
Moskau und Kiew stehen auf weit voneinander entfernten Positionen. Beide Seiten haben Forderungen für ein Ende der Kampfhandlungen formuliert, die bisher kaum zusammenpassen.
Der ukrainische Präsident fordert auf der Grundlage eines US-Vorschlags eine international überwachte bedingungslose 30-tägige Waffenruhe als Einstieg in Friedensverhandlungen. Für die Vereinbarung eines dauerhaften Friedens stellt er sich auch ein Treffen auf höchster Ebene - also zwischen den Präsidenten - vor. Nur so könnten die wichtigsten Fragen gelöst werden.
Moskau lehnte eine bedingungslose Waffenruhe zuletzt mit dem Argument ab, Kiew könnte eine Feuerpause zum Kräftesammeln im Krieg nutzen. Russland stellt zwei Bedingungen als Mindestvoraussetzung für eine Waffenruhe: Zum einen müssten die westlichen Länder für die Dauer der Waffenruhe ihre Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen und die Ukraine müsse ihre Mobilmachung beenden. Das sagte Russlands UNO-Botschafter Nebensja im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Freitag.
Was von den Verhandlungen zu erwarten ist
Die ukrainische Delegation wird laut Präsident Selenskyj von Außenminister Umerow angeführt. Leiter der russischen Gruppe soll nach Angaben des ARD-Studios Kiew der Putin-Berater Medinski sein. Da dieser weder Minister noch hochrangiger Politiker sei, habe er relativ geringe Erwartungen an die Gespräche, erklärt ARD-Korrespondent Vassili Golod.
Geplant ist in Istanbul, dass beide Seiten ihre jeweiligen Memoranden für eine Beendigung des Krieges vorstellen und besprechen. Nach eigenen Angaben hat die Ukraine ihren Vorschlag bereits vorab an Russland übergeben, während der Kreml seinerseits noch kein Memorandum vorgelegt habe. "Wir haben es nicht, die türkische Seite hat es nicht, und die amerikanische Seite hat das russische Dokument auch nicht", schrieb der Präsident Selenskyj am Vorabend der Gespräche auf der Plattform X.
Während Kiew kaum Erwartungen an eine Lösung hat und weiteren Sanktionsdruck auf Moskau fordert, ruft Russland dazu auf, die Verhandlungen fortzusetzen. Nachdem bei den Verhandlungen im Mai als einziges wichtiges Ergebnis der bisher größte Gefangenenaustausch vereinbart wurde, wäre es denkbar, dass auch die neue Runde eine Vereinbarung für einen Austausch von Gefangenen bringt.
Möglich sind auch Gespräche über eine neue Feuerpause - wie es sie zu Ostern gab. Außerdem wurde zuletzt auch Bereitschaft zu einem Verzicht auf Angriffe etwa auf Energieanlagen signalisiert. Bei den Feuerpausen hatten sich die beiden Seiten gegenseitig viele Verstöße vorgeworfen, aber auch eingeräumt, dass die Zahl der Angriffe zurückgegangen sei. Die Ukraine hob das Ausbleiben von Luftalarm an einzelnen Tagen hervor.
Maximalforderungen aus Moskau
Russland bleibt bislang bei Maximalforderungen, um den Konflikt dauerhaft zu beenden. Dazu gehören neben einem ukrainischen Verzicht auf einen NATO-Beitritt und eine weitgehende Abrüstung des Landes auch die Anerkennung der russischen Annexion ukrainischer Gebiete. Russland betrachtet neben der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim auch die ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson als sein Staatsgebiet. Obwohl Russland diese vier Regionen bisher nicht vollständig kontrolliert, verlangt es einen Abzug ukrainischer Truppen.
Kampfhandlungen überschatten Gespräche
Überschattet werden die Gespräche in Istanbul mit erneuten großangelegten Kampfhandlungen und Angriffen beider Seiten. Die Ukraine wurde nach Angaben von Präsident Selenskyj von Russland in der Nacht zu Sonntag mit fast 500 Drohnen sowie mit Raketen angegriffen. Die Ukraine ihrerseits zerstörte mit einem koordinierten Angriff auf mehrere russische Militärflugplätze eine größere Zahl von Kampfflugzeugen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj feierte den überraschenden Angriff seines Geheimdienstes SBU als "absolut brillantes Ergebnis". Anderthalb Jahre Vorbereitung seien vorausgegangen. Attackiert wurden demnach Stützpunkte in den Regionen Iwanowo, Rjasan und Murmansk im europäischen Teil Russlands sowie Irkutsk in Sibirien und Amur im Fernen Osten. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte, dass in den Regionen Murmansk und Irkutsk Flugzeuge durch Drohnenangriffe in Brand geraten seien.
Nach SBU-Angaben wurden mehr als 40 Kampf- und Aufklärungsflugzeuge zerstört - etwa 34 Prozent der russischen Bomber, die in der Lage sind, Marschflugkörper abzusetzen. Diese Zahlen waren bislang nicht unabhängig überprüfbar. Doch Fotos und Videos zeigten beschädigte und zerstörte Kampfflugzeuge der Typen Tupolew Tu-95 und Tu-22. Mit Raketen, die von solchen Flugzeugen starten, hat Russland immer wieder die Ukraine beschossen.
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Diese Nachricht wurde am 02.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.