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Gestalter des Berliner Parks am Gleisdreieck
"Bürgerbeteiligung ist wichtig für den Park der Zukunft“

Der Park am Gleisdreieck in Berlin ist ein ganz besonderer Ort: Ein öffentliches Erholungsgebiet in drei Teilen, von Bürgerinnen und Bürgern initiiert und stellenweise im Dialog mit ihnen realisiert. Die Landschaftsarchitekten Grosch und Petrow geben Einblick in die Entstehung des Projekts - und ihre Ideen für die Grünanlagen der Zukunft.

Constanze A. Petrow und Leonard Grosch im Corso-Gespräch mit Anja Buchmann |
    Die Landschaftsarchitekten Constanze A. Petrow und Leonard Grosch
    Die Landschaftsarchitekten Constanze A. Petrow und Leonard Grosch (Andreas Tobias)
    Anja Buchmann: "Wurst und Bier und im Schatten mit Dir" singt die Popette Betancor in einem ihrer Songs, eine kleine feine Hommage an das Leben im Park, in dem sie all die schönen Sachen beschreibt, die Großstadtmenschen in ihren grünen Stadtlungen genießen können. Ein ganz besonderer Ort ist der Park am Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg und Schöneberg: Ein öffentliches Erholungsgebiet in drei Teilen, von Bürgerinnen und Bürgern initiiert und zum Teil im Dialog mit ihnen realisiert. Das letzte Areal wurde 2014 eröffnet und es gibt auch ein Buch über die Entstehung des Parks, die angewendeten Gestaltungskonzepte und Wahrnehmung der Besucher: "Parks entwerfen" heißt es und wird morgen in Berlin vorgestellt. Autoren sind der Landschaftsarchitekt Leonard Grosch - auch Mitentwickler des Parks - und die Landschaftsarchitektin Dr. Constanze Petrow, die ich nun beide in Berlin begrüße. Schönen Guten Tag.
    Leonard Grosch: Schönen Guten Tag.
    Constanze Petrow: Hallo.
    Buchmann: Zunächst mal, wer auch immer antworten mag, Herr Grosch, Frau Petrow: Was ist Ihr Lieblingsplatz im Park am Gleisdreieck?
    Grosch: Also mein Lieblingsplatz ist der unter der U1, der grüne Platz wo sich ganz viele Sachen treffen: Die Skater und die kleinen Kinder und Migranten ganz viele und die U-Bahnen brausen drüber hinweg. Also kurzum, es ist ein sehr lebendiger Ort, man kann prima Leute beobachten und das ist eigentlich einer meiner Lieblingsorte im Park.
    Buchmann: Frau Petrow?
    Petrow: Also bei mir ist es eigentlich der gleiche Park, aber was ich auch ganz toll finde, ist die Skateanlage an der Grenze zwischen Ost- und Westpark, dort kann man den Skatern zugucken und auf der anderen Seite gibt es ein Café in dem man eben auch chillen kann und dann rübergucken kann zu den Skatern. Dann läuft eine zentrale Achse durch den Park dort durch, durch diesen Platz und deswegen ist einfach immer viel los.
    Unterschiedliche Atmosphären
    Buchmann: Gestern war ich mal wieder in einem Kölner Park - nicht nur in Vorbereitung auf dieses Gespräch - und hab die Stimmung dort als quirlig, fröhlich, laut aber auch anstrengend empfunden. Sind sicherlich Adjektive, die man auf viele Parks anwenden kann. Wie würden Sie selbst die Atmosphäre oder am besten die Atmosphären im Park am Gleisdreieck beschreiben?
    Petrow: Also ich finde es sehr entspannt dort, auch vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrung mit vielen anderen Parks.
    Grosch: Also wir haben versucht, eine Hierarchie auszubilden, von sehr, sehr lebendigen Orten zu sehr, sehr ruhigen Orten und wir beobachten bei vielen anderen Parks, dass es weder das eine, noch das andere richtig gibt. Weder Kontemplation noch wirklich lebendige Orte, und das kann man eben ganz gut steuern durch Konzentration von Angeboten - wir nennen das Hotspots in unserem Buch - und auf der anderen Seite gibt es eben diese großen, naturbelassenen Areale, wo man dann eben niemanden trifft mitunter. Und diese Hierarchiebildung im Park ist wichtig und dann gibt es eben ganz unterschiedliche Atmosphären.
    Buchmann: Was waren für Sie die wichtigsten Kriterien - Sie haben schon ein bisschen angedeutet - nach denen Sie den Park entworfen haben?
