Hirsch: Einen schönen guten Morgen.
Koczian: Sie waren Innenminister, also auch Polizeiminister in Nordrhein-Westfalen, dem wichtigsten Bundesland, als der linke Terror die Bundesrepublik überzog. Der Staat antwortete mit dem 'bleiernen Herbst'. Auch wenn sich jetzt nicht die Probleme von Fahndung und Verhaftung der Täter stellen, so bleibt doch der Eindruck, dass der Staat damals entschlossen reagierte, jetzt aber eher hilflos an die Bürger apelliert. Gibt es Gründe dafür?
Hirsch: Wir haben damals ohne Zucken versucht, das Recht durchzusetzen, und ich glaube, dasselbe muss hier auch geschehen. Das erste, wogegen wir uns zu wehren haben, sind die andauernden Versuche, den Umfang des Problems zu verharmlosen. Ich habe einmal zusammengerechnet, um wieviel Fälle es sich eigentlich handelt - von 1996 bis zum ersten Quartal 2000, und das muss man jedem sagen: In diesem kurzen Zeitraum hat es fast 9.000 Straftaten rechtsradikalem oder rassistischem Ursprungs gegeben, davon Duzende Brandanschläge, 1.530 zum Teil Schwerverletzte, 16 Tote. Allein 1999 gab es 30 Brandanschläge, 37 Fälle von Schändungen zahlreicher jüdischer Gräber, 100 Konzerte mit volksverhetzenden Texten, davon 8 Konzerte mit mehr als 1.000 Besuchern, mit Liedern wie 'Herrenrasse' oder 'Kanakenkiller'; es gibt eine Gruppe 'Zyklon D', es gibt eine Gruppe 'Zillertaler Türkenjäger', Das sind Vorgänge, bei denen jede Verharmlosung fehl am Platze ist und wo man bei der Anwendung von Brutalitäten und von privater Gewalt nicht mehr verdecken darf mit der Frage nach staatlichen oder gesellschaftlichen Versäumnissen, sondern hier muss man zunächst einmal sagen: Es gibt eine Fülle von vorsätzlichen Tötungen, von Brutalitäten und von rassistischen Gewalttaten, die vor die Gerichte gehören und die ohne jedes Zucken auch so behandelt werden müssen, wie jede andere normale brutale persönliche Straftat.
Koczian: Herr Hirsch, ziehen wir trotzdem noch mal einen Vergleich. Es gab damals das Wort vom 'Sympathisantensumpf' - vielleicht ein Kampfbegriff, aber ist er jetzt nicht von heuristischem Wert?
Hirsch: Ja, das ist einer der Punkte, über die man wirklich nachdenken muss, nämlich dass diese Täter in Teilen Deutschlands - und ich will hier nicht einen Ost-West-Konflikt aufmachen, aber in den neuen Bundesländern ist die Gefahr, Opfer einer solchen Straftat zu werden, 200 mal größer als im Westen - dass die Täter den Eindruck haben, dass sie die Vollstrecker des wahren Volkswillens seien, dass sie das Gefühl haben, etwas zu vollziehen, was die Masse der Bevölkerung denkt, aber nicht offen auszusprechen wagt. Das in der Tat einer der Gründe, die zu solchen Verirrungen führen.
Koczian: Roland Koch ist ja nun Ministerpräsident in Hessen. Er sagte, dass Ganze sei überzogen, die NPD freue sich über die Reklame. Ist das die Realität?
Hirsch: Ich finde, dass das eine schwere Fehleinschätzung ist, für die der Ministerpräsident sich schämen sollte, wenn er sich auch nur einmal mit den Tatsachen selber befasst. Was mich überhaupt überrascht, dass wir eine ziemlich exakte Auskunft über die Zahlen dieser Straftaten bekommen, dass aber die Regierungen - jedenfalls nach ihren parlamentarischen Auskünften - keine Kenntnisse darüber haben, wie die staatlichen Reaktionen waren, also zu welchen Verurteilungen diese Taten geführt haben. Da fehlt es am Meldedienst, und da stochert man im Nebel rum, wenn man ihnen die Frage stellt: Reichen eigentlich die Gesetze aus, die wir haben? Darum also die eine Seite: Reichen die polizeilichen Maßnahmen aus, reichen die Gesetze aus, entsprechen die ausgesprochenen Strafen dem Umfang der tatsächlichen politischen und persönlichen Bedrohung von Menschen? Das ist der erste Punkt, an dem wirklich ein dringender Handlungsbedarf besteht. Und der zweite ist natürlich die Frage danach, welche sozialen und ökonomischen Bedingungen zu diesen Vorgängen geführt haben und ob wir nicht drastische Maßnahmen ergreifen müssen, um insbesondere die Jugendarbeit und die soziale Lage von jungen Leuten zu verbessern. Denn das Merkwürdige ist ja, dass diese rechtsradikalen Bewegungen für ein System eintreten, das sie selber überhaupt nicht kennen, indem sie die Herren sein wollen. Aber das System kennen sie nicht; ihre Eltern kennen es nicht einmal. Und trotzdem propagieren sie ein System, das auf Hass und Unterwerfung beruht.
