Christine Heuer: Heute trifft sich das Führungspersonal der großen Koalition und wieder geht es um ihr größtes Reformprojekt, das aus dem nun ganz unbedingt eigentlich der große Wurf werden soll: die Gesundheitsreform. Und wie schön, im Vorfeld ist zu hören: SPD und Union seien sich beim ersten Spitzengespräch zu diesem Thema und in den Tagen danach schon näher gekommen. Zu hören ist allerdings auch, dass alles teuerer wird, aber – gute Nachricht – auch besser. Am Telefon ist jetzt Winfried Schorre. Er ist Neurologe. Er war Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Guten Morgen Herr Schorre!
Winfried Schorre: Guten Morgen Frau Heuer!
Heuer: Wenn man mehr Geld reinpumpt ins System, sind die Dinge dann wieder alle in Ordnung?
Schorre: Nein, so einfach geht es nicht. Es wäre ja wirklich erstaunlich schön, wenn das, was die Ministerin eben gesagt hat, dass es nicht nur um die Finanzierungsfrage geht, sondern auch um Strukturen, endlich mal realisiert würde. Die derzeitige Diskussion dreht sich ja eigentlich nur um die Finanzierung. Ich glaube, dass dies nicht die primäre Frage ist, sondern wir haben ein massives Strukturproblem. Das heißt wie die Versorgung abläuft, das muss gelöst werden.
Heuer: Wie kann man das denn verbessern?
Schorre: Wir müssen uns ja klar machen, dass wir, insbesondere die Niedergelassenen, unter Budget-Bedingungen arbeiten. Das heißt die Mittel sind begrenzt und das bedeutet, dass bei begrenzten Mitteln auch nur begrenzte Leistungen angeboten werden können. In diesen Bereich muss man also hineingehen. Budget bedeutet immer Einschränkung. Es ist ein so hohes Niveau in unserem Versorgungssystem, dass wir Einschränkungen durchaus machen können, ohne dass die Qualität der Versorgung in irgendeiner Form beeinträchtigt wird.
Heuer: Herr Schorre, machen Sie das bitte mal konkret. Wo kann man denn einsparen, ohne dass Patienten schlechter versorgt werden als bisher?
Schorre: Das geht im Einzelfalle sicherlich. Es wird sehr viel im Gesundheitswesen gemacht und das liegt daran, dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben. Der Patient möchte alles, was es gibt, an sich vollzogen haben, wenn es ihm schlecht geht. Die Krankenkassen wollen zufriedene Kunden. Die pharmazeutische Industrie will ihre Arzneimittel verkaufen und wir wollen natürlich auch zu einem fairen Preis unser Geld verdienen. Das heißt diese Frage muss gelöst werden, indem alle Beteiligten ganz kritisch unter die Lupe genommen werden und dann die Strukturen verändert werden müssen. Das geht zum Thema Versorgung, Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus, Gebührenordnung, Rechnungslegung und so weiter. Wir haben im Prinzip eine Situation wie die Freiheit auf dem Gefängnisinnenhof. Da wird gesagt, da könnt ihr machen, und es wird der Wettbewerb aufgezwungen. Das ist auch so ein Problem. Wettbewerb im Gesundheitswesen ist eine der derzeitigen Zauberformeln, aber die Gesundheit ist kein normales Wirtschaftsgut. Wettbewerb hat das Ziel, den Konkurrenten zu überwinden, das heißt mehr Geld als der andere zu verdienen. Das können sie im Gesundheitswesen so nicht machen!
Heuer: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann wären Sie auch bereit, bei der Ärzteschaft einzusparen. Ich greife diesen Punkt jetzt mal heraus, weil wir aktuell die Streiks der Klinikärzte haben. Es gibt auch Kritiker die sagen, es gibt viel zu viele Ärzte in diesem Land. Die müssen nur besser verteilt werden und dann könnte man an denen auch ein bisschen einsparen. Stimmen Sie da etwa zu?
