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"Geschwindigkeitsbegrenzung kann Konflikte auf der Straße reduzieren"

Breker: Telefonisch bin ich nun mit Christian Maag verbunden, Verkehrspsychologe an der Universität Würzburg. Guten Tag, Herr Maag.

Moderation: Gerd Breker |
    Maag: Grüß Gott.

    Breker: Herr Maag, ich wollte beginnen mit einem merkwürdigen Phänomen. Fast überall, außer bei uns hier in Deutschland gelten Geschwindigkeitsbegrenzungen, dennoch meldet die Autoindustrie, dass die Nachfrage nach PS-starken Fahrzeugen wächst. Woran liegt das? Gibt es so etwas wie: je mehr Kilowatt, umso mehr Macht?

    Maag: Mit solchen Psychologisierungen ist man meistens sehr schnell an der Hand. So ist es mit Sicherheit nicht, denn meistens ist bei den Fahrzeugen, wenn man sehr viel auf der Autobahn unterwegs ist, mit zunehmender Motorisierung und Leistung des Fahrzeugs natürlich auch das Fahren durchaus komfortabler. Man kann schneller überholen. Das reine Machtstreben ist es wohl nicht, das kann man nicht sagen.

    Breker: Kann man denn sagen, dass, wer schnell fahren kann, es auch tut?

    Maag: Es ist auf jeden Fall so, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit trotz der zunehmenden Verkehrsdichte auf den Autobahnen zunimmt, jedenfalls dann, wenn der Verkehr einigermaßen fließt. Jährlich etwa ein Stundenkilometer. Und es liegt durchaus daran, dass die Motorisierung stärker wird und die Fahrzeuge auch schneller fahren können, ja.

    Breker: Wenn man sich das aggressive Fahren bei uns anschaut, etwa im Vergleich zu dem Autofahren in Amerika, die alltägliche Drängelei, die auf den Autobahnen herrscht. Worum geht es da? Messen sich da Menschen auf den Straßen? Geht es um irgendeine Hackordnung?

    Maag: Nein, die Fahrer, die meistens auffällig werden auf Autobahnen sind Vielfahrer, sind Fahrer, die sehr professionell mit ihrem Fahrzeug umgehen können, die unter Termindruck stehen, die schnell von A nach B kommen wollen und müssen. Es sind auch meistens Männer, und da steckt jetzt weniger eine Hackordnung, dahinter sondern einfach der Termindruck, dass sie eben sehr schnell von A nach B kommen müssen.

    Breker: Und die Richtgeschwindigkeit hält sie nicht ab?

    Maag: Die Richtgeschwindigkeit wird eigentlich überhaupt nicht in Betracht gezogen, spielt überhaupt keine Rolle für die eigene Entscheidung. Die Wunschgeschwindigkeiten der Fahrer liegen meist deutlich über der Richtgeschwindigkeit.

    Breker: Dieses Urteil von heute, kann das etwas bewirken? Kann das der Beginn einer Neubesinnung sein?

    Maag: Die Möglichkeiten, die man jetzt hat, gegen Rasen und Drängeln vorzugehen, sei es jetzt Einwirkung auf den Verkehrsablauf auf der einen Seite oder verstärkte Kontrollen durch die Polizei auf der anderen Seite, dazu kommen als dritter Faktor mit Sicherheit eine entsprechende Berichterstattung in den Medien und der Versuch, das Rasen und das Drängeln von einem Kavaliersdelikt wegzubringen und klarzumachen, dass das sehr gefährlich sein kann, dass man Fahrzeuge, die vor einem fahren, zu einem Verhalten bringen kann, das so nicht gewollt ist, die werden dazu verleitet, in kleine Lücken rein zu fahren, die sie normalerweise nicht nutzen würden. So gesehen kann, vielleicht nicht unbedingt das Urteil alleine, aber die gesamte Berichterstattung über den Fall ein kleiner Baustein sein.