Koczian: Nun, aus guten Gründen misstrauen Liberale ja Beschwörungstheorien. Dennoch gibt es Erkenntnisse, dass Anwälte die potentiellen Gewalttäter besuchen, ihnen raten, die Ausländer zu drangsalieren und sich dabei nicht erwischen zu lassen. Wenn sie aber gefasst werden, wären sie sozusagen 'rechtsschutz-versichert'. Ist dies nicht eine veritable Verschwörung gegen den Staat?
Hirsch: Also, wenn Sie Rechtsanwälte nennen: Ich kenne solche Vorgänge, wie Sie sie darstellen, nicht. Das mag es in Einzelfällen geben. Aber darin sehe ich nicht die Verschwörung, sondern ich sehe die Verschwörung darin, dass wir offenbar zu leicht geneigt sind, solche volksverhetzenden Texte als harmlose Jugendverirrungen hinzustellen. Und das ist nicht etwa nur eine Aussage der Verteidiger, sondern das erlebt man leider in der Politik auch - Sie haben Herrn Koch, den hessischen Ministerpräsidenten zitiert. Man kann genau so gut sich erinnern an ausländerfeindliche Tiraden, die von einer 'multikriminellen Gesellschaft' oder von einer 'durchrassten Gesellschaft' gesprochen haben - also Politiker, die selber dazu beitragen, dass Ausländer in unserem Land zu Sündenböcken gemacht werden, also zu der scheinbaren Ursache für Probleme, die in der Biographie der Täter selber liegen.
Koczian: Wurde vielleicht auch deswegen etwas versäumt, weil man aus guten Gründen gebannt nach links starrte, rechts aber als 'ewig gestrig' abtat - und nun staunt man, dass 'gestern' heute geworden ist?
Hirsch: Ja, wenn man sich manche Entscheidungen der Gerichte ansieht, kommt man in der Tat zu dem Eindruck, dass rechte Verirrungen als 'so ein paar Dünkel, die eigentlich harmlos sind' betrachtet werden, während man bei den Vorgängen, die Sie am Anfang gekennzeichnet haben - RAF und andere -, gesagt hat: ' Das sind Angriffe auf unseren Staat', und dabei verkennt, dass rechtsradikale Gewalt selber genau dieselbe Maschine - Angriff auf unsere Verfassung und auf unseren demokratischen Staat - ist, wie die Tätigkeit RAF. Die Zahl der Opfer ist noch schlimmer. Ich frage mich manchmal, wie die Reaktionen des Staates, der Öffentlichkeit und der Gesellschaft wäre, wenn die Straftaten, die ich am Anfang aufgezählt habe, wenn die nicht von rechts-, sondern von linksradikalen Tätern begangen worden wären. Ich glaube, da gäbe es eine weit größere öffentliche Diskussion und Erregung, als wir sie bisher erlebt haben.
Koczian: Herr Hirsch, man spricht von der 'schwachen Weimarer Republik'. Damals prügelten sich Rotfront und SA. Es gab aber auch ein 'Reichsbanner' - wenn man so will, eine demokratische Miliz. Ist es wieder Zeit für ein Reichsbanner?
