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Gesundheitsgefahr
Klimawandel macht Menschen krank

Schon jetzt beeinträchtigt der Klimawandel unsere Gesundheit. Neuerdings wird auch in Europa der Erreger des West-Nil-Virus durch Mücken übertragen - ein Krankheitserreger, der vor einigen Jahren noch auf tropische Gegenden beschränkt war. Ärzte wollen nun präventiv vorgehen.

Von Christina Sartori | 29.10.2019
Abendsonne an den Rheinterrassen in Köln
Steigende Temperaturen und Hitzerekorde setzen der Gesundheit zu (Christoph Hardt/ Geisler-Fotopress)
Klimawandel und Gesundheit hängen eng miteinander zusammen, davon ist Sylvia Hartmann überzeugt.
"Gesunde Menschen kann es nur auf einem gesunden Planeten geben. Und diese Gesundheit ist bedroht durch die Klimakrise. Als Ärzte setzen wir uns immer die Aufgabe, Gesundheit zu erhalten und Wohlergehen zu fördern. Und wenn das unsere Aufgabe ist dann müssen wir das Logische tun und jetzt schon präventiv vorgehen."
Die Medizinstudentin aus Berlin engagiert sich schon seit mehreren Jahren für das Thema, unter anderem ist sie im Vorstand der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, einem Netzwerk aus Einzelpersonen und Institutionen aus dem Gesundheitsbereich und der Wissenschaft.
"Es geht nicht nur darum, unser Klima zu schützen, sondern auch uns selbst zu schützen. Uns selbst vor den ganzen Krankheiten, die auf uns zukommen werden, aber auch den Schaden, den wir jetzt schon nehmen, über den wir aber nicht sprechen."
Schon jetzt beeinträchtigt der Klimawandel unsere Gesundheit
So stellten zum Beispiel Wissenschaftler in diesem Jahr fest, dass neuerdings, begünstigt durch das wärmere Klima, auch in Europa der Erreger des West-Nil-Virus durch Mücken übertragen wird – ein Krankheitserreger, der vor einigen Jahren noch auf tropische Gegenden beschränkt war. Ein anderes Beispiel ist für Sylvia Hartmann die Luftverschmutzung.
"In Berlin gibt es immer noch Kohlekraftwerke. Wenn ich da vorbei jogge, frage ich mich immer: Vielleicht sollte ich lieber anfangen zu rauchen, anstatt da vorbei zu joggen. Denn tatsächlich: In Europa sterben immer noch mehr Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung, als an den Folgen des Rauchens. Jeder weiß, bei der Verbrennung von Kohle wird auch CO2 frei. Das heißt, wenn wir stoppen, Kohle zu verbrennen, nützt das einerseits unserer Gesundheit, aber andererseits auch massiv unserem Klima."
41 Grad Celsius – das ist ein Notfall
Dass die steigenden Temperaturen und Hitzerekorde, die der Klimawandel bereits offenbar mit sich bringt, der Gesundheit nicht gut tun – das hat wohl jeder in den beiden vergangenen Sommern am eigenen Leib erfahren. Das Robert Koch- Institut in Berlin drückte dies in Zahlen aus: Es berechnete, dass durch den Rekordsommer 2018 in Berlin und Brandenburg mehr als 800 Menschen gestorben sind. Auch für den Moderator, Komiker und studierten Mediziner Eckhart von Hirschhausen sind unter anderem die steigenden Temperaturen ein deutlicher Beleg für die Dringlichkeit des Themas.
"Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall. Ich habe noch gelernt in der Medizin: Der Mensch hält 41 Grad Celsius aus, das ist das höchste Fieber, für das der Körper eine Möglichkeit hat, zu überleben. 42 Grad ist tödlich. Wir hatten 42 Grad in Deutschland. Das ist mit Schwitzen und Ungenauigkeit so eine hinkende Metapher, aber es zeigt, dass der Zusammenhang zwischen den äußeren Bedingungen, unter den gesundes Leben überhaupt möglich ist, viel zu wenig mitgedacht wird."
Klimawandel – ein medizinisches Problem
Eckhart von Hirschhausen sieht in der Umweltverschmutzung und dem Klimawandel eines der drängendsten Probleme der Medizin.
"Vor der größten Gesundheitsgefahr haben wir bisher die Augen verschlossen, nämlich: Die ganze Hochleistungsmedizin kann keine saubere Luft schaffen, die kann kein plastikfreies Wasser herstellen und sie kann auch nicht für Millionen Menschen sorgen, wenn es unerträglich heiß wird."
Es braucht veränderte Rahmenbedingungen durch die Politik
Viele Lebensstiländerungen, die unserer Gesundheit gut tun, entlasten auch die Umwelt. Zum Beispiel: Weniger Fleisch essen, weniger Auto fahren, mehr laufen oder Fahrrad fahren. Beide, die Medizinstudentin Sylvia Hartmann und auch Eckhart von Hirschhausen, sind sich aber einig: Die Verantwortung liegt nicht alleine beim Einzelnen, sondern fordert auch staatliche Veränderungen.
"Es ist schwer, sein Leben zu ändern. Es ist viel einfacher, über veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen Menschen zu verändern. Ich war in Kopenhagen: was für eine tolle Stadt. Wie lebenswert es ist, wenn man mit dem Fahrrad überall sicher hinkommt. In Berlin Fahrrad zu fahren, ist ein Todeskommando. Warum eigentlich geben wir dem Auto so viel Platz und so viel Geld und so viel Priorität? Das ist gesundheitlicher Unsinn."
Für Sylvia Hartmann steht fest: Die Politik muss jetzt handeln. Sie hofft auf die Glaubwürdigkeit von Ärztinnen, Ärzten und Pflegepersonal.
"Wir kommen mit so vielen Menschen in Kontakt, dass wir diese Informationen als Katalysator weitertragen können. Das Vertrauen in die Ärzteschaft ist so hoch, dass es bei Menschen eher ankommt, als wenn ein Politiker das sagt."