    Grosch: Also das wichtigste war erstmal die Ausgangslage des Ortes selbst, es sind ja zwei ehemalige Güterbahnhöfe mit einer tollen, wilden, spontanen Vegetation, die wir zum großen Teil gelassen haben - viele Bürger haben das anders gesehen, damals. Das ganze liegt ja auf einem Plateau vier Meter über dem Straßenniveau und zwei große Lichtungen werden ausgebildet durch Baumrahmen, die da entstanden sind. Und diese räumliche Situation haben wir eigentlich erstmal aufgenommen und die finden wir sehr charakteristisch, dass wir die Mitten freilassen können. Und das ist gar nicht so selbstverständlich, und das ist eine relativ charakteristische räumliche Situation. Wir reden in unserer Gesellschaft wenig über Raum, aber wenn wir dann dort sind und merken, wir haben eben diese unterschiedlichen Qualitäten von einerseits gemütlichen Räumen und andererseits aber auch sehr weiten Räumen oder im Optimalfall sogar, wenn man aus den gemütlichen, kleinteiligen Räumen in die Weite guckt, finden wir das super und fühlen uns wohl. Das bot der Park schon in der Ausgangslage und das haben wir noch weiter verstärkt.
    Neunutzung von Konversionsflächen
    Buchmann: Wie schwierig ist das eigentlich allgemein Flächen für Parks genehmigt zu bekommen? Immerhin bringt es der Stadt ja nicht allzu viel Geld ein, wenn sie Flächen für Parks freigeben.
    Petrow: Also generell werden heute ja kaum noch große, neue Parks entwickelt. Die Grundstruktur ist da, also aus dem 19. Jahrhundert vor allem, neue Parks werden im Rahmen von Gartenschauen geplant. Aber es gibt gar nicht so viel Zuwachs mehr an Parkanlagen in den Innenstädten. Auf Konversionsflächen - zum Beispiel im Ruhrgebiet gibt es viele neue Parks.
    Buchmann: Auf Konversionsflächen? Was meinen Sie damit?
    Petrow: Auf Flächen, die umgenutzt werden, wo früher die Industrie war und dann später unklar war, wie sie weiter genutzt werden würden. Und dort sind viele Parks entstanden, zum Beispiel der Landschaftspark Duisburg-Nord - ganz wichtiger Park für die Deutsche Landschaftsarchitektur - oder an Flusslagen, wie der Mainuferpark in Frankfurt. Aber sonst sind die Flächenparks eigentlich von der Grundstruktur erhalten. Und was wir in Berlin haben ist ja, dass die Bürger diesen Park erkämpft haben. Wenn die nicht schon angefangen hätten in den Siebziger- und Achtzigerjahren dafür zu kämpfen, dann würde da heute möglicherweise eine Stadtautobahn verlaufen. Das heißt, dass war eine Bewegung von unten, die diesen Freiraum auch als Park erstmal gesichert hat.
    Buchmann: Das stimmt, da könnte ich jetzt aber ketzerisch sagen: Und als Dank haben sie ihnen nicht mal den großen Wunsch gelassen, möglichst viel alten Wildwuchs erhalten zu wollen.
    Grosch: Das war damals der große Konflikt. Viele Bürger, die damals den großen Verdienst hatten, diesen Park überhaupt zu ermöglichen, viele wollten aber eben diese Eisenbahnromantik in Gänze erhalten, und wir wollten eben einen Park mit vielen Atmosphären und sind aber der Meinung, dass wir doch sehr, sehr viel von der Bestandsvegetation erhalten haben. Und ich habe auch durchaus von den Bürgern im Prozess gelernt und ich würde heute vielleicht auch noch einen Tick mehr erhalten, aber grundsätzlich finde ich, haben wir das schon ganz gut gemacht.
    Zukunft der Grünflächen
    Buchmann: Ich würde nochmal gerne auf die freien oder nicht mehr so vielen freien Flächen zu sprechen kommen über die wir gerade schon redeten. Es gibt ja in Hamburg zum Beispiel auch Ideen wie das Hildegarden-Projekt, bei dem in St. Pauli ein Stadtgarten auf dem alten Medienbunker angelegt werden soll, auch wieder ein Projekt mit Bürgerbeteiligung. Die Frage ist, ist das die Zukunft in den Städten, auf stillgelegten Gebäuden et cetera Parks anzulegen? Sie erwähnten ja auch schon das Ruhrgebiet. Oder zum Beispiel in New York, da gibt es die Highline, der Park auf einer ausrangierten Hochbahntrasse - inzwischen soll übrigens sogar noch eine unterirdische Lowline in Planung sein. Davon abgesehen: Ist das die Zukunft? Grünflächen zu schaffen?
    Petrow: Ich glaube es ist eine Zukunft, also eine Möglichkeit unter vielen. Erstmal geht es ja darum, viele Flächen die jetzt noch Brachliegen, zu nutzen für aktive Freiraumnutzungsmöglichkeiten aber dann auch die anderen Oberflächen der Stadt aber das sind eben die Dächer und die Fassaden für Grün zu nutzen und sie - wenn das irgendwie möglich ist - auch begehbar zu machen, wie die Highline oder den Bunker in Hamburg. Aber das ist mit sehr viel Aufwand verbunden immer. Also man sieht es ja auch, wie lange diese Projekte brauchen, bis sie durchgesetzt werden, wieviel Geld sie auch brauchen, um umgesetzt zu werden. Das heißt das werden eher die Highlights sein und natürlich normale Dachbegrünung oder auch Dachgärten von privaten Menschen. All das wird dazugehören, um die Städte auch anders an den Klimawandel anzupassen.
