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Gesundheitsbranche
Private Investoren entdecken Krankenhäuser und Pflegeheime

Private Investoren auf Einkaufstour in der Gesundheitsbranche: Was bei zahnmedizinischen Versorgungszentren schon üblich ist, erfasst auch Krankenhäuser und stärker noch Pflegeheime. Denn in dem Krankenkassenbudget ist kein Investitionsgeld vorgesehen. Privates Geld ist daher willkommen.

Von Tonia Koch | 11.04.2019
15.07.2010, Nordrhein-Westfalen, Deutschland - Hospiz. Die Hand einer Pflegerin haelt die Hand eines sterbenden Mannes. (QF, ältere, älterer, berühren, Berührung, bettlägerig, europäisch, Fürsorge, fürsorglich, Hände, häusliche Pflege, Menschenwürde, menschenwürdiges Sterben, Nähe, trösten) 00X110715D001.JPG MODEL RELEASE: YES,RELEASE:
In der Pflege verändere der freie Wettbewerb den Markt erheblich, sagt die Gewerkschaft verdi (imago stock&people)
Gemessen an der Entwicklung bei den Zahnarztzentren nimmt sich die Investitionsneigung privater Kapitalgesellschaften in Krankenhäuser und Kliniken noch eher bescheiden aus. Von den rund 2.000 Krankenhäusern in Deutschland wiesen lediglich 27 eine Private-Equity-Beteiligung auf, erläutert der Präsident der deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Und dass es bislang nicht mehr seien, hinge an der Regulierung der in Deutschland arbeitenden Kliniken. "Sie können sich nicht heute ein Krankenhaus kaufen und es morgen wieder verkaufen. Und Sie können zum Glück auch Ihre Versorgungsaufträge nicht so gestalten wie Sie wollen, da sind die Bundesländer mit im Spiel."
Die Bundesländer schreiben über Krankenhauspläne vor, was an Versorgung der Patienten erbracht werden muss, und dem habe sich eine Klinik zu fügen. Rosinenpickerei sei daher nur sehr schwer möglich. Allerdings müssten die Bundesländer auch ihre Hausaufgaben machen, vor allem im Hinblick auf überfällige Investitionen. "In dem Geld, das wir von den Krankenkassen bekommen, steckt kein einziger Euro drin, der vorgesehen ist für Investitionen. Und wenn die Bundesländer ihrer Investitionsverpflichtung nicht nachkommen, sind die Krankenhäuser gezwungen aus diesem Geld – was eigentlich für was anderes gedacht ist - Teile zu nehmen und sie für Investitionen zu verwenden. Und dass da private Kapitalgeber diesen Markt für sich entdecken, ist nicht so überraschend."
Privates Geld sei willkommen auf dem Gesundheitsmarkt und bereits heute befinde sich jedes dritte Krankenhaus und jedes fünfte Bett in privater Trägerschaft. Eingesetzt hat diese Entwicklung in den 1980er-Jahren, als die kommunalen Träger ihre meist defizitären Häuser verkauften. Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken, sagt: "Wir sind der Ausfallbürge für, ich formuliere es ganz hart, in Teilen auch Versagen staatlicher, kommunaler Krankenhausstrukturen. Dort, wo die versagt haben, sind wir eingesprungen, haben mit privatem Kapital Krankenhäuser modernisiert und in bessere Prozesse, in höhere Qualität investiert. Und das beabsichtigen wir auch weiter zu tun, es ist nicht unser Ziel, ein Krankenhaus zu kaufen, um es zu verkaufen."
Vor allem in der Pflege ist das Interesse von Hedgefonds groß
Ohnehin, so Bublitz, gäbe es dafür im Moment keinen Markt. Selbst wenn Beteiligungsabsichten von Heuschrecken bestünden, gäbe es keine geeigneten Objekte. Ganz anders sieht das offenkundig im Bereich der Altenpflege aus. Hier verändere der freie Wettbewerb den Markt erheblich, sagt Sylvia Bühler, Mitglied im Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "2017 sind allein 24.000 Beschäftigte in der Altenpflege davon betroffen gewesen, dass ihre Einrichtung, ihr Unternehmen von Hedgefonds übernommen wurde." Verdi fordert mehr Engagement vom Staat.
"Die Privatisierung ist überhaupt nicht gesteuert, jede Stadt, jeder Landkreis kann das für sich entscheiden, da gibt es noch das Kartellamt, das drauf schaut, ob in einer Region Markmacht entsteht. Das hat aber alles mit politischer Planung - wie soll unser Gesundheitswesen organisiert werden - nichts mehr zu tun."
Im Rahmen der von der Bundesregierung geplanten Pflegereform sollen Pflegekräfte besser bezahlt werden, angestrebt wird ein einheitlicher Tarifvertrag, der Wettbewerbsdruck von den Schultern der Beschäftigten wegnehmen könnte.