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Gesundheitswesen
Digitale Patientenakte ab 2021

Gesundheitsminister Jens Spahn will die Digitalisierung im Gesundheitswesen zügig voranbringen: Geplant ist eine elektronische Patientenakte, auf deren Einträge alle Ärzte, Apotheker oder Therapeuten zugreifen können. Doch die Datenhoheit der Patienten gefährdet ihre Einführung.

Von Peter Welchering | 30.06.2019
Stethoskop, Computertastatur und Smartphone,
Ab 2021 sollen Laborbefunde, Diagnosen und Behandlungsdaten in die digitale Patientenakte eingetragen werden (imago / Christian Ohde)
Konkrete Konzepte für die elektronische Patientenakte sind inzwischen schon 15 Jahre alt. Und in eineinhalb Jahren, also ab Januar 2021, soll es auch endlich für alle Patienten realisiert werden. Gesundheitsminister Jens Spahn macht mächtig Druck:
"Ich möchte nicht, dass am Ende Apple Health dafür sorgt, dass ein Bedürfnis von Patienten beantwortet wird, denn das Bedürfnis ist da, die machen das ja sogar als Selbstzahler in vielen Bereichen, sondern, dass wir das hier in Deutschland organisieren. Ich glaube, das ist auch im Sinne der Patienteninnen und Patienten."
Krankenhäusern und Praxen fehlt die Ausrüstung
Laborbefunde, ärztliche Diagnosen und Behandlungsdaten sollen alle Ärzte, Physiotherapeuten, Apotheker, also alle sogenannten Leistungserbringer im Gesundheitswesen in die e-Akte eintragen: sowohl die Rohdaten als auch die jeweilige ärztliche Bewertung. Damit das auch schnell genug umgesetzt wird, will Gesundheitsminister Spahn ein eigenes Digitalisierungsgesetz rasch durch den Bundestag bringen. Doch viele Ärzte finden das Vorgehen Spahns überstürzt. Denn weder Krankenhäuser noch Arztpraxen sind für die Digitalisierung ausreichend gerüstet. Frank Ulrich Montgomery, Präsident des Weltärztebunds und langjähriger Vorsitzender der Bundesärztekammer, kennt die Probleme genau:
"Mit Sicherheit ist die Übermittlung von relevanten persönlichen Daten wie Laborbefunden oder Befunden von Röntgenuntersuchungen oder ähnliches in Zukunft durch Mail oder Messenger in Zukunft kritisch zu hinterfragen. Aber ich erinnere Sie daran, dass es noch sehr viele Krankenhäuser und Praxen gibt, die noch per Faxverkehr miteinander kommunizieren. Das ist einfach die gelebte Realität."
Sprecher: Gestritten wird auch darüber, ob die Patientenakte via Smartphone abgefragt werden darf. Die Krankenkassen und privaten Versicherungen wollen das und üben auch auf den Gesundheitsminister erheblichen Druck aus. Immerhin bieten seit September vergangenen Jahres 14 gesetzliche Krankenkassen und zwei private Krankenversicherungen eine Gesundheitsakte an, die mit dem Smartphone verwaltet werden kann. Vertragspartner der Versicherungen und Kassen ist die Vivy GmbH. Christian Rebernik, Chef der Vivy GmbH nimmt einen Einwand vieler Ärzte gleich vorweg:
"Jetzt könnte man ja sagen: Grundsätzlich dürfen Gesundheitsdaten nicht auf mobilen Endgeräten oder auf Android-Geräten sein. Wir wissen aber auch, und das sehen wir schon heute, dass ja nicht nur auf iOS-Geräten Bank-Anwendungen verwendet werden, sondern dass der Nutzer sehr wohl auch auf Android-Geräten diese Anwendungen nutzen möchte."
Sicherheit der Smartphone-Patientenakte nicht ausreichend
Sicherheitsforscher haben so viele schwerwiegende Schwachstellen bei der Verarbeitung von Patientendaten auf Smartphones nachgewiesen, dass sich die Verwaltung der elektronischen Patientenakte via Handy verbietet. Das sehen die Ärzte genauso wie die Computerwissenschaftler. Sie fordern, dass das Gesundheitsministerium endlich genaue Sicherheitsanforderungen für den Umgang mit der elektronischen Patientenakte festlegt. Weltärztebund-Chef Frank Ulrich Montgomery appelliert deshalb auch an seine Kolleginnen und Kollegen:
"Du darfst kein unsicheres Verschlüsselungssystem für die Übertragung solcher Daten verwenden. Im Bereich der kassenärztlichen Vereinigungen, also der niedergelassenen Ärzte, gibt es ja heute bereits mit Safenet und mit verschiedenen Konnektoren und mit verschiedenen Plattformen, gibt es ja sehr sichere Systeme, die die Datensicherheit der Patienten gewährleisten."
Solche Lösungen mit hohen Sicherheitsanforderungen werden sich nur sehr langsam flächendeckend im Gesundheitswesen durchsetzen. Ihnen fehlt auch seitens der Patienten schlicht die Akzeptanz. So droht der Datenschutz bei Einführung der elektronischen Patientenakte auf der Strecke zu bleiben. Denn eine Patientenkontrolle über die Dateneinträge in der e-Akte wird es zum Einführungszeitpunkt nicht geben. Der Patient sollte nämlich die Möglichkeit haben, genau festzulegen, welche Daten die unterschiedlichen Fachärzte oder Allgemeinmediziner, Apotheker oder Therapeuten sehen dürfen. Doch genau dieses Feature für die Datenhoheit der Patienten wird es erst einmal nicht geben. Denn dadurch würde, nach Auskunft der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, die Einführung der elektronischen Patientenakte zum Januar 2021 gefährdet werden.