Hirsch: Die Gefahr besteht, dass sich beide Seiten gegenseitig ausreizen, und dass die demokratische Kultur in der Mitte der beiden Radikalismen zerstört wird. Die Gefahr besteht immer. Und das, was wir dagegen setzen wollen, ist die Zivilgesellschaft, den Aufstand der Bürger, die sagen: 'Wir lassen uns das nicht mehr gefallen, wir lassen uns unsere Zukunft nicht von den Schlägern der einen oder anderen Seite kaputt machen'. Und nun muss ich etwas sagen: Sie haben ja am Anfang nach den Versäumnissen gefragt. Und die Überlegung, die man anstellen muss, ist ja: Warum sind solche Vorgänge insbesondere in den neuen Bundesländern konzentriert, obwohl wir dort - was Ausländer angeht - weder einen namhaften Bevölkerungsanteil dieser Art haben, noch Kenntnisse über das Zusammenleben mit Ausländern bestehen. Und da habe ich den Eindruck, dass die Jugendarbeit und dass die demokratische Erziehung deswegen im Argen liegt, weil auch die Eltern kaum in der Lage sind, in vielen Fällen den Sinn demokratischer Strukturen überzeugend weiterzugeben. Das heißt, wir müssen die Gemeinden, wir müssen Bürgerinitiativen, wir müssen die vielen demokratischen Initiativen, die es in diesen Ländern gibt, massiv und drastisch bei ihrer Arbeit unterstützen. Man muss von der Industrie und von den Verwaltungen verlangen, dass sie nicht nur an einen Jugendaustausch mit anderen Ländern denken, sondern dass sie eine Art innerdeutschen Jugendaustausch in die Wege setzen, dass sie Praktikantenstellen zur Verfügung stellen, damit weit mehr junge Leute als bisher - zum Beispiel aus den neuen Bundesländern - sehen, wie in einer demokratischen Gesellschaft Konflikte gelöst werden, damit sie mit einer anderen politischen Kultur bekannt werden, als sie sie bisher gekannt haben. Ich glaube, dass das nicht geht, ohne dass auch der Bund ein Programm dieser Art in die Wege leitet und aktiv tätig wird. Man kann nicht mehr zusehen und warten, ob sich das von selbst zurechtschüttelt. Das wird es nicht tun, sondern man muss ein aktives Handeln des Staates verlangen, um diese Defizite, die es offenbar gibt, aufzuarbeiten.
Koczian: In den Informationen am Morgen war das der liberale Rechtspolitiker Burkhard Hirsch. Danke nach Düsseldorf.
Hirsch: Bitte sehr, auf Wiederhören.
Koczian: Sie waren Innenminister, also auch Polizeiminister in Nordrhein-Westfalen, dem wichtigsten Bundesland, als der linke Terror die Bundesrepublik überzog. Der Staat antwortete mit dem 'bleiernen Herbst'. Auch wenn sich jetzt nicht die Probleme von Fahndung und Verhaftung der Täter stellen, so bleibt doch der Eindruck, dass der Staat damals entschlossen reagierte, jetzt aber eher hilflos an die Bürger apelliert. Gibt es Gründe dafür?
Hirsch: Wir haben damals ohne Zucken versucht, das Recht durchzusetzen, und ich glaube, dasselbe muss hier auch geschehen. Das erste, wogegen wir uns zu wehren haben, sind die andauernden Versuche, den Umfang des Problems zu verharmlosen. Ich habe einmal zusammengerechnet, um wieviel Fälle es sich eigentlich handelt - von 1996 bis zum ersten Quartal 2000, und das muss man jedem sagen: In diesem kurzen Zeitraum hat es fast 9.000 Straftaten rechtsradikalem oder rassistischem Ursprungs gegeben, davon Duzende Brandanschläge, 1.530 zum Teil Schwerverletzte, 16 Tote. Allein 1999 gab es 30 Brandanschläge, 37 Fälle von Schändungen zahlreicher jüdischer Gräber, 100 Konzerte mit volksverhetzenden Texten, davon 8 Konzerte mit mehr als 1.000 Besuchern, mit Liedern wie 'Herrenrasse' oder 'Kanakenkiller'; es gibt eine Gruppe 'Zyklon D', es gibt eine Gruppe 'Zillertaler Türkenjäger', Das sind Vorgänge, bei denen jede Verharmlosung fehl am Platze ist und wo man bei der Anwendung von Brutalitäten und von privater Gewalt nicht mehr verdecken darf mit der Frage nach staatlichen oder gesellschaftlichen Versäumnissen, sondern hier muss man zunächst einmal sagen: Es gibt eine Fülle von vorsätzlichen Tötungen, von Brutalitäten und von rassistischen Gewalttaten, die vor die Gerichte gehören und die ohne jedes Zucken auch so behandelt werden müssen, wie jede andere normale brutale persönliche Straftat.
