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Gewalt in der Ukraine
Zahl der Toten steigt

In der Ukraine nimmt der Machtkampf zwischen Opposition und Regierung weiter an Schärfe zu. Sieben Menschen sollen am Mittwoch bei gewaltsamen Zusammenstößen in der Hauptstadt Kiew gestorben sein. Hunderte wurden verletzt.

22.01.2014
    In Kiew sind nach wie vor 50.000 Menschen auf der Straße, um gegen die Regierung zu protestieren. Oppositionsführer Vitali Klitschko rief dazu auf, der Polizeigewalt nicht zu weichen. Im Laufe des Tages versuchten die Sicherheitskräfte mehrfach, die Demonstranten mit Gewalt zurückzudrängen. Die Kundgebung am Abend begann mit einer Schweigeminute für die Opfer der Proteste. Nach Angaben der Opposition wurden bisher sieben Menschen getötet. Die ukrainischen Behörden sprechen von zwei Todesopfern. Laut der Nachrichtenseite "Ukrainska Pravda" hatten vier der Toten Schussverletzungen. Ein weiterer Mann sei von einem Dach an einem Stadioneingang nahe der Proteste gestürzt und später seinen Verletzungen erlegen.
    Angesichts der Gewalt traf sich Präsident Victor Janukowitsch mit Vertretern der Opposition, darunter Klitschko. Anschließend erklärte Klitschko, er habe keine positive Antwort auf seine Forderungen bekommen. Wenn es bis Donnerstag keine Anzeichen für ein Entgegenkommen gebe, werde man in die Offensive gehen, sagte der frühere Box-Weltmeister vor den Demonstranten. Janukowitsch könne die Krise friedlich lösen, indem er vorgezogene Neuwahlen ansetze.
    Die Proteste gegen den pro-russischen Kurs von Präsident Janukowitsch dauern seit November an. Er hatte es auf Druck von Russland im November abgelehnt, sich stärker an die EU zu binden. Seine Gegner befürworten dagegen einen pro-europäischen Kurs. Nach der Verschärfung des Demonstrationsrechts am vergangenen Freitag schlug der Konflikt in massive Gewalt um.
    Schlagstöcke auf beiden Seiten
    Eine Gruppe radikaler Demonstranten hat die Polizei seitdem immer wieder mit Molotow-Cocktails, Baseballschlägern und Steinen angegriffen sowie Barrikaden errichtet. Die Sicherheitskräfte gehen mit großer Härte unter Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die Unruhestifter vor. Mehrere Oppositionelle kamen in Untersuchungshaft, weil sie Polizisten angegriffen haben sollen. Darauf steht in der Ukraine jahrelange Haft.
    Die Regierung gibt den Demonstranten die Schuld an der Eskalation und spricht von "Terroristen". Oppositionspolitiker Klitschko sieht die Schuld dagegen bei Präsident Janukowitsch. Der ehemalige Box-Weltmeister hatte zunächst versucht, die radikalen Regierungsgegner zu besänftigen, diese hatten ihm jedoch kein Gehör geschenkt.
    Anhänger der Opposition erklärten, Scharfschützen der Polizei hätten auf die Demonstranten gezielt. Im Zentrum von Kiew ertönten "Mörder"-Rufe, als sich die Nachricht über die Toten herumsprach.
    Osteuropa-Experte: Regierung schüchtern Demonstranten ein
    Der Osteuropa-Experte Wilfried Jilge sagte im Deutschlandfunk, die ukrainische Regierung versuche verdeckt die Demonstranten einzuschüchtern.
    Tausende Schlägertrupps seien auf der Straße, um scheinbar ohne Auftrag der offiziellen Stellen Gewalt anzuwenden. Von der EU forderte er eine "breit gefächerte, intensive Diplomatie" zur Lösung des Konflikts.
    Internationaler Aufruf zum Dialog
    Die US-Regierung verurteilte die Eskalation der Gewalt und rief beide Seiten zur Deeskalation und zum Dialog auf. Die zunehmenden Spannungen seien die direkte Folge der Weigerung der Regierung, mit der Opposition in einen echten Dialog zu treten sowie eine Konsequenz der jüngsten anti-demokratischen Gesetze, sagte die stellvertretende Sprecherin im State Department, Marie Harf, in Washington. Aber auch die aggressiven Aktionen von Rechtsextremen seien nicht hinzunehmen.
    Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. Die Vorkommnisse seien "Grund für extreme Besorgnis".
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ebenfalls besorgt über die Entwicklung in der Ukraine. Er sagte, er "verstehe eine frustrierte Opposition, die seit Tagen und Wochen spürt, dass sich nichts bewegt". Zugleich betonte er: "Gewalt ist keine Lösung. Das sagen wir für beide Seiten."