-Vize Seehofer ja schon gesagt, dass die Union mit 25 Milliarden rechnet und dies reiche bei weitem nicht aus, man spreche eigentlich mehr über Summen, die an 40 Milliarden herangehen.
Krings: Die Berechnung von Herrn Seehofer kenne ich durchaus, ich halte sie nicht für sehr stichhaltig, umgekehrt gab es mal bei der CDU ursprünglich Zahlen von zehn Milliarden, die sind wohl auch zu niedrig gegriffen. Ich glaube, dass das bei etwa 25 Milliarden liegen wird. Allerdings ist es sehr schwer, das genau zu prognostizieren und wir müssen wissen, dass das etwas kostet, dass dafür aber die Menschen bei der Krankenversicherung entlastet werden und das ist der entscheidende Punkt. Das jetzige System, das wir heute haben, wo der solidarische Ausgleich innerhalb der Versicherten stattfindet, das sind eben nur 90 Prozent der Bevölkerung, das ist das sozial ungerechte System, weil Leute wie Selbstständige, gutverdienende Menschen, auch die meisten Abgeordneten aus dem Solidarausgleich nach jetzigem Recht draußen sind und das kann ich nicht als sozial ansehen.
Breker: Dieser soziale Ausgleich müsste dann von Steuern finanziert werden und da würden Sie auch die Mehrwertssteuer bevorzugen?
Krings: Ich glaube, dass der entscheidende Punkt, auch gerade wegen der sozialen Komponente, der entscheidende Ausgleich im Einkommenssteuersystem erfolgen muss. Dass zusätzlich flankierend gewisse Mehrwertssteueranpassungen vorgenommen werden können, auch im Hinblick auf den Mehrwertsteuersatz anderer europäischer Staaten, mag sein, aber der Schwerpunkt muss meines Erachtens bei der Einkommenssteuer liegen. Wir haben zwei große Baustellen in Deutschland, einmal die Reform der sozialen Sicherung und zum zweiten die Reform der Einkommenssteuer und ich glaube, dass wir schon den Mut haben müssen, zwischen diesen beiden Baustellen auch eine Reihenfolge festzulegen und für mich ist die Reform der sozialen Sicherung ungleich wichtiger und drängender. Weil, was bringen uns erträgliche Steuersätze, wenn nachher niemand mehr in Deutschland arbeitet wegen hoher Lohnzusatzkosten?
Breker: Es ist inzwischen durch die Kritik der CSU der Eindruck entstanden, Herr Krings, dass die Reformen, Sie haben es angesprochen, die Sozialreformen und die Steuerreformen nicht richtig abgestimmt seien. Wie sollen sie aber, wenn sie nicht abgestimmt sind, überzeugen?
Krings: Das habe ich gerade versucht, anzudeuten, dass wir es mit einer zeitlichen Staffelung, glaube ich, versuchen müssen, dass wir sagen müssen, was ist am Wichtigsten, das ist die Reform der sozialen Sicherungssysteme und dass wir dann bereit sein müssen, auch eine Steuerreform gegebenenfalls um ein, zwei, drei Jahre noch mal zu schieben. Das ist meinen persönliche Überzeugung, dass es wichtiger ist, jetzt diese Baustelle Lohnzusatzkosten in den Griff zu bekommen und das muss auch, glaube ich, die CSU einsehen.
Breker: Kann man eigentlich, Herr Krings, den Menschen immer wieder Reformdiskussionen vorsetzen, wenn wir an Friedrich Merz und seine Idee zum Kündigungsschutz denken. Sind die Menschen nicht langsam in der Reformdiskussion überfordert?
Krings: Das kann ich gut nachvollziehen, diese Haltung. Es ist, glaube ich, wichtig, dass wir bei unseren Konzepten bleiben, deshalb bin ich auch der Auffassung, wir sollten eben das Konzept des Leipziger Parteitages der CDU eben nicht aufweichen und sagen, dass ist unser Konzept und jetzt daran gehen, wie wir denn die Schritte einleiten können zur Umsetzung, uns jetzt vorbereiten auf die Zeit ab 2006, wenn wir dann die Chance haben, es auch umzusetzen, statt ständig neue Konzepte nachzulegen. Auch im Bereich des Kündigungsschutzes gibt es gemeinsame Positionen von CDU und CSU sogar und es geht erst mal darum, diese umzusetzen, ehe wir dann ständig neue Konzepte nachlegen.
Breker: Und für 2006 oder früher ist die Union aufgestellt?
Krings: Ich denke, die CDU ist auf jeden Fall aufgestellt und ich glaube, dass die CSU auch einsehen wird, dass sie mit ihrer Sonderhaltung hier nicht viel weiterkommt. Die übrigens beste Äußerung im Interview von Herrn Stoiber in der Welt, auf das Sie ja teilweise Bezug nehmen, war übrigens, dass er sich klar zum Koalitionspartner FDP bekannt hat, das wird dann vieles eh lösen. Die FDP, das wissen wir, ist noch viel konsequenter und radikaler, für mehr Eigenverantwortung, für weniger staatliche Elemente und da denke ich mir, wird die CDU dann zwischen FDP und CSU genau auf der Mittellinie sich bewegen und das, glaube ich, wird viele Fragen, die heute zwischen CSU und CDU bestehen, dann sehr schnell und sehr einfach lösen.
Breker: In den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk war das der Sprecher der Jungen Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag, Günter Krings. Herr Krings, ich danke für dieses Gespräch.
Krings: Ich bedanke mich auch. Tschüß.
Breker: Herr Krings, in Zeiten, wo die SPD an sozialer Kompetenz verliert, will die CDU diese soziale Kompetenz offenbar gar nicht erst haben?
Krings: Das sehe ich ganz anders. Wir als CDU und da ist ja in diesem Fall der Unterschied CDU - CSU durchaus handgreiflich, wir haben das modernste Konzept vorgelegt, was es im Bereich der sozialen Sicherungssysteme gibt mit den Beschlüssen des Leipziger Parteitages. Mehr soziale Kompetenz geht eigentlich gar nicht, erstmalig, dass in der Geschichte der Republik der Versuch gemacht worden ist, eine Zukunftsfähigkeit aller vier sozialen Sicherungssysteme in einem in sich geschlossenen Konzept darzulegen, also viel moderner geht es eigentlich nicht.
Breker: Allerdings müssen Sie sich gefallen lassen, dass Edmund Stoiber, der CSU-Chef und Ministerpräsident in Bayern Ihnen heute dazu sagt, diese Pläne werden zum Rohrkrepierer werden.
Krings: Das ist in der Tat der Vorwurf, das ärgert mich auch etwas, weil, wenn er auch davon spricht, dass sei ein angeblich hingeworfenes Modell, dann muss ich schon sagen, besser ein angeblich hingeworfenes Modell als gar kein Modell. Die CSU hat bisher in den letzten Monaten immer sehr fleißig gesagt, wo sie meint, dass Schwachstellen liegen, aber ein geschlossenes Modell aus Reihen der CSU vermisse ich bis heute im Bereich der Gesundheitsversorgung zum Beispiel.
Breker: Ein weiteres Attribut von Edmund Stoiber ist, die Reform sei weder solidarisch, noch sozial gerecht und das sei eben halt gerade das Problem.
Krings: Wir haben in Deutschland glaube ich, zu lange, sozial definiert und Sozialstaat definiert als, möglichst viel Transferleistungen in unserem System hin und her zu bewegen. Ich glaube, wenn wir diese Definition von Sozialstaat zu Grunde legen, möglichst viel Geld hin und her zu transferieren, dann mag es weniger soziale Inhalte haben. Aber wenn sozial gerecht bedeutet, dass jeder auch eine Chance bekommen soll, auch einen Arbeitsplatz zu bekommen, weil eben Lohnzusatzkosten in erträglichem Rahmen gehalten werden, dann ist genau das, was wir als CDU hier in Leipzig beschlossen haben, die deutlich sozialere Variante.
Breker: Edmund Stoiber ist durchaus konkret geworden heute in seinem Beitrag für die Zeitung "Die Welt", er hat gesagt, den Arbeitgeberbeitrag in einen steuer- und sozialabgabepflichtigen Lohnbestandteil umzuwandeln, das führe eben auch dazu, dass, was gar nicht beabsichtigt sei, dass der Arbeitgeberanteil dann auch herangezogen wird für die Renten- und Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Krings: Das wären Fragen der konkreten Ausführung. Ich glaube, dass man da durchaus Lösungen finden kann, die dann zu keinen ungewollten Verschiebungen führen. Der entscheidende Punkt ist aber, ob ich bereit bin in Deutschland, die Kosten der Krankheit, die Kosten von Gesundheitsvorsorge vom Faktor Arbeit abzukoppeln. Wenn wir wissen, dass wir weniger als zehn Prozent unserer ganzen Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen, dann ist es nicht logisch, 100 Prozent der Krankheitskosten bei den meisten Menschen vom Faktor Lohn abhängig zu machen. Diese Grundentscheidung müssen wir treffen, das ist der entscheidende Punkt, über die Ausführung, über die Einzelheit der Ausführung kann man sich dann sicherlich noch sehr trefflich streiten.
Breker: In welchem Umfang denken Sie denn, dass ein Sozialausgleich geleistet werden muss? Da hat CSU-Vize Seehofer ja schon gesagt, dass die Union mit 25 Milliarden rechnet und dies reiche bei weitem nicht aus, man spreche eigentlich mehr über Summen, die an 40 Milliarden herangehen.
