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Gesetz zur Teilzeitarbeit
"Das ist das Gegenteil von flexibler Arbeitszeitgestaltung"

Das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geplante Gesetz zur Regelung von Teilzeitarbeit sei ein Fall von Überregulierung, sagte Claudia Sturm vom Verband Die Familienunternehmer im DLF. "Wir brauchen das Gesetz nicht." Das sei eine Überdosis Bürokratie gerade für kleine Unternehmen.

Claudia Sturm im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.01.2017
    Figuren von Menschen in verschiedenem Alter sind auf dem Gebäude des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Freitag (09.03.2012) in Berlin in der Glinkastraße aufgeklebt.
    Bundesfamilienministerium, dekorierte Glasfront, Berlin Glinkastraße 2012 ((c) dpa/Jens Kalaene)
    Das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geplante Gesetz zur Regelung von Teilzeitarbeit sei ein Schritt zurück hinter das, was bei vielen Unternehmen derzeit schon aktuell gemacht werde. Es gebe einen Mangel an Facharbeitern, an Angestellten, da werde alles getan, um Mitarbeiter zu halten, sagte Claudia Sturm vom Verband Die Familienunternehmer. "Wir sehen das Problem nicht."
    Ein Arbeitgeber werde alles tun, um Mitarbeitern einen Volllarbeitsplatz zu garatieren. "Gute Mitarbeiter zu bekommen, ist die Herausforderung der Zukunft", sagte Sturm. Dazu bräuchten die Unternehmen aber auch Flexibilität. Wenn Mitarbeiter, die in Teilzeit gegangen seien, wieder zurück zu einer Vollzeitstelle wollten und einen Rechtsanspruch darauf hätten, dann liege die Beweislast bei den Unternehmen. Das sei aber oft nicht zu leisten und viel zu bürokratisch, vor allem für kleine Unternehmen. Es sei sinnvoller, da auf die Flexibilität der Unternehmen zu setzen.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es ist ein Problem, das viele Arbeitnehmer kennen und das die Bundesregierung offenbar noch vor der Bundestagswahl im Herbst abstellen will: Männer und Frauen, die in Teilzeit gehen, sollen vom Arbeitgeber eine Garantie dafür bekommen, dass sie anschließend wieder in die Vollzeit zurückkehren können. Bislang scheiterte diese Rückkehr häufig. Dann ist immer die Rede von der sogenannten Teilzeitfalle, und betroffen davon sind vor allem Frauen, die nach einer Auszeit, zum Beispiel während der Kindererziehung gerne wieder beruflich durchstarten wollen. Jetzt also eine Rückkehrgarantie. Andrea Nahles hat solche Pläne vorgestellt. Am Telefon ist jetzt Claudia Sturm, die Vorsitzende des Verbands Die Familienunternehmer, Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz. Schönen guten Morgen, Frau Sturm!
    Claudia Sturm: Guten Morgen!
    Armbrüster: Rückkehrgarantie, also nach der Teilzeit wieder in die Vollzeit. Ist das ein guter Vorschlag von Andrea Nahles?
    "Es ist mal wieder eine Überdosis an Bürokratie"
    Sturm: Ich lehne den Vorschlag ab, und wir vom Verband lehnen auch den Vorschlag ab. Es ist mal wieder eine Überdosis an Bürokratie. Frau Nahles plant – also ich denke einfach, es ist das Gegenteil von flexibler Arbeitsplatzgestaltung, und aus diesem Grund würde ich sagen, wir Familienunternehmer stehen für eine familienfreundliche Unternehmenskultur, und wir versuchen, alles zu machen, um unsere Mitarbeiter zu halten, und auch flexible Arbeitszeitmodelle, ich sag mal, Stichwort Industrie 4.0 ist ja das große Thema der Zukunft, und wie halten wir unsere Mitarbeiter. Wir brauchen dieses Gesetz nicht.
    Armbrüster: Aber das ist doch eigentlich das Gegenteil von familienfreundlich, wenn man sagt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihr bleibt in der Teilzeit, so lange wir das wollen.
