
Im Wahlkampf 2024 hatte US-Präsident Donald Trump versprochen, den Krieg in der Ukraine innerhalb eines Tages zu beenden. Doch Putins Russland greift die Ukraine weiter unvermindert an, die russische Armee hat den Druck zuletzt sogar deutlich erhöht. Die Ukraine wehrt sich weiter gegen den Aggressor, unter zunehmend schweren Bedingungen.
Die kommenden Gespräche zwischen Trump und seinem russischen Amtskollegen Putin in Anchorage werden mit Spannung erwartet. Auf ukrainischer Seite überwiegt Sorge, da Trump und sein Team bisher keinen Friedensplan ausgearbeitet zu haben scheinen, während Putin seiner Linie treu bleibt, keinerlei echte Zugeständnisse zu machen.
Ein kurzfristiger Waffenstillstand wäre für die kriegsgeplagte Bevölkerung der Ukraine zwar wünschenswert, doch nicht nachhaltig: Russland hat sich bereits in der Vergangenheit nicht an Waffenruhen gehalten. Gebraucht wird ein echter Frieden, doch zu welchen Bedingungen?
Der langfristige Zustand der Ukraine hat weitreichende Auswirkungen über das Land hinaus und könnte die europäische Sicherheitsarchitektur nachhaltig verändern. Zur Zukunft der Ukraine kursieren zahlreiche Überlegungen und mögliche Szenarien.
Szenario 1: Der eingefrorene Konflikt
Ein mögliches Szenario für die Zukunft der Ukraine besteht im Einfrieren des Konflikts entlang des aktuellen Frontverlaufs. Die von Russland besetzten ukrainischen Gebiete würden de facto von Russland kontrolliert, aber von der Ukraine und ihren Partnern nicht als russisch anerkannt werden.
Um auszuschließen, dass Russland weitere Gebiete annektiert, würde die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten, zum Beispiel in Form von militärischer Unterstützung. Diese Sicherheitsgarantien hat die Ukraine bislang mit 50 Ländern vereinbart.
Zudem gibt es Überlegungen, einen Friedensschluss von internationalen Truppen überwachen zu lassen. Wie das aussehen könnte, ist noch unklar. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat im Februar 2025 ausgeschlossen, dafür amerikanische Truppen abzustellen. Friedenstruppen in der Ukraine wären demnach keine gemeinsame Aufgabe für die NATO, sondern allein Sache der Europäer.
Würde der Ausschluss einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine in einer Friedensvereinbarung schriftlich festgehalten, wäre für Wladimir Putin ein wesentliches Kriegsziel erfüllt. Das größte Risiko eines eingefrorenen Konfliktes sehen Experten jedoch darin, dass Russland dann in aller Ruhe weiter aufrüsten kann, um zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Angriff zu starten.
Szenario 2: Beistandsgarantien und EU-Perspektive
In einem guten Szenario für die Ukraine geben die USA und die europäischen NATO-Staaten der Ukraine Beistandsgarantien, die ähnlich wären wie der Artikel 5 des NATO-Vertrags. Diese könnten dann greifen, wenn Moskau etwaige Friedensvereinbarungen missachtet – zum Beispiel indem russische Truppen eine neue, vertraglich vereinbarte Grenzlinie übertreten.
Ein ähnlich guter Zustand ließe sich auch ohne Garantien herstellen: Nach Abschluss von Friedensvereinbarungen, beziehungsweise schon während sie verhandelt werden, könnten die europäischen Partner der Ukraine das Land mit Waffenlieferungen und Investitionen in die ukrainische Rüstungsindustrie militärisch so rüsten, dass Russland wirksam abgeschreckt wäre. So könnte die Ukraine zu einem europäischen Frontstaat werden, der selbst für seine Sicherheit sorgt und mittelfristig Mitglied der EU werden.
Szenario 3: Gebietsabtretungen und keine Garantien für die Ukraine
Sollte mittelfristig keine Aussicht auf eine friedliche Lösung für den Konflikt bestehen, droht die Gefahr, dass Trump irgendwann das Interesse an der Ukraine verliert. In einem solchen Fall könnte der US-Präsident alle Hilfe für das Land einstellen. So würde die Sicherheit der Ukraine von einem zum anderen Tag zu einem rein europäischen Problem und die Ukraine hätte kaum eine Chance, die ihr völkerrechtlich zustehenden Gebiete zurückzubekommen. Schon vor dem Gipfel in Anchorage hat Trump angekündigt, er wolle nicht über Gebiete verhandeln. Dies sei Angelegenheit der beiden Kriegsparteien.
Russland hat immer wieder deutlich gemacht, dass es die annektierten ukrainischen Gebiete nicht mehr hergeben wird und in seiner Verfassung als neue Regionen verankert hat. Moskau schlägt als Bedingung für einen Waffenstillstand stattdessen vor, dass sich die ukrainischen Streitkräfte komplett aus den Gebieten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson zurückziehen. Zugleich droht es mit weiteren Eroberungen, sollte Kiew den Kampf fortsetzen.
In der Oblast Donezk stehen noch rund 30 Prozent, darunter große Städte wie Slowjansk und Kramatorsk, unter ukrainischer Kontrolle, das sind über 7.600 Quadratkilometer. Spekuliert wird, dass Russland als Verhandlungsmasse besetzte Teile der ukrainischen Gebiete Sumy, Charkiw, Dnipropetrowsk und Mykolajiw anbieten könnte. Diese umfassen zusammengerechnet aber weniger als 2.000 Quadratkilometer.
Präsident Selenskyj hatte in der Vergangenheit immer wieder klargemacht, dass Gebietsabtretungen für ihn nicht zur Debatte stehen. Damit würde der Aggressor noch belohnt, zudem sei dies verfassungswidrig. Die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung ist derselben Meinung. 43 Prozent können sich laut Umfragen allerdings eine Abtretung um des Friedens Willen vorstellen – dies aber auch nur de facto, nicht de jure.
mp, Sabine Adler, pj