Krings: Die Berechnung von Herrn Seehofer kenne ich durchaus, ich halte sie nicht für sehr stichhaltig, umgekehrt gab es mal bei der CDU ursprünglich Zahlen von zehn Milliarden, die sind wohl auch zu niedrig gegriffen. Ich glaube, dass das bei etwa 25 Milliarden liegen wird. Allerdings ist es sehr schwer, das genau zu prognostizieren und wir müssen wissen, dass das etwas kostet, dass dafür aber die Menschen bei der Krankenversicherung entlastet werden und das ist der entscheidende Punkt. Das jetzige System, das wir heute haben, wo der solidarische Ausgleich innerhalb der Versicherten stattfindet, das sind eben nur 90 Prozent der Bevölkerung, das ist das sozial ungerechte System, weil Leute wie Selbstständige, gutverdienende Menschen, auch die meisten Abgeordneten aus dem Solidarausgleich nach jetzigem Recht draußen sind und das kann ich nicht als sozial ansehen.
Breker: Dieser soziale Ausgleich müsste dann von Steuern finanziert werden und da würden Sie auch die Mehrwertssteuer bevorzugen?
Krings: Ich glaube, dass der entscheidende Punkt, auch gerade wegen der sozialen Komponente, der entscheidende Ausgleich im Einkommenssteuersystem erfolgen muss. Dass zusätzlich flankierend gewisse Mehrwertssteueranpassungen vorgenommen werden können, auch im Hinblick auf den Mehrwertsteuersatz anderer europäischer Staaten, mag sein, aber der Schwerpunkt muss meines Erachtens bei der Einkommenssteuer liegen. Wir haben zwei große Baustellen in Deutschland, einmal die Reform der sozialen Sicherung und zum zweiten die Reform der Einkommenssteuer und ich glaube, dass wir schon den Mut haben müssen, zwischen diesen beiden Baustellen auch eine Reihenfolge festzulegen und für mich ist die Reform der sozialen Sicherung ungleich wichtiger und drängender. Weil, was bringen uns erträgliche Steuersätze, wenn nachher niemand mehr in Deutschland arbeitet wegen hoher Lohnzusatzkosten?
Breker: Es ist inzwischen durch die Kritik der CSU der Eindruck entstanden, Herr Krings, dass die Reformen, Sie haben es angesprochen, die Sozialreformen und die Steuerreformen nicht richtig abgestimmt seien. Wie sollen sie aber, wenn sie nicht abgestimmt sind, überzeugen?
Krings: Das habe ich gerade versucht, anzudeuten, dass wir es mit einer zeitlichen Staffelung, glaube ich, versuchen müssen, dass wir sagen müssen, was ist am Wichtigsten, das ist die Reform der sozialen Sicherungssysteme und dass wir dann bereit sein müssen, auch eine Steuerreform gegebenenfalls um ein, zwei, drei Jahre noch mal zu schieben. Das ist meinen persönliche Überzeugung, dass es wichtiger ist, jetzt diese Baustelle Lohnzusatzkosten in den Griff zu bekommen und das muss auch, glaube ich, die CSU einsehen.
Breker: Kann man eigentlich, Herr Krings, den Menschen immer wieder Reformdiskussionen vorsetzen, wenn wir an Friedrich Merz und seine Idee zum Kündigungsschutz denken. Sind die Menschen nicht langsam in der Reformdiskussion überfordert?
Krings: Das kann ich gut nachvollziehen, diese Haltung. Es ist, glaube ich, wichtig, dass wir bei unseren Konzepten bleiben, deshalb bin ich auch der Auffassung, wir sollten eben das Konzept des Leipziger Parteitages der CDU eben nicht aufweichen und sagen, dass ist unser Konzept und jetzt daran gehen, wie wir denn die Schritte einleiten können zur Umsetzung, uns jetzt vorbereiten auf die Zeit ab 2006, wenn wir dann die Chance haben, es auch umzusetzen, statt ständig neue Konzepte nachzulegen. Auch im Bereich des Kündigungsschutzes gibt es gemeinsame Positionen von CDU und CSU sogar und es geht erst mal darum, diese umzusetzen, ehe wir dann ständig neue Konzepte nachlegen.
Breker: Und für 2006 oder früher ist die Union aufgestellt?
Krings: Ich denke, die CDU ist auf jeden Fall aufgestellt und ich glaube, dass die CSU auch einsehen wird, dass sie mit ihrer Sonderhaltung hier nicht viel weiterkommt. Die übrigens beste Äußerung im Interview von Herrn Stoiber in der Welt, auf das Sie ja teilweise Bezug nehmen, war übrigens, dass er sich klar zum Koalitionspartner FDP bekannt hat, das wird dann vieles eh lösen. Die FDP, das wissen wir, ist noch viel konsequenter und radikaler, für mehr Eigenverantwortung, für weniger staatliche Elemente und da denke ich mir, wird die CDU dann zwischen FDP und CSU genau auf der Mittellinie sich bewegen und das, glaube ich, wird viele Fragen, die heute zwischen CSU und CDU bestehen, dann sehr schnell und sehr einfach lösen.
Breker: In den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk war das der Sprecher der Jungen Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag, Günter Krings. Herr Krings, ich danke für dieses Gespräch.
Krings: Ich bedanke mich auch. Tschüß.