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Getreideernte
Landwirte kämpfen mit Trockenheit

Der Boden ist trocken, der Regen bleibt aus: Das vergangene Dürrejahr hat vielen Landwirten zu schaffen gemacht. Und auch in diesem Jahr kämpfen sie wieder mit der Trockenheit. Deutschlandweit erwarten sie nur eine durchschnittliche Getreideernte.

Von Manfred Götzke | 03.07.2019
Während am Horizont langsam die farbenprächtige Abendsonne versinkt, geht ein Mann mit einer Sense auf der Schulter durch sein Getreidefeld nahe dem brandenburgischen Beeskow.
Auf einer Fläche von 6,4 Millionen Hektar wird in Deutschland Getreide angebaut (dpa-picture alliance / Patrick Pleul)
"Schwache Körner, Frostschäden, man sieht, dass die Ähre nicht komplett ausgebildet ist."
Landwirt Willi Groß steht vor seinem Gerstenfeld in Brandenburg, in der Hand dreht er eine dünne bräunliche "Schmachtähre". Das Feld hinter ihm ist schon fast erntereif – doch die Körner sind dünn, die Stiele bräunlich und sehr viel niedriger als in normaleren Jahren. Für seinen 270 Hektar Hof wird die Getreideernte in diesem Jahr so schlecht ausfallen wie im Dürresommer 2018. Wenn nicht sogar noch schlechter.
"Bei unserem Betrieb ist es so, dass wir im Frühjahr vermehrt keinen Niederschlag hatten, dass die Kulturen sich nicht weiter entwickelt haben. Wir ernten normalerweise um die fünf Tonnen, wenn wir Glück haben sechs Tonnen, jetzt kommen wir auf drei bis vier Tonnen."
2019 bringt eine "knappe Durchschnittsernte"
Später Frost, zu wenig Regen – und dann viel zu große Hitze. Vor allem in Brandenburg mit seinen trockenen Böden wird also auch 2019 kein gutes Erntejahr werden. Auf ganz Deutschland bezogen, sieht die Ernteprognose allerdings nicht so schlecht aus, sagt Bauernpräsident Joachim Ruckwied, der heute die Presse aufs Feld von Jungbauer Will Groß geladen hat.
"Wir erwarten in Deutschland eine knappe Durchschnittsernte im Vergleich zu den Jahren 2013 und 2017. 2018 haben wir aus der Bewertung herausgenommen, das war ein extremes Dürrejahr."
Der Verband geht für 2019 damit von einer Getreideernte von 47 Millionen Tonnen aus – 1 Million weniger als Durchschnitt. Regional sind die Unterschiede in diesem Jahr besonders groß, sagt Ruckwied.
"Und wir hoffen, dass Juli, August günstiger werden – für spätere Kulturen wie Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln aber auch für unsere Futterbaubetriebe, dass wir da eine günstigere Witterung bekommen."
Bauernverband setzt auf widerstandsfähige Sorten
Der Dürresommer hat dabei auch das Heranwachsen der Pflanzen in diesem Jahr bestimmt. Für Ruckwied steht fest: Die Landwirte arbeiten schon jetzt unter den erschwerten Bedingungen des Klimawandels. Er bezieht sich auf Windbänder, die normalerweise Hoch- und Tiefdruckgebiete bewegen, zuletzt aber nachließen.
"Durch den schwächeren Jetstream haben wir entweder lange Hochdruckphasen, trocken heiß - oder wie 2017 langer Tiefdruck, feucht und kühl. Da gibt’s nicht das Rezept, was in einem Jahr gut ist. Hitzetolerante Sorten – das kann im nächsten Jahr schlecht sein. Wir müssen einfach widerstandsfähigere Sorten bekommen."
Ruckwied fordert deshalb auch Unterstützung, allerdings keine staatlichen Dürrenothilfen wie im letzten Jahr.
"Die Politik muss uns die Möglichkeit der Selbsthilfe schaffen, das heißt Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage. Außerdem brauchen wir Unterstützung der Politik, um Versicherungslösungen auf den Weg zu bekommen. Wir wollen uns zukünftig selbst absichern können. Da muss aber die Politik am Anfang unterstützen."
Wird Brandenburg zur Wüste?
Noch mehr als der Klimawandel bewegt viele Landwirte ganz aktuell aber etwas anderes. Das gerade frisch zwischen EU und Lateinamerika beschlossene Freihandelsabkommen Mercosur.
"Ich hab überhaupt kein Verständnis dafür, dass man den europäischen Markt für Agrarwaren öffnen möchte: Beispielsweise 99.000 Tonnen zusätzlich Rindfleisch, 200.000 Tonnen Zucker. Geflügelfleisch auf den Markt lassen würde, das zu Standards erzeugt wurde, zu denen wir in Europa nicht erzeugen dürfen."
Für den Getreidebauer Willi Groß sind mexikanische Billighühner einstweilen kein Thema. Er überlegt sich, wie er seinen Betrieb umstellen wird – wenn Hitze und Dürre zum Standard in Brandenburg werden.
"An der Uni haben sie uns erklärt, dass Brandenburg zur Wüste wird, das hab ich nicht geglaubt, nach dem nassen Jahr sowieso nicht, aber nach den letzten zwei Jahren, die wir jetzt haben, muss man sich die Worte nochmal zu Herzen nehmen."