Schorre: Die Ärzte sind ein Teil des Ganzen. Natürlich muss auch bei den Strukturen der ärztlichen Versorgung angesetzt werden. Aber es müssen eben alle Bereiche unter die Lupe genommen werden. Dass es zu viele Ärzte gibt, das glaube ich nicht, denn wir haben ja Bereiche in Deutschland, wo es eine ärztliche Unterversorgung gibt. Die Klinikärzte, die sich jetzt zu Wort gemeldet haben, haben völlig berechtigte Forderungen. Das gleiche gilt auch für andere Bereiche.
Heuer: Und die sollen auch erfüllt werden! 30 Prozent mehr Lohn ist dann drin, obwohl im System mehr gespart werden soll, wie Sie sagen?
Schorre: Das möchte ich gar nicht beurteilen. 30 Prozent ist natürlich viel Geld. Ich kann auf der anderen Seite vielleicht mal darauf hinweisen, dass die Situation bei den niedergelassenen Ärzten so ist, dass von den Einnahmen der Krankenkassen viele Praxen mittlerweile ihre Praxis überhaupt nicht mehr aufrechterhalten können. Das ist eine Situation, die kann so nicht bleiben. Da liegt wirklich eine Gefahr für die Versorgung. Die Patienten sehen das, wissen das und sie finden es auch völlig richtig, dass endlich jetzt wieder die Diskussion eröffnet wird, aber bitte nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten.
Heuer: Herr Schorre, lassen Sie uns noch über einen Punkt sprechen, den Ulla Schmidt ja sehr in den Vordergrund stellt. Sie sagt, die medizinische Versorgung wird besser; dadurch wird sie auch teurer. Sollen wir auf diesen Fortschritt denn jetzt verzichten?
Schorre: Nein! Natürlich wird im Prinzip die medizinische Versorgung dadurch teurer, dass es eine technische Entwicklung gibt, dass es eine Entwicklung gibt im Bereich der Medikamente. Das ist sicherlich richtig. Aber wenn ich ein Budget habe, das heißt eine begrenzte Menge an Geld, dann muss ich – und das weiß jede Hausfrau – mich in den Ausgaben daran orientieren. Wir sind in der Situation, dass gesagt wird, ihr kriegt zwar nur begrenzte Mittel, aber ihr müsst dennoch immer mehr Leistungen erbringen. Das geht nicht! Ich glaube eben, dass man durch eine Umorganisation innerhalb der gesamten Strukturen Dinge weglassen kann, ohne dass die Versorgung schlechter wird. Was dann wirklich an neuen Dingen in die Versorgung eingebracht werden soll, das muss natürlich dann zusätzlich bezahlt werden.
Winfried Schorre: Guten Morgen Frau Heuer!
Heuer: Wenn man mehr Geld reinpumpt ins System, sind die Dinge dann wieder alle in Ordnung?
Schorre: Nein, so einfach geht es nicht. Es wäre ja wirklich erstaunlich schön, wenn das, was die Ministerin eben gesagt hat, dass es nicht nur um die Finanzierungsfrage geht, sondern auch um Strukturen, endlich mal realisiert würde. Die derzeitige Diskussion dreht sich ja eigentlich nur um die Finanzierung. Ich glaube, dass dies nicht die primäre Frage ist, sondern wir haben ein massives Strukturproblem. Das heißt wie die Versorgung abläuft, das muss gelöst werden.
Heuer: Wie kann man das denn verbessern?
Schorre: Wir müssen uns ja klar machen, dass wir, insbesondere die Niedergelassenen, unter Budget-Bedingungen arbeiten. Das heißt die Mittel sind begrenzt und das bedeutet, dass bei begrenzten Mitteln auch nur begrenzte Leistungen angeboten werden können. In diesen Bereich muss man also hineingehen. Budget bedeutet immer Einschränkung. Es ist ein so hohes Niveau in unserem Versorgungssystem, dass wir Einschränkungen durchaus machen können, ohne dass die Qualität der Versorgung in irgendeiner Form beeinträchtigt wird.
Heuer: Herr Schorre, machen Sie das bitte mal konkret. Wo kann man denn einsparen, ohne dass Patienten schlechter versorgt werden als bisher?