Koczian: Herr Hirsch, ziehen wir trotzdem noch mal einen Vergleich. Es gab damals das Wort vom 'Sympathisantensumpf' - vielleicht ein Kampfbegriff, aber ist er jetzt nicht von heuristischem Wert?
Hirsch: Ja, das ist einer der Punkte, über die man wirklich nachdenken muss, nämlich dass diese Täter in Teilen Deutschlands - und ich will hier nicht einen Ost-West-Konflikt aufmachen, aber in den neuen Bundesländern ist die Gefahr, Opfer einer solchen Straftat zu werden, 200 mal größer als im Westen - dass die Täter den Eindruck haben, dass sie die Vollstrecker des wahren Volkswillens seien, dass sie das Gefühl haben, etwas zu vollziehen, was die Masse der Bevölkerung denkt, aber nicht offen auszusprechen wagt. Das in der Tat einer der Gründe, die zu solchen Verirrungen führen.
Koczian: Roland Koch ist ja nun Ministerpräsident in Hessen. Er sagte, dass Ganze sei überzogen, die NPD freue sich über die Reklame. Ist das die Realität?
Hirsch: Ich finde, dass das eine schwere Fehleinschätzung ist, für die der Ministerpräsident sich schämen sollte, wenn er sich auch nur einmal mit den Tatsachen selber befasst. Was mich überhaupt überrascht, dass wir eine ziemlich exakte Auskunft über die Zahlen dieser Straftaten bekommen, dass aber die Regierungen - jedenfalls nach ihren parlamentarischen Auskünften - keine Kenntnisse darüber haben, wie die staatlichen Reaktionen waren, also zu welchen Verurteilungen diese Taten geführt haben. Da fehlt es am Meldedienst, und da stochert man im Nebel rum, wenn man ihnen die Frage stellt: Reichen eigentlich die Gesetze aus, die wir haben? Darum also die eine Seite: Reichen die polizeilichen Maßnahmen aus, reichen die Gesetze aus, entsprechen die ausgesprochenen Strafen dem Umfang der tatsächlichen politischen und persönlichen Bedrohung von Menschen? Das ist der erste Punkt, an dem wirklich ein dringender Handlungsbedarf besteht. Und der zweite ist natürlich die Frage danach, welche sozialen und ökonomischen Bedingungen zu diesen Vorgängen geführt haben und ob wir nicht drastische Maßnahmen ergreifen müssen, um insbesondere die Jugendarbeit und die soziale Lage von jungen Leuten zu verbessern. Denn das Merkwürdige ist ja, dass diese rechtsradikalen Bewegungen für ein System eintreten, das sie selber überhaupt nicht kennen, indem sie die Herren sein wollen. Aber das System kennen sie nicht; ihre Eltern kennen es nicht einmal. Und trotzdem propagieren sie ein System, das auf Hass und Unterwerfung beruht.
Koczian: Nun, aus guten Gründen misstrauen Liberale ja Beschwörungstheorien. Dennoch gibt es Erkenntnisse, dass Anwälte die potentiellen Gewalttäter besuchen, ihnen raten, die Ausländer zu drangsalieren und sich dabei nicht erwischen zu lassen. Wenn sie aber gefasst werden, wären sie sozusagen 'rechtsschutz-versichert'. Ist dies nicht eine veritable Verschwörung gegen den Staat?
Hirsch: Also, wenn Sie Rechtsanwälte nennen: Ich kenne solche Vorgänge, wie Sie sie darstellen, nicht. Das mag es in Einzelfällen geben. Aber darin sehe ich nicht die Verschwörung, sondern ich sehe die Verschwörung darin, dass wir offenbar zu leicht geneigt sind, solche volksverhetzenden Texte als harmlose Jugendverirrungen hinzustellen. Und das ist nicht etwa nur eine Aussage der Verteidiger, sondern das erlebt man leider in der Politik auch - Sie haben Herrn Koch, den hessischen Ministerpräsidenten zitiert. Man kann genau so gut sich erinnern an ausländerfeindliche Tiraden, die von einer 'multikriminellen Gesellschaft' oder von einer 'durchrassten Gesellschaft' gesprochen haben - also Politiker, die selber dazu beitragen, dass Ausländer in unserem Land zu Sündenböcken gemacht werden, also zu der scheinbaren Ursache für Probleme, die in der Biographie der Täter selber liegen.