    Zeitgemäße Parkkonzepte
    Buchmann: Hat ja auch was sehr eventmäßiges, was Großes, Mächtiges und Inszeniertes insbesondere das Hildegarden-Projekt, was auch zum Teil in St. Pauli sehr kritisch gesehen wird. Was macht für Sie ein zeitgemäßes Parkkonzept aus? Auch in Anbetracht - Sie haben es Anfangs schon mal kurz erwähnt - einer Gesellschaft mit immer mehr auch älteren Menschen und verschiedensten Kulturen?
    Grosch: Also ich finde ein Park sollte Angebote machen für alle Altersstufen und alle Bevölkerungsgruppen und eben mehr sein, als nur so ein multifunktionaler Park, wie es in den neunziger Jahren der Fall war, mit Rasen und Bäumen und einfach ganz unterschiedlichen Atmosphären bieten. Und das ist glaub ich erstmal ein ziemlicher Kernpunkt.
    Petrow: Also ich würde es genauso sehen. Ein Park muss mehr können und sollte auch auf der ästhetischen Ebene unterschiedliche Angebote machen. Aber wir können auch davon ausgehen, dass es in der Zukunft sehr verschiedene Arten von Parks gibt, je nachdem in welchem kulturellen Kontext sie angesiedelt sind. Wir haben zum Beispiel in Hamburg auch den Park Fiction, der in St. Pauli ist, der sich an eine ganz bestimmte kulturelle Szene wendet. Und der sieht auch so aus: Die Landschaftsarchitekten - und die Bürger vor allem, mit Künstlern zusammen - haben dort eine Ästhetik geschaffen, die genau auf dieses Milieu antwortet und ihnen deswegen auch so gut gefällt. Und die Anforderung in der Zukunft wird auch sein, sich auf diese Milieus einzulassen und da ganz passgenaue Antworten zu finden.
    Buchmann: Und eben auch mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammenzuarbeiten, ansonsten ist das wahrscheinlich eine sehr explosive Sache.
    Petrow: Definitiv.
    Parks mit Bürgerbeteiligung
    Buchmann: Frau Petrow, Sie nennen ja die Parks des 21. Jahrhunderts auch Bürgerparks, so steht es zumindest auch in dem Buch "Parks entwerfen". Aber anders gemeint als die bourgeoisen Schmuckstücke des 19. Jahrhunderts, sondern: wie meinen Sie das? Mehr so: Der Bürger als aktiver Mitgestalter?
    Petrow: Genau, also einerseits in der Entstehungsphase, dass Bürger Parks ja teilweise initiieren - auch wie jetzt in Hamburg auf dem Bunker - aber dass sie auch in der weiteren Ausgestaltung oder im weiteren Leben des Parks beteiligt sind, dass es Flächen gibt, wo sie sich selbst aktiv beteiligen können im Urban Gardening zum Beispiel. Dass sie aber eben auch entscheiden können, wie ein Park weiterentwickelt und verändert wird. Also wenn das von Bürgern gestaltet wird, dann gibt es auch weniger Vandalismus.
    Buchmann: Wird die Zukunft auch mit sein, dass insbesondere auch Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen - ich hab es ja schon mal kurz angesprochen - die ja immer mehr hier bei uns auch leben und wohnen, auch solche Parks mitgestalten und die Parks dann nochmal anders aussehen?
    Petrow: Das wird definitiv die Zukunft sein, wir müssen diese Bürger aber erreichen. Und damit haben wir bisher noch ein Problem, also sie anzusprechen und sie wirklich einzubinden in Partizipationsprozesse auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite müssen wir als Planer auch viel mehr wissen darüber, was sie überhaupt möchten in Parks, welche Ästhetik sie bevorzugen, welche Nutzungsansprüche sie an Parks auch stellen und wo die vielleicht auch abweichen von denen, die wir bislang umsetzen oder was wir anbieten.
    Buchmann: Die Buchautoren und Landschaftsarchitekten Leonard Grosch und Constanze Petrow. Vielen Dank für das Gespräch.
    Grosch: Gerne.
    Petrow: Ja, Danke.
    Buchmann: Das Buch "Parks entwerfen" ist im Jovis Verlag erschienen und wird morgen öffentlich vorgestellt, morgen am 21. 07. um 19 Uhr im Café Tor Eins im Museumscafé am Ostpark.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Leonard Grosch und Constanze A. Petrow: Parks entwerfen - Berlins Park am Gleisdreieck oder die Kunst, lebendige Orte zu schaffen. Jovis Verlag. 192 Seiten