    Sturm: Sind die Mitarbeiter gut, die von der Teilzeit in die Vollzeit möchten, und wir sind in der Lage in unserem Unternehmen das zu gestalten, dann werden wir alles daran machen, den Mitarbeiter zu halten und demzufolge dem auch einen Vollzeitarbeitsplatz anbieten. Nur, wenn das gesetzlich jetzt verpflichtend wird beziehungsweise ein Rechtsanspruch besteht und wir dann sagen wir mal die Beweislast tragen, warum das nicht funktioniert – das ist so viel Bürokratie, das können wir einfach nicht gewährleisten. Die Frau Nahles hat in dieser Legislaturperiode so viele Bürokratiemonster uns angelastet, Stichwort Mindestlohn, dass ich sage, ich weiß nicht, wie wir das alles hinbekommen sollen. Und ich glaube wirklich, wir sind im Moment in dem Zeitalter, wo wir auf individuelle Arbeitszeitwünsche unserer Mitarbeiter eingehen und alles machen, um die Mitarbeiter zu halten. Wir haben einen Facharbeitermangel, wir haben eine Arbeitermangel, Angestelltenmangel. Ich finde dieses Gesetz wirklich überholt.
    Armbrüster: Aber Frau Sturm, sehen Sie denn zumindest das Problem, dass es viel zu viele Menschen, Männer und Frauen, gibt, die in Teilzeit arbeiten und eigentlich in Vollzeit arbeiten möchten, aber das nicht tun können?
    "Es kommen viele Überregulierungen meines Erachtens"
    Sturm: Ich habe mich bei uns im Verband jetzt mal kurz informiert, und ich muss sagen, wir sehen das Problem vom Verband nicht. Die Leute, die mal kurz, krankheitsbedingt oder pflege – es sind ja oft solche Geschichten – in Teilzeit sind – ich sage immer nur, wenn sie gute und engagierte Mitarbeiter sind, dann wird der Arbeitgeber alles machen, um ihm auch irgendwie individuell einen Vollzeitarbeitsplatz, wenn es möglich ist, anzubieten. Aber ich finde, das in ein Gesetz zu gießen, das halte ich einfach nicht für gut.
    Armbrüster: Ist das denn nicht Aufgabe der Politik, zu sagen, hier, wir sehen einen Missstand, und deshalb wollen wir den abstellen, und dann müssen wir eben auch Unternehmen dazu verpflichten, das zu machen? Ich meine, solche Regulierungen funktionieren ja in Deutschland seit Jahrzehnten durchaus sehr gut.
    Sturm: Es kommen viele Überregulierungen meines Erachtens, und wenn man darüber nachdenkt, also, wenn ich Ihnen jetzt mal ein bisschen entgegenkomme, sage ich, oder Frau Nahles entgegenkomme, dann müsste man das bitte nicht ab 15 Mitarbeitern, diesen Anspruch, weil das sind relativ kleine Unternehmen, sondern da müssen wir eben sagen, bei Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern, wo man einfach auch mal ein bisschen mehr – aber wir in unserem Unternehmen mit hundert Mitarbeitern, muss ich sagen, stelle ich mir das sehr schwer vor, wenn das der Fall wäre. Wo setze ich den hin, wie mache ich das? Natürlich, ich habe auch Frauen, die in Teilzeit waren und dann wieder auf Vollzeit gegangen sind. Und ich habe alles gemacht, um die zu halten, und habe ihnen auch einen Vollzeitarbeitsplatz dann angeboten. Aber das muss man individuelle doch im Zweierverhältnis lösen und nicht per Gesetz.
    Armbrüster: Können Sie uns das vielleicht mal aus praktischer Sicht schildern? Was kann denn ein Problem sein, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin ein solches Recht auf die Rückkehr in Vollzeit wirklich geltend machen würde?
    "Wir müssen ein bisschen die Flexibilität haben"
    Sturm: Arbeitsrechtlich haben wir schon mal das Problem, dass ich, wenn ich jetzt einen befristeten Teilzeitarbeiter zusätzlich eingestellt habe, und die ist jetzt zwei Jahre da, dann hat sie ja einen Rechtsanspruch, auch weiter beschäftigt zu sein. Muss ich dann diese andere Mitarbeiterin, die sich den Job geteilt hat mit der anderen Vollzeitkraft – was mache ich mit der dann? Soll ich die dann entlassen oder wie funktioniert das? Dann habe ich ein Arbeitsgerichtsverfahren, weil eigentlich muss ich sie eine Sozialauswahl treffen und müsste die dann versuchen zu entlassen. Das ist alles nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Und heute, in dem Thema Pflegefall, sage ich mal, weiß man ja auch oft nicht, wie lange die Mitarbeiter in Teilzeit bleiben, wenn wir jetzt mal von Frauen oder auch von Männern ausgehen. Deshalb denke ich, wir müssen doch einfach auf die Flexibilität in den Unternehmen bauen. Und ich kann Ihnen wirklich versichern, wir mittelständischen Familienunternehmer, wir versuchen doch – wir sind eine große Familie mit unseren Mitarbeitern und versuchen auch die Mitarbeiter zu halten, egal, wie es geht. Aber wir müssen ein bisschen die Flexibilität haben.
