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Getränkewerbung in Ungarn
An Cola-Kampagne entzündet sich Homophobie

Eine Werbekampagne des Softdrink-Hersteller Coca Cola sorgt in Ungarn für Wirbel. Sie zeigt unter anderem gleichgeschlechtliche Paare, die sich umarmen. Für die rechtskonservative Fidesz-Partei von Minister Victor Orbán Anlass, Stimmung gegen Homosexuelle zu machen.

Von Srdjan Govedarica | 10.08.2019
Coca-Cola-Flaschen in Orlando, Florida.
Die rechtskonservative Fidesz-Partei sieht durch die aktuelle Werbekampagne von Coca Cola die weiße Rasse in Ungarn bedroht (Paul Hennessy/NurPhoto/picture alliance )
"Love is Love" – das ist der Claim der aktuellen Coca-Cola Kampagne in Ungarn. Auf den Plakaten, die vielerorts hängen sind auch zwei Männer zu sehen, die sich umarmen und Frauen, die sich beinahe küssen. Unter jedem Plakat steht der Slogan: "Kein Zucker, keine Vorurteile". Soweit so normal. Im konservativen Ungarn hat diese Kampagne eine Welle der Empörung ausgelöst. Auf dieser reitet auch der Chefredakteur der regierungsnahen Tageszeitung "Demokrata" Andras Bencsik. Er sagte im ungarischen Fernsehen:
"Ich finde es bedenklich, dass in Europa diese homosexuelle Superpropaganda genau dann startet, wenn wir sehen, dass die europäische Zivilisation irre schnell schrumpft. Anderswo in der Welt gibt es Bevölkerungszuwachs. Es ist ein sehr wirksames Werkzeug für den Selbstmord der weißen, europäischen Zivilisation."
40.000 Unterschriften gegen Werbekampagne
Inzwischen haben fast 40.000 Menschen eine Petition gegen die Werbekampagne unterschrieben. István Boldog, ein Politiker der regierenden Fidesz-Partei von Viktor Orban, rief dazu auf, die Plakate abzuhängen und Coca-Cola zu boykottieren. Auf seiner Facebook-Seite garnierte er den Boykottaufruf mit Untergangsszenarien:
"Wenn die ungarische Gesellschaft das akzeptiert, werden sie weitere Schritte wagen. Poster, Werbespots, Filme, Regenbogenprodukte. Und irgendwann wird es nicht mehr aufzuhalten sein."
Homosexualität wird toleriert, aber am besten nur in den eigenen vier Wänden
Die rechtsnationale ungarische Regierung von Viktor Orbán propagiert ein traditionelles Familienbild. Die Ehe für alle oder gar das Adoptionsrecht für Homosexuelle lehnt die Fidesz-Partei vehement ab. "Ein Apfel kann nicht darum bitten, Birne genannt zu werden", sagte Viktor Orban 2016 in einem der seltenen Interviews zum Thema. Homosexualität wird offizielle toleriert, aber am besten nur in den eigenen vier Wänden. Umso wichtiger sei es, dass Homosexuelle in der ungarischen Öffentlichkeit auftauchen, sagt Tamas Dombos von der NGO Hatter, die sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzt:
"Wir denken, es ist wichtig, dass gleichgeschlechtliche Paaren mehr Sichtbarkeit kriegen. Und auch Unternehmen können dabei eine Rolle spielen. Aber es ist nicht gut, wenn nur Firmen solche Kampagne führen. Es wäre auch wichtig, dass Paare sich in Social Media outen und NGOs oder sogar die Regierung sollten gleichgeschlechtliche Paaren, Regenbogenfamilien zeigen, wenn sie zum Beispiel über Familienunterstützungen reden."

"Love is Love" - ist die Kampagne nur ein geschickt gesetzter Werbegag – also eine kalkulierte Provokation, um vor dem großen Musikfestival Sziget ins Gespräch zu kommen? Das sei zweitrangig, sagt Aktivist Tomas Dobos:

"Natürlich sollen wir keine Illusionen haben. Alle Firmen möchten Profit machen. Aber trotzdem ist es wichtig, wenn eine Firma solchen Themen aufgreift. Sie gehen damit ein Risiko ein. Auch Coca-Cola ist ein Risiko eingegangen und das finde ich gut."

Coca-Cola Ungarn stand für ein Interview mit dem ARD-Studio Südosteuropa nicht zur Verfügung. In einer schriftlichen Stellungnahme schrieb das Unternehmen jedoch, es vertrete den Standpunkt, dass Menschenrechte zu achten und alle Menschen gleich seien, unabhängig von Nationalität. Religion, Geschlecht und Ähnlichem. In diesem Sinne sei auch die Kampagne zu verstehen.
Die regierende Fidesz-Partei hat inzwischen Boykottaufrufen für Coca-Cola eine Absage erteilt. Ungarn sei ein freies Land und jeder könne frei entscheiden, ob er Coca-Cola trinken möchte oder nicht, ließ die Partei sich in ungarischen Medien zitieren. Anna Donath von der oppositionellen Momentum-Bewegung ist dennoch alarmiert:

"Für uns ist Hass - oder die Propagierung von Hasses - inakzeptabel. Dagegen werden wir uns mit eigenen Mitteln wehren. Entweder politisch oder wir nehmen Handschuhe und Schwämme nehmen, um diese Kritzeleien zu abwaschen."
Gemeint sind Aktionen einer bisher eher unbekannten Gruppe mit dem Namen "Jugendliche mit nationalen Emotionen". Sie verbreitet bei Facebook Videos, die zeigen, wie Vermummte die Coca-Cola-Plakate zerstören oder aus den Beleuchtungskästen reisen und verbrennen oder mit Schmähungen beschmieren.