    Breker: Die Drängelei, die wir täglich erleben können, was kann man überhaupt dagegen tun? Wäre es nun angebracht zu sagen, okay, wir machen doch deutschlandweit eine Geschwindigkeitsbegrenzung etwa auf Höhe der Richtgeschwindigkeit?

    Maag: Geschwindigkeitsbegrenzungen sind mit Sicherheit eine Möglichkeit die Konflikte auf der Autobahn zu reduzieren, weil sie dazu führen, dass die Geschwindigkeitsdifferenzen auf der linken Spur reduziert werden. Es gibt nicht mehr so viele sehr schnelle Fahrzeuge, entsprechend nehmen die Konflikte ab und damit auch die Gründe für ein nahes Auffahren und Drängeln. Ob das ein generelles Tempolimit ist oder bezogen auf bestimmte Streckenabschnitte, bezogen auf ein bestimmtes Verkehrsaufkommen, das ist letztlich auch eine politische Entscheidung.

    Breker: Wie nehmen eigentlich, Herr Maag, Autofahrer ihr Autofahren wahr? Nehmen sie es wahr als Herumreisen mit einem unter Umständen tödlichen Objekt?

    Maag: Das glaube ich weniger, dazu haben wir jetzt keine Fragen gestellt im Rahmen unserer Studie, aber meistens wird die Gefährlichkeit, die mit dem Fahren verbunden ist, so deutlich nicht gesehen. Wobei man schon auch sagen muss, dass das Rasen und das Drängeln vor allem dann auftritt, wenn die Umgebungsbedingungen relativ sicher sind. Das heißt bei trockener Straße, vor allem in den Sommermonaten. Im Winter, wenn es glatt ist, wird kaum so nah aufgefahren. Also auch der Hintermann verhält sich so, dass er sich weiterhin sicher fühlt und glaubt sein Fahrzeug beherrschen zu können.

    Breker: Wie nehmen denn die Autofahrer überhaupt die Raserei und Drängelei wahr? Ist das etwas, was gefährlich sein könnte, oder ist das etwas, das, weil es alltäglich ist, dazu gehört? Also: Damit muss man rechnen, wenn ich mich auf die Autobahn begebe, dann erlebe ich so etwas eben.

    Maag: Die Verkehrsteilnehmer sind im Augenblick gegenüber dem Thema sehr sensibilisiert. Grundsätzlich rechnen die aber durchaus mit Rasern und Dränglern auf der Autobahn. Bei Befragungen kommt heraus, dass über 50 Prozent der Verkehrsteilnehmer sagen, dass nahes Auffahren, Drängeln, Rasen sehr häufig oder häufig ist auf der Autobahn. Die wissen alle um das Problem, nur die Häufigkeiten schwanken natürlich in Abhängigkeit auch vom Verkehrsaufkommen.

    Breker: Hat sich da in den letzten Jahren etwas verändert? Hat das zugenommen?

    Maag: Die Frage ist sehr schwer zu beantworten, denn einerseits habe ich die zunehmende Sensibilisierung durch die Medienberichterstattung, das heißt, wenn - was wir festgestellt haben - die Anzeigenzahl bei der Polizei ansteigt, dann weiß ich nicht, liegt es daran, dass wirklich mehr Rücksichtslosigkeiten da waren, oder liegt es daran, dass die Leute sensibilisiert sind, oder daran, dass die Mobiltelefone mehr verbreitet sind, man schneller und leichter eine Anzeige bei der Polizei aufgeben kann. So gesehen ist die Frage sehr schwer zu beantworten. Aber ein Grund, der auf jeden Fall wichtig ist für die Häufigkeit von solchen aggressiven und rücksichtslosen Episoden, ist das Verkehrsaufkommen, und das hat in den letzten Jahren ja durchaus noch leicht zugenommen.

    Breker: Zum Raserurteil in Karlsruhe war das in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk Christian Maag, er ist Verkehrspsychologe an der Universität Würzburg. Herr Maag, ich danke Ihnen.

    Maag: Bitte schön.