    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, Frau Sturm, dass sich die Politik manchmal zu viele Gedanken macht über Familien, und wie sich Familie und Job vereinbaren lassen?
    Sturm: Also wenn ich jetzt – ich bin jetzt fast über 20 Jahre bei uns im Unternehmen, und das hat sich so verändert, ich sag jetzt mal Industrie 3.0 beziehungsweise Industrie 4.0. Flexible Telearbeitsplätze, flexible Arbeitsplätze, also unsere Mitarbeiter können alle online von zu Hause arbeiten und auch auf die, wenn es möglich ist, wenn sie nicht vor Ort sein müssen. Also ich denke, die Frau Nahles ist ein Schritt zurück von dem, was eigentlich schon tagesaktuell ist. Und es steht einfach im Koalitionsvertrag, und man denkt jetzt, dieses Gesetz – sie hat ja sehr viele Gesetze durchgebracht, das muss jetzt auch noch durchgebracht werden. Aber ich warne wirklich vor dieser Überregulierung. Das ist eine Überdosis an Bürokratie, und wissen Sie, da hat man sehr viele Rechtsverfahren dann anhängig wieder an den Arbeitsgerichten, weil wir die Beweislast haben. Und man soll doch einfach so – wir werden doch versuchen, unsere Mitarbeiter irgendwie unterzubekommen, wenn die bleiben wollen oder wenn die aus finanziellen Gründen halt sagen müssen, sie müssen von Teilzeit auf Vollzeit wieder aufstocken – gute Mitarbeiter zu bekommen, ist die große Herausforderung der Zukunft, und deshalb werden wir alles dafür tun, die Mitarbeiter zu halten, da brauchen wir kein Gesetz.
    Armbrüster: Das heißt aber eigentlich, wenn das Gesetz kommt, würde sich eigentlich bei Ihnen jetzt nicht so viel ändern, weil Sie sagen, Sie schaffen das ohnehin, diese Leute aus der Teilzeit in die Vollzeit wieder zu bringen.
    "Natürlich werden wir versuchen, unsere Mitarbeiter zu halten"
    Sturm: Ja, wir werden es immer versuchen, zu schaffen, aber es gibt natürlich Unternehmen, die sehr viele Teilzeitarbeitsplätze haben, und dann müsste man halt, wenn es große Unternehmen sind, wo jetzt, sage ich mal, 20 Mitarbeiter in die Teilzeit gegangen sind, die wollen alle 20 dann gleichzeitig einen Vollzeitarbeitsplatz. Jetzt hat man die anderen Teilzeit, wie vorhin schon erwähnt, befristet eingestellt, dann wird das natürlich schwierig. Wie soll das alles funktionieren? Riesenabfindungen? Also ich denke, man soll wirklich die Flexibilität der Unternehmer, mit dem Mitarbeiter soll man darauf bauen und nicht Riesenrechtsverfahren. Ich stelle mir das sehr kompliziert vor in der Realität. Natürlich werden wir versuchen, unsere Mitarbeiter zu halten und irgendwie was zu gestalten, dass die bei uns bleiben können. Aber wenn das nicht möglich ist, dann kann es doch nicht sein, dass sie einen Rechtsanspruch hat. Wie soll ich das dann machen? Das stelle ich mir auch praktisch nicht so einfach vor.
    Armbrüster: Sagt hier bei uns im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen" Claudia Sturm, die Vorsitzende in Rheinland-Pfalz des Verbands Die Familienunternehmer. Ich danke Ihnen vielmals, Frau Sturm, für Ihre Zeit heute Morgen!
    Sturm: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.