Koczian: Wurde vielleicht auch deswegen etwas versäumt, weil man aus guten Gründen gebannt nach links starrte, rechts aber als 'ewig gestrig' abtat - und nun staunt man, dass 'gestern' heute geworden ist?
Hirsch: Ja, wenn man sich manche Entscheidungen der Gerichte ansieht, kommt man in der Tat zu dem Eindruck, dass rechte Verirrungen als 'so ein paar Dünkel, die eigentlich harmlos sind' betrachtet werden, während man bei den Vorgängen, die Sie am Anfang gekennzeichnet haben - RAF und andere -, gesagt hat: ' Das sind Angriffe auf unseren Staat', und dabei verkennt, dass rechtsradikale Gewalt selber genau dieselbe Maschine - Angriff auf unsere Verfassung und auf unseren demokratischen Staat - ist, wie die Tätigkeit RAF. Die Zahl der Opfer ist noch schlimmer. Ich frage mich manchmal, wie die Reaktionen des Staates, der Öffentlichkeit und der Gesellschaft wäre, wenn die Straftaten, die ich am Anfang aufgezählt habe, wenn die nicht von rechts-, sondern von linksradikalen Tätern begangen worden wären. Ich glaube, da gäbe es eine weit größere öffentliche Diskussion und Erregung, als wir sie bisher erlebt haben.
Koczian: Herr Hirsch, man spricht von der 'schwachen Weimarer Republik'. Damals prügelten sich Rotfront und SA. Es gab aber auch ein 'Reichsbanner' - wenn man so will, eine demokratische Miliz. Ist es wieder Zeit für ein Reichsbanner?
Hirsch: Die Gefahr besteht, dass sich beide Seiten gegenseitig ausreizen, und dass die demokratische Kultur in der Mitte der beiden Radikalismen zerstört wird. Die Gefahr besteht immer. Und das, was wir dagegen setzen wollen, ist die Zivilgesellschaft, den Aufstand der Bürger, die sagen: 'Wir lassen uns das nicht mehr gefallen, wir lassen uns unsere Zukunft nicht von den Schlägern der einen oder anderen Seite kaputt machen'. Und nun muss ich etwas sagen: Sie haben ja am Anfang nach den Versäumnissen gefragt. Und die Überlegung, die man anstellen muss, ist ja: Warum sind solche Vorgänge insbesondere in den neuen Bundesländern konzentriert, obwohl wir dort - was Ausländer angeht - weder einen namhaften Bevölkerungsanteil dieser Art haben, noch Kenntnisse über das Zusammenleben mit Ausländern bestehen. Und da habe ich den Eindruck, dass die Jugendarbeit und dass die demokratische Erziehung deswegen im Argen liegt, weil auch die Eltern kaum in der Lage sind, in vielen Fällen den Sinn demokratischer Strukturen überzeugend weiterzugeben. Das heißt, wir müssen die Gemeinden, wir müssen Bürgerinitiativen, wir müssen die vielen demokratischen Initiativen, die es in diesen Ländern gibt, massiv und drastisch bei ihrer Arbeit unterstützen. Man muss von der Industrie und von den Verwaltungen verlangen, dass sie nicht nur an einen Jugendaustausch mit anderen Ländern denken, sondern dass sie eine Art innerdeutschen Jugendaustausch in die Wege setzen, dass sie Praktikantenstellen zur Verfügung stellen, damit weit mehr junge Leute als bisher - zum Beispiel aus den neuen Bundesländern - sehen, wie in einer demokratischen Gesellschaft Konflikte gelöst werden, damit sie mit einer anderen politischen Kultur bekannt werden, als sie sie bisher gekannt haben. Ich glaube, dass das nicht geht, ohne dass auch der Bund ein Programm dieser Art in die Wege leitet und aktiv tätig wird. Man kann nicht mehr zusehen und warten, ob sich das von selbst zurechtschüttelt. Das wird es nicht tun, sondern man muss ein aktives Handeln des Staates verlangen, um diese Defizite, die es offenbar gibt, aufzuarbeiten.
Koczian: In den Informationen am Morgen war das der liberale Rechtspolitiker Burkhard Hirsch. Danke nach Düsseldorf.
Hirsch: Bitte sehr, auf Wiederhören.