Schorre: Das geht im Einzelfalle sicherlich. Es wird sehr viel im Gesundheitswesen gemacht und das liegt daran, dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben. Der Patient möchte alles, was es gibt, an sich vollzogen haben, wenn es ihm schlecht geht. Die Krankenkassen wollen zufriedene Kunden. Die pharmazeutische Industrie will ihre Arzneimittel verkaufen und wir wollen natürlich auch zu einem fairen Preis unser Geld verdienen. Das heißt diese Frage muss gelöst werden, indem alle Beteiligten ganz kritisch unter die Lupe genommen werden und dann die Strukturen verändert werden müssen. Das geht zum Thema Versorgung, Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus, Gebührenordnung, Rechnungslegung und so weiter. Wir haben im Prinzip eine Situation wie die Freiheit auf dem Gefängnisinnenhof. Da wird gesagt, da könnt ihr machen, und es wird der Wettbewerb aufgezwungen. Das ist auch so ein Problem. Wettbewerb im Gesundheitswesen ist eine der derzeitigen Zauberformeln, aber die Gesundheit ist kein normales Wirtschaftsgut. Wettbewerb hat das Ziel, den Konkurrenten zu überwinden, das heißt mehr Geld als der andere zu verdienen. Das können sie im Gesundheitswesen so nicht machen!
Heuer: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann wären Sie auch bereit, bei der Ärzteschaft einzusparen. Ich greife diesen Punkt jetzt mal heraus, weil wir aktuell die Streiks der Klinikärzte haben. Es gibt auch Kritiker die sagen, es gibt viel zu viele Ärzte in diesem Land. Die müssen nur besser verteilt werden und dann könnte man an denen auch ein bisschen einsparen. Stimmen Sie da etwa zu?
Schorre: Die Ärzte sind ein Teil des Ganzen. Natürlich muss auch bei den Strukturen der ärztlichen Versorgung angesetzt werden. Aber es müssen eben alle Bereiche unter die Lupe genommen werden. Dass es zu viele Ärzte gibt, das glaube ich nicht, denn wir haben ja Bereiche in Deutschland, wo es eine ärztliche Unterversorgung gibt. Die Klinikärzte, die sich jetzt zu Wort gemeldet haben, haben völlig berechtigte Forderungen. Das gleiche gilt auch für andere Bereiche.
Heuer: Und die sollen auch erfüllt werden! 30 Prozent mehr Lohn ist dann drin, obwohl im System mehr gespart werden soll, wie Sie sagen?
Schorre: Das möchte ich gar nicht beurteilen. 30 Prozent ist natürlich viel Geld. Ich kann auf der anderen Seite vielleicht mal darauf hinweisen, dass die Situation bei den niedergelassenen Ärzten so ist, dass von den Einnahmen der Krankenkassen viele Praxen mittlerweile ihre Praxis überhaupt nicht mehr aufrechterhalten können. Das ist eine Situation, die kann so nicht bleiben. Da liegt wirklich eine Gefahr für die Versorgung. Die Patienten sehen das, wissen das und sie finden es auch völlig richtig, dass endlich jetzt wieder die Diskussion eröffnet wird, aber bitte nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten.
Heuer: Herr Schorre, lassen Sie uns noch über einen Punkt sprechen, den Ulla Schmidt ja sehr in den Vordergrund stellt. Sie sagt, die medizinische Versorgung wird besser; dadurch wird sie auch teurer. Sollen wir auf diesen Fortschritt denn jetzt verzichten?
Schorre: Nein! Natürlich wird im Prinzip die medizinische Versorgung dadurch teurer, dass es eine technische Entwicklung gibt, dass es eine Entwicklung gibt im Bereich der Medikamente. Das ist sicherlich richtig. Aber wenn ich ein Budget habe, das heißt eine begrenzte Menge an Geld, dann muss ich – und das weiß jede Hausfrau – mich in den Ausgaben daran orientieren. Wir sind in der Situation, dass gesagt wird, ihr kriegt zwar nur begrenzte Mittel, aber ihr müsst dennoch immer mehr Leistungen erbringen. Das geht nicht! Ich glaube eben, dass man durch eine Umorganisation innerhalb der gesamten Strukturen Dinge weglassen kann, ohne dass die Versorgung schlechter wird. Was dann wirklich an neuen Dingen in die Versorgung eingebracht werden soll, das muss natürlich dann zusätzlich bezahlt werden.