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GEW fordert bessere Arbeitsbedingungen an Unis

Befristete Verträge und eine schlechte Bezahlung - für wissenschaftliche Mitarbeiter sei dies die Regel, meint Andrea Britze von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. In anderen Branchen würde dies zum Streik führen. Doch an den Hochschulen sind nur wenige Mitarbeiter Mitglied in einer Gewerkschaft. Das möchte die GEW jetzt ändern.

Von Lars Krupp | 30.11.2011
    Melanie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr Uni Bochum. Sie hat eine halbe Stelle und promoviert. Ihre Arbeit macht ihr Spaß, doch mit den Arbeitsbedingungen ist sie nicht zufrieden, da sie nur befristete Verträge bekommt und jede Vertragsverlängerung von ihrem Arbeitgeber abhängt.

    Aus diesem Grund möchte sie nicht, dass ihr Nachname im Beitrag genannt wird.

    "Meine längste Befristung, obwohl ich da noch mal mit Nachdruck hinterher war, war 1,5 Jahre. Die Situation ist so, dass ich eine Kollegin in Elternzeit vertreten habe ,aber meine Chefin hat klar gesagt, dass bei mir auch Feierabend ist, wenn meine Kollegin wieder da ist. Sie soll dann die volle Stelle bekommen und wir können nicht halbe-halbe machen"."

    In wenigen Monaten endet Melanis Vertrag. Wie es dann weiter geht weiß sie noch nicht. Sie muss schnell eine neue Stelle finden, denn auch Momentan reicht das Geld nur gerade so für Sie und ihren Sohn.

    ""Ich zahl einerseits noch BaföG und Bildungskredit ab und andererseits muss nächstes Jahr der Kleine in die KiTa, das heißt da ginge mehr als die Hälfte meines Gehalts weg, wenn man so rechnen will für die Infrastruktur drauf...da sind halt große Sprünge nicht möglich und das obwohl ich das Gefühl habe, dass ich eine volle Arbeitskraft bin."

    Melanie ist kein Einzelfall. Viele Doktoranden, Hilfskräfte und wissenschaftliche Mitarbeiter werden trotz einer hohen Arbeitsbelastung schlecht bezahlt. Sie bekommen das Gehalt für eine halbe Stelle, müssen aber deutlich mehr arbeiten. Außerdem sind ihre Verträge befristet, in vielen Fällen auf maximal ein Jahr. Häufige Ortswechsel sind die Folge. Dr. Matthias Burchardt von der Uni Köln beobachtet, dass sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren verschlechtert haben:

    "Es gibt inzwischen Untersuchungen, die auch dem Ministerium vorliegen, die besagen, dass wir es zu tun haben, mit 95 Prozent prekär Beschäftigten. Und das ist eine sehr bedenkliche Perspektive, weil das natürlich der wissenschaftliche Nachwuchs ist, aus dem heraus die neuen Impulse für Wissenschaft und Gesellschaft kommen. Und wir können es uns im Grunde nicht erlauben, diese Menschen aufs virtuelle Abstellgleich zu schieben, mit den entsprechenden psychischen Folgen."

    Viele Mitarbeiter wünschen sich bessere Arbeitsbedingungen. Doch ändern können sie kaum etwas. Viele dürfen noch nicht einmal Mitglied im Personalrat werden:

    "Es gibt Qualifikationshürden für die Teilnahme an Gremien. Man sagt, wir wählen in die Gremien nur noch Leute, die zwei Jahre beschäftigt sind. Das heißt, die die am ärmsten dran sind, sind am wenigsten repräsentiert in den Gremien. Das heißt es ist eine Frage von good will, dass die Menschen die in den Gremien sitzen, deren Interessen vertreten. Das ist eine strukturelle Schlechterstellung und Diskriminierung"

    Auch die Gewerkschaften konnten den wissenschaftlichen Mittelbau bislang nur schlecht vertreten, weil nur wenige Mitarbeiter Mitglied in einer Gewerkschaft sind:

    "Weil es doch ein sehr individualisierter Beruf ist, auch mit vielen Ängsten, mit viel Konkurrenz verbunden, das man sich da groß solidarisiert ist kaum vorstellbar."

    Erklärt Andrea Britze von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie möchte die Situation der Beschäftigten verbessern und hat eine Hochschulgruppe der Gewerkschaft an der Uni Köln gegründet. Die Gruppe möchte erreichen, dass sich die Wissenschaftler gemeinsam für unbefristete Verträge, höhere Löhne und mehr Mitbestimmung einsetzen.

    "Das zentrale Mittel von Gewerkschaften ist immer der Streik. Ich kann mir zwar auch schon vorstellen, dass es noch eine lange Zeit dauert, bis so eine Belegschaft von der Universität dazu in der Lage ist und ich glaube schon, dass die Situation eine andere wäre, wenn hier alle den Betrieb mal lahmlegen und für gemeinsames Lernen und Lehren eintreten."

    Momentan hat die Gruppe 25 Mitglieder, ob es wirklich zum Streik kommt ist ungewiss. Doch selbst wenn es zum Streik kommt glaubt Matthias Burchardt, dass sich für die Beschäftigten nicht viel ändern wird.

    "Das Problem ist, dass es relativ schwer auszumachen ist, wo die Appelations-Instanz für die Kritik ist. Weil alle sagen, wir sind hier Sachzwängen ausgeliefert."

    Denn wie viel Geld die einzelnen Hochschulen bekommen bestimmt das Land. Nur ein landesweiter Streik könnte also dafür sorgen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern.